Politik

Ungleichheit der Einkommen ist der soziale Skandal in Griechenland

Die Krise hat in Griechenland lange vor den ersten Rettungs-Krediten der Euro-Zone begonnen. Das Hauptproblem: Durch die Kreditorgie wurde die Ungleichheit noch vergrößert. Dies wird sich nach der Krise ändern müssen.
04.07.2015 00:05
Lesezeit: 2 min

In der öffentlichen Diskussion in Deutschland findet man immer wieder die Behauptung, erst die Hilfsprogramme für Griechenland hätten das Land ins Unglück gestürzt. Dafür wird ein Popanz aufgebaut, indem mit dem Jahr 2010, als die Hilfsprogramme einsetzten, verglichen wird. Doch dieser Ausgangswert war durch den kreditfinanzierten und unhaltbaren Boom dramatisch überhöht und verzerrt damit jeden Vergleich. Ein realistischeres Bild ergibt sich erst, wenn man mit den Daten des Jahres 2000 vergleicht, also unmittelbar vor Eintritt des Landes in die Eurozone und vor dem Beginn des dann sofort einsetzenden weitestgehend kreditfinanzierten Strohfeuers, aus dem sich keine nachhaltige Entwicklung ergeben konnte.

In einer einzigen Grafik zeigt sich, wie sehr die privaten griechischen Haushalte über ihre Verhältnisse gelebt haben (Abb. 18861).

 

Sie steigerten ihren Verbrauch bis zum Ausbruch der Krise im 1. Quartal 2009 um nicht weniger als 37 %, während die Eurozone insgesamt nur um 10 % zulegte, also fast viermal stärker. Dann begann der Absturz bis zum 3. Quartal 2013 etwa auf den Ausgangswert vor Eurobeitritt zurück, gefolgt von einer leichten Erholung um 3 % bis zum 1. Quartal 2015. Seitdem dürfte sich der Abschwung des privaten Verbrauchs unter dem Eindruck der schwierigen innenpolitischen Lage mit starker Kapitalflucht und Zurückhaltung von Steuern wieder fortgesetzt haben.

Mehr braucht man eigentlich nicht zu wissen, um die griechische Tragödie zu verstehen. Die Konsumblase platzte unvermeidbar in dem Augenblick, als die Finanzmärkte die Finanzierung der ständig wachsenden Defizite vor dem Hintergrund der globalen Kreditkrise verweigerten. Das Ergebnis war der tiefe Einbruch der Binnennachfrage und zugleich eine Schieflage der griechischen Banken, durch die die Gelder an die griechischen Haushalte geflossen waren. Beides wiederum trieb die Arbeitslosigkeit immer höher. Wer da nur mit 2010 vergleicht und dann noch die Entwicklung danach allein den Hilfsprogrammen in die Schuhe schieben möchte, täuscht absichtsvoll über die Gesamtsituation und ihre wirklichen Ursachen hinweg. Er verschweigt ebenso, dass sich die Nachfrage privater Haushalte noch vor Antritt der Tsipras-Regierung bereits gefangen und begonnen hatte, sich leicht zu erholen.

Auch ein Vergleich mit dem anderen in vielerlei Hinsicht vergleichbaren Krisenland Portugal zeigt, wie extrem der private Pro-Kopf-Verbrauch in Griechenland hochgefahren wurde. Verglichen mit dem Durchschnitt der Eurozone stieg der in Griechenland auf 94 %, dagegen in Portugal nur auf 70 %. Beide Länder haben nun wieder etwa denselben Abstand zum Durchschnitt der Eurozone, den sie im Jahr 2000 hatten (Abb. 18862).

 

Wenn man den Hergang der Krise nicht verstehen will, verbaut man sich den Blick auf Lösungen. Griechenland kann einfach nicht durch weitere Gelder der Eurozone auf das Niveau an privatem Verbrauch zurück gebracht werden, das das Land Dank der Kreditblase im Jahr 2008 erreicht hatte. Wie Portugal wird es lernen müssen, wieder auf einem Konsumniveau erheblich unter dem Durchschnitt der Eurozone zu leben. Um das sozialverträglich zu ermöglichen, wird Griechenland das extreme Maß an Einkommensungleichheit - das höchste in der Eurozone - drastisch abbauen müssen, wozu bisher wenig geschehen ist. Außerdem müssten die griechischen Auslandsschulden gegenüber den Europartnern und dem Eurosystem ziemlich total abgeschrieben werden. Sollte die griechische Bevölkerung nicht bereit sein, eine solche und dann ziemlich dauerhafte Absenkung des Konsumniveaus zu akzeptieren, wird Griechenland nicht im Euro zu halten sein.

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie AI Continent Action Plan: Wie Europa die USA und China vom KI-Thron stoßen will
28.04.2025

Die Europäische Kommission hat einen ehrgeizigen Plan vorgestellt, um Europa zur führenden Kraft im Bereich der Künstlichen Intelligenz...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft E-Auto-Förderung: Wie geht es weiter und was plant die neue Bundesregierung?
28.04.2025

Das Ziel bleibt eindeutig – der genaue Weg aber offen. "Wir werden die E-Mobilität mit Kaufanreizen fördern", steht im...

DWN
Politik
Politik Üppige Übergangsgelder für Ex-Minister: Steuerzahlerbund kritisiert Selbstbedienung
28.04.2025

Dauerversorgung auf Kosten der Steuerzahler: Bisher bekommen Minister und Kanzler nach ihrem Ausscheiden bis zu 2 Jahren staatliche...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Boeing unter Druck: Zölle verschärfen die Krise beim größten US-Exporteur
28.04.2025

Boeing, der größte US-Exporteur, steckt seit Jahren in einer Krise. Neue Zölle und Handelskonflikte verschärfen sie weiter. Die...

DWN
Panorama
Panorama Stromausfall Spanien und Portugal: Nichts geht mehr - schwierige Suche nach der Ursache
28.04.2025

Ein umfassender Stromausfall Spanien hat am Montagmittag die Iberische Halbinsel erschüttert. Weite Teile Spaniens und Portugals auf dem...

DWN
Politik
Politik Ministerposten der Union: Alle Namen und Überraschungen im Überblick
28.04.2025

Acht Tage vor der geplanten Kanzlerwahl von Friedrich Merz steht die Aufstellung der Ministerposten der Union fest. Die SPD wird ihre...

DWN
Politik
Politik Neue Bundesregierung: Union stellt Personal für Ministerposten vor – Kabinettsliste mit Manager für Digitalisierung
28.04.2025

Rund eine Woche vor der geplanten Wahl von Friedrich Merz zum Kanzler der neuen Bundesregierung haben CDU und CSU ihre Besetzung der...

DWN
Technologie
Technologie Profi für Sicherheitslösungen: Bedrohungen sind alltäglich - so erhöhen Unternehmen die Cybersicherheit
28.04.2025

Cybersicherheitsabteilungen in Unternehmen ähneln zunehmend Notaufnahmen – jedoch mit einem entscheidenden Unterschied: Die Bedrohungen...