Politik

AfD stürzt Lucke als Parteichef

Frauke Petry ist die neue erste Vorsitzende der AfD. Bernd Lucke hatte diese Fall seinen Rücktritt angekündigt. Mit ihrem Machtkampf hat sich die Partei selbst zerlegt. Zum Schaden für die Demokratie.
04.07.2015 18:48
Lesezeit: 2 min

Frauke Petry ist die neue erste Vorsitzende der Alternative für Deutschland. Die bisherige Co-Vorsitzende setzte sich am Samstag in Essen gegen AfD-Mitbegründer Bernd Lucke mit 60 Prozent der Stimmen durch. Damit wird die sächsische Landesvorsitzende am Jahresende laut Satzung automatisch alleinige AfD-Vorsitzende. Vor der Wahl hatte Lucke erklärt, sich nicht auf den Posten des zweiten Parteivorsitzenden bewerben zu wollen. Der zweite Parteichef soll am Jahresende automatisch auf den Stellvertreter-Posten wechseln.

In der Bewerbungsrede Luckes kam es zu Tumulten unter den rund 3.500 Mitgliedern des Parteitags. Insbesondere als sich Lucke gegen eine pauschale Verurteilung des Islams wandte, wurde er ausgebuht und niedergeschrien. Er hatte vor dem Parteitag erklärt, im Falle einer Niederlage müsse der vom ihm initiierte Verein „Weckruf 2015“ über das weitere Vorgehen beraten. Luckes Gegner hatten das als Drohung einer Abspaltung verstanden.

Petry steht für den nationalkonservativen Flügel der Partei. Sie hält Lucke und dessen wirtschaftsliberalen Flügel im Kern eine thematische Verengung auf die Ablehnung der Euro-Rettungspolitik vor. Lucke wirft seinen Gegnern wiederum vor, die AfD nicht gegen das rechte Spektrum abzugrenzen.

Die Selbstzerstörung der AfD ist auch ein Schaden für die Demokratie in Deutschland: Die Partei hat alle Hoffnungen betrogen, die liberale Wähler in sie gesetzt haben. Mit dem Machtkampf zerlegte sich die Partei selbst. Das ist wirtschaftlich schlecht, weil die meisten der Kampfhähne mittlerweile vom Steuerzahler leben. Das Geld wäre besser in der Flüchtlingshilfe angelegt.

Die Partei ist vor wenigen Jahren entstanden, weil sie sich dem Märchen von der Euro-Rettung verweigert hatte und als erste Partei klar sagte, dass man nicht mit noch mehr Schulden Schulden reduzieren kann. AfD-Chef Lucke hatte wie kaum ein deutscher Politiker die Argumente auf seiner Seite. Er hielt sich auch in den Talk-Shows wacker, trotz massiven Gegenwinds und immer wieder unfairer Attacken. Die meisten seiner Auftritte waren mit Erkenntnis-Gewinn verbunden.

Doch dann tauchte Lucke unter: Er sagt auch nichts Erhellendes zur Euro-Krise, obwohl alles genau so gekommen ist, wie Lucke vorhergesagt hatte. Das Schulden-Kasino hat Milliarden an Steuergeldern in das griechische Finanz-System pumpen. Die griechischen Bürger werden nichts davon sehen und weiter ausgepresst, auch für Europa ist der Zahltag gekommen.

Doch die AfD langweilt das politische Publikum und trägt dazu bei, dass man an der Demokratie am liebsten verzweifeln möchte. Geht es am Ende wirklich nur um Posten, Karrieren und Intrigen? Haben die Massen der Wahl-Verweigerer am Ende Recht, die das System für gescheitert halten? Bei den Jungwählern ist es schon die Mehrheit, die aus Prinzip nicht mehr wählt. Aber kann man dann noch langfristig von einer Demokratie sprechen, wenn auch immer kleine werdende Klüngel an die Macht hieven? Wenn einziger Selbstzweck der Politik der Griff in die Kasse des Steuerzahlers ist?

Die AfD ist in die Falle getappt, die auf jeden politischen Neuling lauert: Er wird gezwungen, sich rechts oder links zu positionieren.

Die AfD hat sich in dieser Hinsicht von sich selbst entfremdet, noch ehe sie den Sprung in den Bundestag geschafft hat: Sie hat sich gesellschaftspolitisch in eine Sackgasse manövriert, weil sie Muslime, Asylwerber und Ausländer zu Sündenböcken für die aktuelle Wirtschaftskrise gemacht hat – obwohl Lucke ganz genau weiß, dass diese Gruppen nicht die Ursache für die zunehmende Ungerechtigkeit sind.

Anstatt das Überwachungsthema als ein klassisches Bürgerrechtsthema aufzugreifen, ist die AfD in einem Sumpf der widerlichen Ressentiments gegen Homosexuelle und LGBT gewatet – als ob es nicht längst an der Zeit wäre, eine umfassende Gleichstellung und den gesellschaftlichen Respekt vor vielfältigen Lebensweisen herbeizuführen.

Wie die Piraten, so ist auch die AfD an der Versuchung gescheitert, möglichst vielen aus ihrem Netzwerk ein Auskommen ohne Arbeit, aber auf Steuerzahler-Kosten zu verschaffen.

Blanker Opportunismus aber ist der größte Feind der Demokratie. Die – trotz allem – immer noch beste Gesellschaftsform braucht Idealisten und Führungspersonal mit Rückgrat. Von beiden hat die AfD zu wenig. Professoraler Sachverstand reicht nicht aus. Fachwissen schützt nicht vor geistiger Korruption. An ihr ist die AfD gescheitert. Das ist auch eine Niederlage für die Demokratie.

 

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