Politik

Schutz gegen Krankheiten: Gen verwandelt weibliche Moskitos in männliche

Forschern gelang es, männliche DNS in weibliche Moskitos zu implementieren. Da nur die weiblichen Insekten stechen, könnten damit viele Krankheiten verhindert werden.
10.06.2015 12:30
Lesezeit: 2 min

Im Magazin Science Express erklären die Wissenschaftler ihren Durchbruch. Die Stechmückenart Aedes aegypti ist aufgrund ihrer Fähigkeit, Viren und Krankheiten auf den Menschen zu übertragen, bekannter unter den Namen Gelbfiebermücke oder Denguemücke. Dabei kann allein die weibliche Ausprägung für den Menschen gefährlich werden, da nur sie sich von menschlichem Blut ernährt, um ihren erhöhten Eiweißbedarf zu decken.

Die Forscher verglichen Tausende DNS-Abschnitte auf der Suche nach Bestandteilen, die im männlichen Erbgut häufiger erscheinen als beim weiblichen Gegenpart. Es gelang ihnen, insgesamt 164 Abweichungen im Erbgut der männlichen Insekten auszumachen und in 24 DNS-Bestandteilen das Gen, das über die Geschlechtsausprägung entscheidet, ausfindig zu machen.

Mittels eines Verfahrens, das auf den Erkenntnissen zu CRISPR-Cas9 basiert (CRISPR steht für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats, also Abschnitte repetitiver DNS bei vielen Bakterien), übertrugen sie das von den Wissenschaftlern als „Nix“ bezeichnete Gen in weibliches Erbgut. Etwa 50% der untersuchten weiblichen Embryonen entwickelte als Reaktion darauf im Test männliche Geschlechtsorgane.

Eine weiterführende Untersuchung, ob diese veränderte Spezies tatsächlich ungefährlich für den Menschen ist und wirklich unfähig ist, Krankheiten zu übertragen, steht allerdings noch aus.

Molekularbiologe Zach N. Adelman vom Virginia Polytechnic Institute sieht Nix laut Science Express als Schlüssel zur Bekämpfung der Moskitopopulation, auch wenn die genaue Abfolge der Ereignisse, die diese Geschlechtsumwandlung bewirke, noch nicht genügend erforscht sei.

Weil ein sicherer Impfstoff bisher fehlt, konnte sich allein die Anzahl der an Denguefieber Erkrankten im Zeitraum von 2000-2010 verdoppeln. Begünstigt wurde die Verbreitung durch eine große Anpassungsfähigkeit des Insekts an menschliche Lebensräume und sehr geringe Inkubationszeiten, so dass es auch in Deutschland immer wieder Erkrankungen durch die ursprünglich in Afrika heimische Stechmücke gibt.

Während die Moskitos im 17. Jahrhundert sich mit Schiffsbesatzungen auf dem Seewege verbreiteten, ist eine wirksame Bekämpfung von Epidemien im heutigen Zeitalter der gestiegenen Mobilität dringender denn je. Speziell da die Krankheitsverläufe zunehmend gravierender werden. Gleichzeitig gab es massenhafte Infektionen in der jüngsten Vergangenheit, beispielsweise in Gebieten wie Madeira. Dort kann eine mangelnde Hygiene nicht der Auslöser gewesen sein.

Auf dem Gebiet der Moskitobekämpfung gab es in den vergangen Jahrzehnten bereits diverse wissenschaftliche und firmenfinanzierte Feldversuche. So gab es zum Beispiel von der Oxford University oder von Oxitech Tests, wie Moskitonachkommen bereits im Anfangsstadium abgetötet werden könnten. Der neue Ansatz von Zach Adelman und seinen Mitautoren wäre aber voraussichtlich gleichzeitig kostengünstiger und effektiver.

Der traditionelle Weg, speziell in Entwicklungsländern, besteht immer noch in der Ausräucherung, was allerdings einen nachhaltigen Erfolg vermissen lässt.

Ein Mitautor der neuen Studie, Doktorand Brantley Hall aus Christiansburg, Virginia, verspricht sich gegenüber der Publikation Healthcanal bei einer gezielten erfolgreichen Umsetzung eine deutliche Verbesserung der gesundheitlichen Bedingungen in den betroffenen Gebieten, ohne dass schädliche Nebenwirkungen für das übrige Ökosystem zu befürchten seien.

Der niederländische Entomologe Bart Knols, selbst Firmeninhaber von In2Care, das sich auf Moskitobekämpfung spezialisiert hat, spricht gegenüber Science Express von exzellenter Grundlagenforschung. Er sähe Potential für genetische Kontrollstrategien, auch wenn die Tatsache, dass nicht alle weiblichen Moskitos auf die genetische Veränderung reagieren, zunächst weiter untersucht werden müsse.

Laut Adelman arbeite sein Team aber bereits mit Nachdruck daran. Er sei optimistisch, mit der entwickelten Methode komplett veränderte Moskitos erzeugen zu können. Notwendig sei dafür, dass das Nix-Gen in genügend großen Mengen zur Verfügung gestellt werden kann.

Langfristig ergäbe sich laut Adelman möglicherweise auch die Option, die Gene zu 100% vererbbar zu machen. Eine Kombination aus Nix und dieser Methode würde zu einer Kettenreaktion führen, die ausschließlich männliche Nachkommen hervorbringt, so dass die Moskitopopulation schließlich komplett kollabieren würde.

Nach Schätzungen der WHO erkranken am Denguefieber, dessen Krankheitsverlauf tödlich enden kann, jährlich 50 bis 100 Millionen Menschen. Speziell Regionen in den Tropen und Subtropen sind betroffenen. Professor Anthony James der Universität California-Irvine, verspricht sich aber auch einen präventiven Nutzen, indem etwa ein massenweiser Neubefall in bisher gar nicht bis wenig betroffenen Gebieten wie den Vereinigten Staaten verhindert werden könne.

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Geschäftsideen schützen: Mehr Umsatz für Unternehmen mit Patenten und Marken
13.07.2025

Mehr als 50-Prozent mehr Umsatz für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die ihre Innovationen schützen – warum cleverer Schutz der...

DWN
Politik
Politik Patient Pflegeversicherung: Es fehlen Milliarden in den Kassen
13.07.2025

Immer mehr Pflegebedürftige in Deutschland – und die Finanzierungslücke wächst. Der Bundesrechnungshof warnt und spricht von über 12...

DWN
Technologie
Technologie KI als Mobbing-Waffe: Wenn Algorithmen Karrieren zerstören
13.07.2025

Künstliche Intelligenz soll den Arbeitsplatz smarter machen – doch in der Praxis wird sie zum Spion, Zensor und Karriere-Killer. Wer...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Keine reine Männersache – Geschlechterunterschiede beim Investieren
13.07.2025

Obwohl Frauen in sozialen Medien Finanzwissen teilen und Banken gezielt werben, bleibt das Investieren weiterhin stark männlich geprägt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Renault: Globales KI-System soll helfen, jährlich eine Viertelmilliarde Euro einzusparen
13.07.2025

Produktionsstopps, Transportrisiken, geopolitische Schocks: Renault setzt nun auf ein KI-System, das weltweite Logistik in Echtzeit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kaffeepause statt Burn-out: Warum Müßiggang die beste Investition ist
12.07.2025

Wer glaubt, dass mehr Tempo automatisch mehr Erfolg bringt, steuert sein Unternehmen direkt in den Abgrund. Überdrehte Chefs,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Kapitalmarktunion im Rückstand: Banker fordern radikale Integration
12.07.2025

Europas Finanzelite schlägt Alarm: Ohne eine gemeinsame Kapitalmarktunion drohen Investitionen und Innovationen dauerhaft in die USA...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauzinsen aktuell weiterhin hoch: Worauf Häuslebauer und Immobilienkäufer jetzt achten sollten
12.07.2025

Die Zinsen auf unser Erspartes sinken – die Bauzinsen für Kredite bleiben allerdings hoch. Was für Bauherren und Immobilienkäufer...