Politik

Vor MH17: BND warnte Bundesregierung vor Linien-Flügen über Ukraine

Die Bundesregierung wurde offenbar bereits vor dem Abschuss von Flug MH17 über die Gefahren im Luftraum über der Ukraine informiert. Die Regierung hat die Warnungen des BND und des Auswärtigen Amts jedoch nicht an die deutschen Fluggesellschaften weitergegeben. Andere Airlines mieden den Luftraum zu diesem Zeitpunkt bereits. Die Ukraine wäre verpflichtet gewesen, den Luftraum zu sperren. Der Fall bleibt unaufgeklärt und das ist ein Skandal.
27.04.2015 14:10
Lesezeit: 2 min

Die Bundesregierung hatte offenbar vor dem Abschuss der malaysischen Passagiermaschine im Juli 2014 klare Gefahrenhinweise für Linienflüge über der umkämpften Ostukraine, wie der WDR unter Verweis auf vertrauliche Berichte des Auswärtigen Amtes berichtet. Diese Erkenntnisse habe die Bundesregierung aber nicht als Warnung an deutsche Fluggesellschaften für Überflüge weitergegeben.

In den sogenannten Drahtberichten vom 15. Juli 2014, zwei Tage vor der Katastrophe von Flug MH17, habe das Auswärtige Amt über eine sehr besorgniserregende Lage in der Ostukraine berichtet. Als Grund sei in den als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ eingestuften Unterlagen der Abschuss eines ukrainischen Militärflugzeugs vom Typ Antonow An-26 in einer Flughöhe von mehr als 6000 Metern am Vortag genannt worden.

Der Abschuss eines Flugzeuges auf dieser Höhe sei für Militärexperten ein klares Zeichen, dass auch Ziele in sehr viel größeren Höhen getroffen werden können, was auch eine Gefahr für zivile Passagiermaschinen darstellt. Auch der Bundesnachrichtendienst habe der Bundesregierung mehrfach in seinen täglichen Berichten mitgeteilt, dass die Luftsicherheit über dem Konfliktgebiet in der Ostukraine nicht gegeben sei.

Das Bundesverkehrsministerium habe auf Anfrage geantwortet, dass die Bundesregierung vor dem MH17-Absturz keine Informationen über eine etwaige Verschärfung der Sicherheitslage für zivile Überflüge gehabt habe.

Flug MH17 war im Juni über der Ostukraine abgeschossen worden. Alle 298 Menschen an Bord kamen ums Leben. Das Unglück hat die Russland-Sanktionen nochmals verschärft und die Kämpfe in der Ostukraine angetrieben. Stichhaltige Beweise zum Absturz wurden bislang von keiner Seite vorgelegt. Die Funksprüche aus dem Flugzeug hält die Bundesregierung geheim, obwohl ihr deren Inhalt bekannt ist.

Die Geheimhaltung über die näheren Umstände des Abschusses wird in der deutschen und amerikanischen Politik von der Behauptung übertüncht, dass Russland an dem Abschuss schuld sei. Die nun vorgelegten Enthüllungen enthalten allerdings einen schweren Vorwurf: Unabhängig von der Tatsache, wer die Rakete wirklich abgefeuert hat, wäre das Unglück möglicherweise schon im Vorfeld zu verhindern gewesen - etwa in Form einer dezidierten Anweisung an die Fluglinien, den ukrainischen Luftraum prinzipiell zu meiden. Einige Airlines wie Korean Air, Qantas, Air France, British Airways und Air Berlin hatten die Ukraine bereits vor dem Unfall umflogen. Die Lufthansa flog weiter über das Kampfgebiet. Die SZ zitiert einen Insider mit den Worten: „Wenn die Bundesregierung unser Unternehmen mit der Bewertung ,neue Qualität' gewarnt hätte, wäre Lufthansa sicher nicht mehr über die Ostukraine geflogen.“

Vor allem aber wäre die Regierung der Ukraine verpflichtet gewesen, alle internationalen Airlines auf das Problem hinzuweisen und möglicherweise den Luftraum selbst zu sperren. Doch die Süddeutsche, die die ungehörten Warnungen des BND ans Licht brachte, schreibt: „Bei den Überflugrechten geht es um Geld. Eine Sperrung des Luftraums hätte die Ukraine am Tag schätzungsweise eine halbe bis zwei Millionen Euro gekostet. Das Geld wollte man sich offensichtlich nicht entgehen lassen.“

Die Geheimhaltung über die Hintergründe treibt auch im Rahmen der niederländischen Ermittlungen seltsame Blüten: Am Wochenende ordnete der niederländische Justizminister persönlich die Entlassung des Forensik-Professors George Maat aus dem Untersuchungsteam an, das an der Identifizierung der Toten arbeitet. Angeblicher Grund: Maat hatte in einer Vorlesung Fotos von den Opfern des MH17-Absturzes gezeigt, ohne sich die Zustimmung der Angehörigen zu holen. Das ist eigentlich erlaubt. Doch irgendwie ist die Vorlesung über Facebook öffentlich geworden, obwohl das heute nicht mehr nachzuvollziehen ist, wie Florian Rötzer auf Telepolis berichtet. Rötzer vermutet, dies „lässt den Verdacht entstehen, dass es möglicherweise darum geht, den Professor, der sich nicht an offizielle Darstellung hält, auszuschließen und zu diskreditieren“.

Maat sprach er über mögliche Gründe des Absturzes, die außerhalb seines Fachbereichs angesiedelt sind und sich von der offiziellen Darstellung unterscheiden, schreibt Rötzer auf Heise.

So habe Maat über den Abschuss gesagt, dass die Rakete in der Nähe des Flugzeuges explodiert sein müsste, denn die Schrapnell-Teile hätten sowohl Opfer als auch Flugzeug durchsiebt. Das Flugzeug hätte nicht in der Luft auseinanderfallen dürfen, sondern in einem Stück auf den Boden aufprallen müssen.

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