Deutschland

Bundestag beschließt umstrittenes Tarif-Gesetz

Union und SPD stimmten am Freitag mit großer Mehrheit und gegen den Widerstand der Opposition für das Gesetz zur Tarif-Einheit. Das Gesetz dürfte im Juli in Kraft treten. Die Gewerkschaft Cockpit und der deutsche Beamtenbund kündigten bereits eine Verfassungsklage an.
22.05.2015 13:46
Lesezeit: 2 min

Der Bundestag hat am Freitag das Gesetz zur Tarifeinheit mit den Stimmen von Union und SPD (444 Ja-Stimmen, 126 Nein-Stimmen und 16 Enthaltungen) beschlossen. Dabei gab es aber auch 16 Gegenstimmen aus der CDU/CSU und eine aus der SPD.

Das Gesetz sieht vor: Wenn zwei Gewerkschaften in einem Betrieb dieselbe Beschäftigtengruppe vertreten, soll im Streitfall nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in diesem Betrieb gelten.

„Damit soll künftig die Tarifeinheit nach dem Mehrheitsprinzip dafür sorgen, dass die Tarifautonomie funktionsfähig bleibt“, teilte der Bundestag mit. Gerichte könnten daher womöglich Streiks der Minderheitsgewerkschaft verbieten. Zuletzt war es auch aus diesen Gründen vermehrt zu Streiks gekommen, um auch als kleinere Gewerkschaft noch vor Billigung des Gesetzes eigene Forderungen durchsetzen zu können.

Linksfraktion und Grüne warfen der schwarz-roten Koalition daher vor, die Regelung greife in das Streikrecht ein und verstoße gegen Grundgesetz. Spartengewerkschaften wie die Pilotenvereinigung Cockpit wollen gegen das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.

„Der Großteil der Gutachter attestierten dem Gesetz inhaltliche wie handwerkliche Mängel und eine begrenzte Wirkung. Das Gesetz ist somit nicht nur nutzlos, sondern schafft zudem zusätzliche Probleme. Die Befürworter jedoch waren sich im Ergebnis einer politisch erzwungenen Tarifeinheit einig, dass man lieber ein schlechtes Gesetz sehen möchte als keines“, so Markus Wahl, Pressesprecher der Vereinigung Cockpit. „Wir werden dies nicht hinnehmen und uns mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln politisch und rechtlich zur Wehr setzen.“ Im Falle einer gesetzlichen Regelung werde man zum frühestmöglichen Zeitpunkt gegen das Gesetz Verfassungsbeschwerde einlegen.

DBB-Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt kündigte ebenfalls eine Verfassungsklage an:

„Wenn die Abgeordnetenmehrheit die Koalitionsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr verteidigt, müssen die Richter des Bundesverfassungsgerichts diese Rolle übernehmen. Die heute beschlossene Regelung verstößt gegen das Grundgesetz, zerstört den Betriebsfrieden und treibt die Gewerkschaften in Deutschland in einen harten Konkurrenzkampf. Über die drohenden praktischen Probleme bei der Umsetzung eines solchen Gesetzes will ich gar nicht reden. Wer ermittelt die Gewerkschaftszugehörigkeiten und auf welcher rechtlichen Grundlage? Wer definiert die Betriebsmehrheit, zu welchem Stichtag? Alles ungeklärt. Die Bundesregierung stellt die deutschen Arbeitsgerichte vor unlösbare Aufgaben und bedroht die Existenz der Berufsgewerkschaften. Das werden wir auf keinen Fall hinnehmen.“

Den Bundesrat soll das Gesetz am 12. Juni passieren. Da eine Mehrheit in der Länderkammer nicht erforderlich ist, dürften die Regelungen im Monat darauf in Kraft treten.

Arbeitsministerin Andrea Nahles rechtfertigte das Gesetz mit dem Vorhaben, die Tarifautonomie zu stärken. „Die Tarifeinheit läuft nicht auf das Ende der kleinen Gewerkschaften und Berufsverbände hinaus“, sagte die SPD-Politikerin. Die Schlichtung im Tarifkonflikt der Gewerkschaft der Lokführer bei der Deutschen Bahn sei genau im Sinne dieses Gesetzes. „Wir setzen auf Kooperation und Einigung“, sagte Nahles.

Bernd Riexinger von der Linken kritisierte das Ergebnis der Abstimmung: „Und es ist ein Irrtum, dass das Gesetz nur kleine Gewerkschaften betreffen wird. Es gibt Krankenhäuser oder Flughäfen wo auch die Einheitsgewerkschaften in der Minderheit sind. Der Fuß ist in der Tür, und wir müssen uns gegen eine weitere Aushöhlung des Streikrechts wehren.“

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