Der Krieg im Osten der Ukraine hat dazu geführt, dass das Land wirtschaftlich und sozial nicht auf die Beine kommt. In diesem Zusammenhang haben sich zwei große Flüchtlings- und Auswanderungsströme entwickelt. Während die Menschen in der West-Ukraine hauptsächlich in den EU-Raum auswandern, zieht es die Ost-Ukrainer nach Russland.
Im vergangenen Jahr hat Polen 331.000 Kurzarbeit-Genehmigungen an Ukrainer erteilt. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einer 50-prozentigen Erhöhung der Genehmigungen, zitiert der Guardian die Migrations-Analystin am Center for Eastern Studies (OSW) in Warschau, Marta Jaroszewicz. Sie schätzt, dass inzwischen 300.000-400.000 Ukrainer in Polen leben. Im Januar und Februar sind die Anträge auf Aufenthaltsgenehmigungen in der Region Masowien im Vergleich zur Vorjahresperiode um 180 Prozent gestiegen.
Die Vorsitzende der Association of Ukrainian Women in Poland, Katarzyna Sirocka, sagt, dass aufgrund des Ukraine-Konflikts zahlreiche gut ausgebildete Ukrainer nach Polen auswandern. Dazu gehören beispielsweise Berufssparten wie Psychologen oder Musiker. „Viele von ihnen müssen ohne Papiere arbeiten“, so Sirocka. Andere wiederum sind als Putzmänner- oder Frauen, Taxi-Fahrer oder Bauarbeiter tätig. Die Ukrainer wandern nicht nur aufgrund des Konflikts, sondern vor allem wegen der desolaten wirtschaftlichen Lage in ihrer Heimat aus. Die grassierende Korruption im Land macht eine Chancengleichheit auf dem ukrainischen Arbeitsmarkt unmöglich.
Während die Einwanderer aus der West-Ukraine oftmals die polnische Sprache sprechen, haben die Flüchtlinge aus dem Osten der Ukraine keinen sprachlichen Vorteil, da viele von ihnen Russisch als Muttersprache oder Umgangssprache sprechen und das Ukrainische nur die Zweitsprache ist. Mateusz Kramek von der Organisation Ukrainian World sagt, dass die zahlreichen ukrainischen Akademiker Polen als Durchgangs-Station in den Westen ansehen. Viele von ihnen wollen nach Westeuropa oder in die USA.
Die Ost-Ukrainer wandern oder flüchten hingegen oftmals nach Russland aus, zumal viele von ihnen Verwandte in der Russischen Föderation haben. Der UNHCR-Sprecher Babar Baloch sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Bisher haben 264.000 ukrainische Staatsbürger Anträge auf vorübergehenden Asyl in der Russischen Föderation gestellt. Weitere 244.000 Ukrainer stellten anderweitige Anträge wie für die Einbürgerung, für vorübergehende oder unbefristete Aufenthaltserlaubnisse oder Siedlungsprogramme. Viele nutzen das Abkommen zur Visa-Freiheit“.
Die Infrastruktur in der Ost-Ukraine wurde mittlerweile weitgehend zerstört. Nach Angaben des ORF-Korrespondenten Christian Wehrschütz, der sich in der Ukraine befindet, findet im Osten des Landes kein Wiederaufbau statt und der russische Rubel habe sich mittlerweile als Zahlungsmittel durchgesetzt. Die Auswanderungswelle nach Russland wird offenbar auch in den kommenden Monaten nicht abreißen. Doch unklar bleibt, wie der Wiederaufbau in der Ukraine gelingen soll, wenn neben den durchschnittlichen Bürgern insbesondere die Facharbeiter und Akademiker auswandern.