Wirtschaft

Deutsche Bahn: Sanierung des Schienennetzes dauert länger – die Folgen

Die Pläne waren ehrgeizig – bis 2030 wollte die Bahn mit einer Dauerbaustelle das Schienennetz fit machen. Das Timing für die Generalsanierung entpuppt sich als Fehlplanung, denn sie wird nun Jahre länger dauern. Pendler müssen sich also noch länger auf Einschränkungen im Bahnverkehr einstellen.
05.07.2025 05:51
Lesezeit: 4 min
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Deutsche Bahn: Sanierung des Schienennetzes dauert länger – die Folgen
Ein Logo der Deutschen Bahn ist auf einem IC Zug der Deutschen Bahn angebracht (Foto. dpa). Foto: Bernd Weißbrod

Wie die Bundesbahn vor einigen Tagen auf einer Info-Veranstaltung für die Branche mitteilte, wird die Sanierung des Streckennetzes noch bis 2035 andauern und damit vier Jahre länger als geplant in Anspruch nehmen. Ein finales Konzept für die Sanierungsarbeiten will das verantwortliche Tochterunternehmen der Bahn, die DB InfraGO, erst nach Abstimmung mit weiteren Verkehrsunternehmen, mit der Bundesregierung endgültig verabschieden.

Ursprünglicher Zeitplan der Bahn war zu ambitioniert

Kritisiert wurde der bisherige Zeitplan, der eine Fertigstellung bis 2030 vorsah, insbesondere von den Wettbewerbern der Bahn im Güterverkehr. Sie führten an, dass die Pläne zu ehrgeizig waren und auch die Umleiterstrecken nicht richtig vorbereitet und geplant waren.

Die Union war in Bezug auf die Sanierungspläne der Bahn sowieso schon skeptisch. Im Koalitionsvertrag wurde deshalb vereinbart, die Sanierungsstrategie der Bahn zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Darum geht es bei der Bahnsanierung

Die geplante, grundlegende Sanierung des Bahnschienennetzes umfasst über 40 stark frequentierte und überalterte Strecken, die modernisiert und für den digitalen Ausbau vorbereitet werden sollen. Die in den vergangenen Jahren durchaus katastrophale Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit der Bahn wird in erster Linie auf das überlastete und mittlerweile marode Schienennetz zurückgeführt. Notreparaturen und damit zahlreiche Baustellen machen dem Schienenverkehr seit langem täglich zu schaffen. Wenn die Generalsanierung des Schienennetzes abgeschlossen ist, soll dann erst einmal für fünf Jahre Ruhe sein – Bahnverkehr ganz ohne Baustellen ist dann die Devise und Pünktlichkeit das oberste Gebot.

Bisherige Sanierungsziele der Bahn wurden nicht erreicht

Von den 41 urspünglich geplanten sogenannten Korridorsanierungen ist bis heute nur die Sanierung der Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt am Main abgeschlossen. Der Korridor wurde für die gesamte Bauzeit komplett gesperrt. Wie Kritiker bemängel, ist aber auch diese Sanierung noch nicht vollständig abgeschlossen. Eigentlich sollte die Sanierung der Riedbahn zeigen, wie es gemacht wird – Vollsperrung wichtiger Verbindungen für einige Monate, um sie dann als Hochleistungsstrecke wieder in Betrieb zu nehmen.

In der Analyse dieser Sanierungsmaßnahme gibt es auch von Experten Kritik. Wie Christian Böttger, Bahnexperte und Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, ausführte, wurde bei der Riedbahnsanierung das Hauptziel Pünktlichkeit weit verfehlt, dafür seien aber die Kosten für die Arbeiten dreimal so teuer ausgefallen wie geplant. Ferner sei auch ein weiteres Teilziel bis Ende 2024 nicht erreicht worden. Die Strecke sollte ursprünglich mit dem Zugbeeinflussungssystem ETCS ausgestattet werden – das wurde noch nicht realisiert. Im Ergebnis habe die Sanierung der Riedbahn eher aufgezeigt, was alles eben doch nicht möglich ist in der geplanten Zeit und wie hoch die tatsächlichen Kosten für die Korridorsanierungen wirklich sind.

Es fehlen freie Baukapazitäten bei der Bahn

Für die Sanierung großer Bahnstrecken werden große Mengen an Technik und viele Fachleute gebraucht. Wie Böttger erklärte, ist die Eisenbahnbaubranche über viele Jahre zusammengeschrumpft durch den anhaltenden Sparkurs sowohl bei Bahn als auch bei der Bundesregierung. Die Branche hat sich an die niedrige Nachfrage angepasst und freie Kapazitäten gibt es kaum. Die Bündelung der Ressourcen für große Projekte lässt auch die Preise steigen und zieht die Umsetzungspläne in die Länge. Die knappen Kapazitäten führen dazu, dass sich beispielsweise die Mietpreise für Bauzug-Loks verdreifacht haben, wie Böttger weiter ausführte. Engpässe gibt es besonders bei spezieller Technik, die für die Sanierungen benötigt wird.

Das größte Problem seien nach Böttger zur Zeit die Oberleitungen, denn es fehlen die notwendigen Kapazitäten, um die sanierungsbedürftigen Strecken mit den neuen Fahrleitungen auszustatten. Also müssen diese Arbeiten verschoben werden – womit Zeitplanungen dann wieder hinfällig werden und die Kosten in die Höhe getrieben werden. Für den Fall, dass die Ressourcen für die Hochleistungskorridore gebündelt werden, fehlen die Ressourcen dann an anderer Stelle oder werden zumindest spürbar teurer.

Bundesrechnungshof kritisiert Preistreiberei

Auch der Bundesrechnungshof hat sich bereits vor einigen Wochen geäußert und die Preiseffekte angeprangert. Die großen Generalsanierungen würden auch dazu führen, dass sich weitere Bahnbauprojekte verteuern und verzögern würden.

Auch der Bundesrechnungshof kritisierte vor einigen Wochen den Preistreibereffekt. Zudem sorgten die Generalsanierungen dafür, dass andere Bahnbauprojekte sich verzögern und verteuern würden. Das bestätigt auch Böttger und erklärte, dass ein großer Teil der Budgetsteigerungen wegen Preissteigerungen zustande kommt und nicht in die Materialmenge fließt.

Baubranche der Bahn atmet auf

Die Bahnbaubranche ist nun erleichtert, dass die ehrgeizigen Zeitpläne der Bahn auf ein realistischeres Maß gestreckt werden sollen. Experten haben den ursprünglichen Zeitplan schon vor längerem als zu ambitioniert eingestuft, da die Kapazitäten der Branche zu eng bemessen sind. Sie halten die Entzerrung des Zeitplans für notwendig.

Wie Peter Westenberger, Geschäftsführer des Verbands der Transportbahnunternehmen "Die Güterbahnen", ausführte, sei die Notbremsung beim Zeitplan die richtige Maßnahme. Sie zeige, dass die Einsicht da sein, dass man sich nicht zu viel auf einmal vornehmen kann. Auch merkte er an, dass die Belastungen für die Bahnpassagiere besonders hoch seien, wenn Hauptstrecken komplett gesperrt werden und der Ersatzverkehr nicht überall richtig funktioniert.

Zusätzlich müssen Unternehmen, die die Bahnstrecken für den Gütertransport nutzen, dadurch weite und zeitaufwändige Umfahrungen planen, die entsprechend teuer sind. Westenberger hält die Streckung des Sanierungsprogramms deshalb auch für absolut sinnvoll.

Preistreiber ist neben dem Ressourcenmangel auch die Fachkräftenot

Der Verband der Bahnindustrie (VDB), in dem Unternehmen organisiert sind, die für die Bahn bauen, hat die Preissteigerungen eingeräumt. In der Erklärung heisst es, dass die Ressourcenbündelung für die Sanierung nur einer Strecke in kurzer Zeit eben teurer sei als ein Bau nach einer Standardplanung. Auch sind Fachkräfte Mangelware beim Bau an der Bahn – bestimmte Spezialisten, wie Gutachter oder Prüfer fehlen oftmals in ausreichender Zahl.

Wie Sarah Stark, Hauptgeschäftsführerin des VDB, erklärte, wird sich diese Situation auch nicht so schnell ändern. Damit die Bauunternehmen mehr dieser Fachleute einstellen, müsste zunächst einmal langfristig geklärt sein, dass dauerhaft mehr Geld in die Bahn investiert werden soll. Kapazitäten könnten im Bereich der Fachkräfte nur dann aufgebaut werden, wenn langfristige Finanzierungen gesichert werden, was heute nicht der Fall ist.

Langfristige Finanzierung der Bahnsanierung ist in Planung

Über eine langfristige Finanzierung der Investitionen in die Bahn wird auf politischer Seite bereits nachgedacht. So überlegt man zur Zeit, die Korridorsanierungen an die Laufzeit des kreditfinanzierten Sondervermögens des Bundes zu koppeln. Das würde bedeuten, dass bis 2035 dann Geld aus dem Infrastrukturfonds in die Schieneninfrastruktur eingeplant wird.

Die Entzerrung des Zeitplans für die umfangreichen Infrastrukturprojekte der Bahn werden also begrüßt und sind sicher in vieler Hinsicht sinnvoll – allerdings werden Passagiere und auch Unternehmen jetzt mindestens vier Jahre länger mit Einschränkungen leben müssen – wenn diese vier Jahre dann auch überhaupt reichen werden.

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