Politik

BND spionierte deutsche Unternehmen für die USA aus: Was wusste Merkel?

Lesezeit: 2 min
26.04.2015 01:13
Der Bundesnachrichtendienst hat für US-Geheimdienste jahrelang deutsche Unternehmen ausspioniert. Das Bundeskanzleramt soll bereits 2008 von den Praktiken informiert worden sein. Unternommen hat die Bundesregierung offensichtlich nichts. Die Links-Partei fordert nun Aufklärung, was das Kanzleramt über die Wirtschafts-Spionage gewusst hat.
BND spionierte deutsche Unternehmen für die USA aus: Was wusste Merkel?

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der Bundesnachrichtendienst soll das Kanzleramt schon 2008 über Spionageabsichten des US-Geheimdienstes NSA informiert haben. Wie die «Bild am Sonntag» berichtet, hatte der BND schon vor etlichen Jahren bei der automatischen Überprüfung der von den Amerikanern gelieferten Suchkriterien (Selektoren) Täuschungsversuche festgestellt. Er habe die Regierungszentrale daraufhin in einem streng vertraulichen Bericht 2008 darüber informiert.

In dem Vermerk an das Kanzleramt heiße es, die NSA habe versucht, Wissen über die multinationalen Rüstungskonzerne EADS und Eurocopter abzuschöpfen. Dies widerspreche deutschen Interessen. Daher habe der BND die Anfragen abgelehnt. Der damalige Kanzleramtschef und heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wollte sich auf Anfrage der Zeitung aufgrund der laufenden Untersuchungen nicht äußern.

Dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages liegt laut «Bild am Sonntag» zudem ein Dokument aus dem Jahr 2010 vor, das zur Vorbereitung eines Treffens zwischen de Maizières Nachfolger Ronald Pofalla und US-Vertretern diente. Auch darin habe der BND auf die rechtswidrige Praxis der Amerikaner hingewiesen, heißt es in dem Bericht.

Profalla hatte die NSA-Affäre nach einer kurzen öffentlichen Aufwallung für beendet erklärt. Der Politiker wechselte wenig später als Lobbyist zur Deutschen Bahn.

Am Donnerstag war bekanntgeworden, dass der BND für die NSA gezielt die Kommunikation europäischer Unternehmen und Politiker ausgehorcht haben soll. Dem deutschen Auslandsgeheimdienst war demnach in den vergangenen Jahren stückweise klar geworden, dass die von den Amerikanern gelieferte Suchkriterien für den von ihm abgehörten Datenverkehr deutschen und europäischen Interessen widersprechen. Bisher hatte es geheißen, das Kanzleramt als Aufsichtsbehörde sei erst kürzlich informiert worden.

Die Linkspartei fordert umgehend Aufklärung von der Bundesregierung. In einer Mitteilung heißt es:

Nachdem sich entgegen allen Beteuerungen der Bundesregierung herausgestellt hat, dass der Drohnenkrieg der USA, bei den es zu zahlreichen gezielten und mindestens zum Teil wohl auch völkerrechtswidrigen Tötungen gekommen ist, maßgeblich über die deutsche Militärbasis in Ramstein gesteuert wurde und womöglich immer noch wird, gibt es binnen weniger Tagen einen weiteren Fall, in dem der dringende Verdacht der bewussten Falschinformation gegenüber dem Parlament besteht.

Heute nun melden die "Süddeutsche" und die "Welt am Sonntag", dass das Bundeskanzleramt anders als bisher behauptet, nicht erst im März 2015, sondern bereits im Jahr 2008 durch den BND in einem Sonderbericht über Aktivitäten der NSA im Bereich der Wirtschaftsspionage und gegen europäische Interessen unterrichtet wurde, aber nichts dagegen unternommen habe.

Dazu erklärt André Hahn, Mitglied der Linksfraktion im Parlamentarischen Kontrollgremium, und derzeit auch dessen Vorsitzender:

Wenn die neuesten Medienberichte tatsächlich stimmen und es schon im Jahr 2008 einen oder gar mehrere Berichte des BND über versuchte bzw. auch real erfolgte Wirtschaftsspionage seitens der NSA an die Dienst- und Fachaufsichtsbehörde gegeben hat, dann hätte das Bundeskanzleramt das Parlamentarische Kontrollgremium erneut belogen, denn ihm gegenüber hat Kanzleramtsminister Altmaier erklärt, sein Amt habe erst vor wenigen Tagen von derartigen Bestrebungen erfahren.

Natürlich war Herr Altmaier damals noch nicht im Amt - das war er jetzige Bundesinnenminister De Maizière - aber er trägt neben der Bundeskanzlerin natürlich die Hauptverantwortung für sein Haus. Deshalb müssen sofort alle Karten auf den Tisch gelegt werden, sowohl gegenüber der Kontrollgremium als auch gegenüber dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der diesbezüglich den Hauptteil der Aufklärung zu leisten hat. Dabei geht es um die entsprechenden Berichte des BND an das Kanzleramt ebenso wie die fraglichen Listen der Suchbegriffe der NSA.

Das Parlament hat Anspruch auf die ganze Wahrheit, und sicher nur ich persönlich bin nicht bereit, mich länger mit häppchenweisen Informationen abspeisen zu lassen.

Das Parlamentarische Kontrollgremium hat bereits beschlossen, am 6. Mai eine erneute Sondersitzung durchzuführen und dort einen weiteren Bericht der Bundesregierung zu den aktuellen Vorgängen einzufordern. Nach den jetzigen Informationen sollte Kanzleramtsminister Altmeier dort nicht nur persönlich erscheinen, sondern die Zeit bis dahin nutzen, um die offenkundig gewordenen Unklarheiten zu beseitigen. Das Abschieben sämtlicher Verantwortung an den BND, auch hinsichtlich personeller Konsequenzen, wird dabei wohl nicht länger zu halten sein!


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Yulin Delegation - Erfolgreich veranstaltetes Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen in Berlin

Am 25. April 2024 organisierte eine Delegation aus der chinesischen Stadt Yulin ein erfolgreiches Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen...

DWN
Politik
Politik Heimatschutz: Immer mehr Bürger dienen dem Land und leisten „Wehrdienst light"
01.05.2024

Ob Boris Pistorius (SPD) das große Ziel erreicht, die Truppe auf über 200.000 Soldaten aufzustocken bis 2031 ist noch nicht ausgemacht....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weltweite Aufrüstung verschärft Knappheit im Metallsektor
01.05.2024

Die geopolitischen Risiken sind derzeit so groß wie seit den Hochzeiten des Kalten Krieges nicht mehr. Gewaltige Investitionen fließen in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nachhaltigkeit als Schlüsselfaktor für Unternehmenserfolg
01.05.2024

Die Studie „Corporate Sustainability im Mittelstand“ zeigt, dass der Großteil der mittelständischen Unternehmen bereits Maßnahmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Private Pflegezusatzversicherungen: Wichtige Absicherung mit vielen Varianten
01.05.2024

Die gesetzliche Pflegeversicherung reicht oft nicht aus, um die Kosten im Pflegefall zu decken. Welche privaten Zusatzversicherungen bieten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 22-Prozent unbezahlte Überstunden: Wenn Spitzenkräfte gratis arbeiten
01.05.2024

Arbeitszeit am Limit: Wer leistet in Deutschland die meisten Überstunden – oft ohne finanziellen Ausgleich? Eine Analyse zeigt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Die größten Kostenfallen: So sparen Sie bei Fonds, Aktien und Co.
01.05.2024

Viele Anleger unterschätzen die Wirkung von Anlagekosten. Dabei sind Fondsgebühren, Orderkosten und Co. auf lange Sicht enorm...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Konsumstimmung steigt: Die Deutschen shoppen wieder
01.05.2024

Laut aktuellen Erhebungen der GfK steigt die Konsumstimmung in Deutschland für den Mai auf ein Zwei-Jahres-Hoch. Ausschlaggebend sind...