Die Energieminister der sieben führenden westlichen Industriestaaten (G7) wollen der Ukraine dabei helfen, die Energie-Abhängigkeit von Russland zu verringern. In einer gemeinsamen Erklärung riefen sie unter anderem Weltbank und Internationalen Währungsfonds (IWF) auf, vor allem im Energiebereich «sich an unseren Anstrengungen zur Unterstützung der Ukraine und anderer besonders gefährdeter europäischer Länder zu beteiligen».
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) betonte zum Abschluss des Treffens am Dienstag in Hamburg, die G7 müssten Kiew noch sehr lange unter die Arme greifen: «Niemand glaubt heute, dass der Ukraine-Konflikt vollends gelöst ist.» Der amerikanische Energieminister Ernest Moniz bot den Europäern mittelfristig Flüssiggas-Exporte aus den USA an. Das könnte vor allem für einige osteuropäische EU-Länder, die ihren Bedarf zu 100 Prozent mit russischem Gas decken, eine Alternative sein.
Doch die Realität sieht ganz anders aus.
Voller Zuversicht hatte das britische Energie-Unternehmen Cuadrilla Resources im Jahr 2009 ein Büro in Polen eröffnet, um den US-amerikanischen Schiefergas-Boom in Europa nachzuahmen. Schließlich gab es auch auf dem europäischen Kontinent Schiefergas-Ressourcen und die Fracking-Industrie wurde als zukunftsweisend eingestuft.
Doch nach sechs Jahren ist es der Firma immer noch nicht gelungen, eine Förderanlage in Betrieb zu nehmen, obwohl die polnische Regierung das Fracking vehement unterstützt. Hinzu kommt, dass die Öl-Riesen Exxon Mobil, Chevron und Royal Dutch Shell mittlerweile von Fracking-Investitionen in Polen absehen. „Es ist nicht einfach (…) Die Kosten für Förderanlagen sind in Europa um ein vielfaches höher als in den USA. Außerdem werden wir bei jedem Schritt mit Vorschriften konfrontiert“, zitiert Bloomberg den Cuadrilla-Direktor für Dienstleistungen auf dem polnischen Markt, Marek Madeja.
Trotz des Wunschs der Europäer, sich von russischen Gas-Importen zu lösen, hat sich die Schiefergas-Förderung als Blindgänger erwiesen. Schwierige geologische Bedingungen, umständliche Vorschriften und der Krieg im Osten der Ukraine haben die anfängliche Begeisterung der Fracking-Anleger regelrecht schwinden lassen. Der Ölpreis-Verfall unter die 50-Dollar-Marke machte die Förderung in Europa schließlich komplett unmöglich. Die Euphorie ist verflogen. Michael Barron von der Eurasia Group in London sagt, dass die Fracking-Industrie in Europa im Gegensatz zu den USA keine bahnbrechende Entwicklung einleiten werde. Doch auch in den USA ist der Fracking-Boom mittlerweile vorbei.
Das ist vor allem eine schlechte Nachricht für die Ukraine, die ihre Abhängigkeit von Energie-Importen aus Russland reduzieren möchte. Der Energie-Konzern Shell hat seine Operationen in Donezk bereits eingestellt. Doch auch der Konzern Chevron, der im Westen der Ukraine tätig gewesen ist, stellte im Dezember 2014 all seine Operationen ein. Innerhalb der EU kommt als weitere Einschränkung für die Fracking-Industrie hinzu, dass es innerhalb der Bevölkerung einen größeren Widerstand gegen die Fracking-Technologie als in den USA gibt. Die Nato behauptet, dass Russland europäische Umweltaktivisten beim Widerstand gegen das Fracking fernsteuert. Die Kommunen in Großbritannien beäugen vor allem den Einsatz von Chemikalien mit Argwohn. Fracking führe nicht nur zur Umweltverschmutzung, sondern erhöhe auch die Erdbeben-Gefahr, argumentieren sie. „Europa ist viel dicht besiedelter als die USA. Die Menschen leben hier viel näher an den Bohrungen und Förderanlagen“, so Barron.
In Frankreich befinden sich die größten Schiefergas-Reserven Europas. Doch die Regierung in Paris will die Technologie nicht zum Einsatz bringen. Das derzeit gültige absolute Fracking-Verbot wird mindestens bis zur Präsidentschaftswahl 2017 halten. Spanien verfügt ebenfalls über beträchtliche Ressourcen und hat bereits einige Förderlizenzen erteilt. Allerdings konnten bisher noch keine Bohrungen vorgenommen werden, weil die erforderlichen Umweltlizenzen fehlen. In einigen Regionen des Landes wurde Fracking verboten. In Dänemark hat der Energie-Riese Total zwei Konzessionen erhalten und wird noch im aktuellen Jahr mit der Fracking-Förderung beginnen.
Der Bloomberg-Analyst Philipp Chladek meint, dass russische Gas-Importe der günstigste Weg für die EU sei, um sich mit Energie einzudecken. Das werde sich auf unabsehbare Zeit nicht ändern. „Der Traum war, dass Fracking Europa in die Unabhängigkeit führen wird. Doch dieser Traum hat sich nicht erfüllt (…) Ich würde nicht sagen, Fracking in Europa ist tot. Aber es ist schwieriger als man dachte“, so Chladek.
Wie insgeheim die Öl- und Gas-Manager der internationalen Energie-Riesen insgeheim über Fracking denken, wenn sie persönlich von Bohranlagen betroffen sind, verdeutlicht ein Fall aus dem vergangenen Jahr. So ist der Chef von Exxon Mobil dafür bekannt, die umstrittene Gasfördermethode gegen jede Kritik zu verteidigen, außer es geht um sein Eigentum. Er protestierte gegen den Bau eines Wasserturmes, der für das Fracking gebraucht wurde. Der Exxon-Chef hatte nämlich Angst, dass sein Grundstück an Wert verliert.