Der Chef der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Frontex), Fabrice Leggeri, sagt, dass es eine Verlagerung der Flüchtlingsströme vom zentralen Mittelmeer zum östlichen Mittelmeer gibt. Die Anzahl der Flüchtlinge, die über die Türkei und Griechenland nach Mitteleuropa gelangen wollen steige an. „Sie bewegen sich sehr schnell, also müssen wir flexibel sein (…) Wir sind besorgt wegen der Situation in Griechenland und deshalb werden wir unser Vorgehen dort und unsere Hilfe an die griechischen Behörden erweitern“, zitiert AP Leggeri.
Das türkische Nachrichtenportal A24 berichtet, dass die EU und die Türkei beschlossen hätten, gemeinsam zu kooperieren, um die Flüchtlingsströme über die Türkei in die EU einzudämmen.
Eine Frontex-Sprecherin sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten, dass es nicht zwangsläufig um Flüchtlinge gehen würde. Denn beispielsweise hätten Syrer aufgrund des Bürgerkriegs das Recht, Asylanträge in EU-Staaten zu stellen. Dramatischer seien die reinen Migrationsströme nach Europa. Damit beschäftige sich Frontex ebenfalls. Migranten seien im Regelfall keine Flüchtlinge, wobei dies nicht ausschließe, dass sich unter Migranten auch Flüchtlinge befinden.
Über das zentrale Mittelmeer gelangen hauptsächlich Menschen aus Eritrea, Äthiopien und Nigeria nach Europa. Über die Türkei – also über die Route des östlichen Mittelmeers – würden vor allem Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak kommen. Zwischen Januar und April 2015 hätten die Route über Libyen etwa 26.000 und über die Türkei etwa 27.000 Migranten und Flüchtlinge genutzt.
Nach Angaben der Flüchtlingsorganisation UNHCR befinden sich in der Türkei offiziell über 1,6 Millionen Flüchtlinge. Die größte Gruppe der Flüchtlinge stammt mit 1,5 Millionen Personen aus Syrien. Die restlichen Flüchtlinge stammen vor allem aus dem Irak und aus Afghanistan. Der UNHCR schätzt, dass sich die Gesamtanzahl der Flüchtlinge in der Türkei im Verlauf des aktuellen Jahres auf 1,9 Millionen Personen erhöhen wird. Doch nach Aussagen der Chefin des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), Helen Clark, könnte sich diese Anzahl auf 2,5 Millionen Personen erhöhen.
Die türkische Regierung hat bisher entlang der türkisch-syrischen Grenze 22 Flüchtlingslager eingerichtet, wo sich aktuell 217.000 Flüchtlinge befinden. Die restlichen Personen wurden über die Türkei verteilt. Clark sagte der Zeitung Hürriyet, dass die Flüchtlingslager in der Türkei einen sehr hohen Standard hätten. „Die Flüchtlingslager in der Stadt Gaziantep gelten als die besten Flüchtlingslager der Welt“, so Clark. Es gebe Schulen, Geschäfte und sanitäre Einrichtungen. Die Flüchtlinge hätten sogar die Möglichkeit, ihre Einkäufe mit Kreditkarten zu bezahlen. Die Regierung in Ankara finanziere die Flüchtlingslager weitgehend aus dem Haushaltsbudget. Direkt zuständig ist die türkische Behörde für Katastrophenmanagement (AFAD). Die Flüchtlinge erhalten im Regelfall türkische Ausweise und dürfen sich in der Türkei niederlassen und berufstätig werden. Ausgenommen von dieser Regel sind Personen, denen eine kriminelle Vergangenheit nachgewiesen kann und die ohne gültige Papiere in die Türkei geflüchtet sind, berichtet das UNHCR.
Die syrischen Flüchtlinge müssen in den meisten Lagern nach Ankunft in der Türkei an Sprachkursen teilnehmen, um die Landessprache zu erlernen. Dadurch soll die Integration in die Gesellschaft möglichst zügig erfolgen. Die Sprachkurse erfolgen über örtliche Vereine und Organisationen, die staatlich bezuschusst werden. Weiterhin sollen an acht türkischen Hochschulen auch arabischsprachige Lesungen angeboten werden, die speziell auf geflüchtete Akademiker zugeschnitten sind, berichtet die Zeitung Milliyet.
Allerdings gibt es zwischen den Flüchtlingen ein Gefälle zwischen Arm und Reich. Während die reichen Syrer Firmen gründen, sich Häuser kaufen und Investitionen in der Türkei durchführen, arbeiten die Ärmeren auf Plantagen oder im Dumpinglohn-Sektor.