Der Lobbyverband DIHK hob jetzt seine Wachstumsprognose von 1,3 auf 1,8 Prozent deutlich an und schloss sich damit Bundesregierung und führenden Ökonomen an. Der Verband warnte aber, die guten Zahlen beruhten fast ausschließlich auf Sondereffekten wie dem billigen Öl, den Niedrigzinsen und dem schwachen Euro: „Das ist ein gedopter und geliehener Aufschwung“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, am Donnerstag in Berlin.
Der niedrige Euro im Vergleich zum US-Dollar, der Exporte außerhalb des Euroraums günstiger macht, habe einen Wachstumsschub von etwa einem Prozent gebracht. Der Verfall des Ölpreises - der inzwischen wieder anzieht - habe für ein Plus von geschätzt 0,7 Prozent gesorgt. Dazu trieben die Mini-Zinsen die Bau- und Immobilienwirtschaft an.
Im Kern sei die deutsche Wirtschaft gar nicht so wettbewerbsfähig aufgestellt wie es derzeit den Anschein habe, sagte Wansleben. Der Aufschwung werde in erster Linie von den konsumfreudigen Bürgern getragen, die wegen höherer Löhne und sicherer Jobs reichlich Geld ausgeben. Ein Rückfall in eine „Dümpel-Konjunktur“ mit einem Wachstum unter 0,5 Prozent sei für die Zukunft keineswegs ausgeschlossen: „Zu jedem Hoch gibt’s irgendwann auch mal ein Ab. Dann reiben wir uns die Augen.“
Auch die große Koalition müsse aufwachen. Wahlgeschenke wie Rentenpaket und Mindestlohn, der im Osten im Niedriglohnbereich seine Spuren hinterlasse, dürften sich nicht wiederholen: „Koste es, was es wolle, geht nicht mehr.“ Weil die Arbeitskosten stiegen, würden wieder mehr Firmen im Ausland investieren, drohen die Lobbyisten: „Der heimische Standort verliert an Attraktivität.“ So wird zwar vom DIHK im laufenden Jahr ein Beschäftigungsplus von 250.000 Stellen erwartet - angesichts des kräftigen Wachstum sei das aber ein „bisschen enttäuschend“, sagte Chefvolkswirt Alexander Schumann.
Für die kommenden Monate sind die Unternehmen dennoch optimistischer als noch zu Jahresbeginn, wie eine DIHK-Umfrage unter mehr als 23 000 Firmen ergab. Die Firmen wollen mehr investieren und einstellen. An frühere Spitzenwerte reichen die Geschäftserwartungen aber nicht heran.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erwartet für das zweite Quartal 2015 einen Wachstumsschub. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte imim Vergleich zu Januar bis März um 0,5 Prozent steigen nach 0,3 Prozent im Vorquartal, heißt es im DIW-Konjunkturbarometer. Die Erholung des Euroraums und die höhere Wettbewerbsfähigkeit dank des schwachen Euros dürften der Exportindustrie Impulse verleihen.