Finanzen

Schleichende Abschaffung: Wer Bargeld will, soll dafür eine Gebühr zahlen

Die renommierte Financial Times macht sich zum Anwalt der Bargeld-Abschaffung. Die Existenz von Bargeld vermindere die Fähigkeit der Zentralbanken, die angeschlagene Wirtschaft zu stimulieren. Die Zeitung fordert: Wer Bargeld weiter verwenden will, soll dafür eine Gebühr zahlen.
01.09.2015 00:35
Lesezeit: 2 min

Der größte Anteil des Geldes ist heute bereits in elektronische Form umgewandelt. Dennoch reiche der kleine Rest an physischem Bargeld, um das Wirtschaftssystem zu verzerren, so die Financial Times. Die Zeitung, die als Sprachrohr der City of London immer eine avantgardistische Rolle spielt, beschäftigt sich in einem Artikel damit, welche Vorteile es für eine Wirtschaft hätte, wenn das Bargeld gänzlich abgeschafft würde. Als ersten Profiteur macht die FT die Zentralbanken aus.

Die bloße Existenz von Cash – eine Finanzinstrument mit null Zinsen – begrenze demnach die Fähigkeit der Zentralbanken, eine angeschlagene Wirtschaft zu stimulieren. Die Sparer könnten demnach ihre Einlagen in Bargeld umwandeln, sobald die Zinsen in den negativen Bereich rutschen. Nachdem die Zentralbanken in Dänemark, Schweden und der Schweiz diesen Schritt bereits vollzogen haben, dürften andere Staaten folgen. Durch die Flucht ins Bargeld könnte den Zentralbanken die „Munition“ für neue Stimuli ausgehen, wenn es zu einem weiteren Abschwung kommt.

Ein weiterer Argumentationspunkt ist, dass Bargeld im Gegensatz zu elektronischem Geld nicht verfolgt werden kann. So werden anonyme und illegale Aktivitäten begünstigt, so die FT. Die Abschaffung des Bargelds würde es Regierungen vereinfachen, die Schattenwirtschaft auszumerzen. Zugleich könnten steuerehrliche Unternehmen bei elektronischem Zahlungsverkehr vom Staat belohnt werden. Etwa, dass die Mehrwertsteuer in Echtzeit während den Transaktionen erhoben beziehungsweise erstattet wird.

Jene Länder, die Probleme bei der Steuereintreibung haben, könnten mit der Beschränkung von Bargeld diese abschaffen. Als Beispiel wird Griechenland angeführt, das die bestehenden Kapitalverkehrskontrollen dazu nutzen sollte, die Bargeld-Kultur im Land abzuschaffen.

Die technologischen und praktischen Hindernisse für die Verwendung von Bargeld sind weitgehend verschwunden, so die FT. In skandinavischen Ländern wird die Kartenzahlung regelmäßig auch bei kleinsten Transaktionen verwendet. Schweden erreichte den „Peak Cash“ vor fast einem Jahrzehnt: der Betrag des Bargeldumlaufs ist seit 2007 um, mehr als ein Viertel geschrumpft, obwohl die Bevölkerung und die Wirtschaftsleistung gewachsen sind. In Dänemark hat die Notenbank das Drucken von Bargeld eingestellt, weil es momentan keine Nachfrage mehr danach gibt.

So schlussfolgert die FT, dass es zwar in der Post-Snowdon-Ära Bedarf an anonymen Zahlungen gäbe, um keine digitalen Fußspuren zu hinterlassen. Allerdings soll für das Privileg der Anonymität eine Gebühr gezahlt werden. Zudem könnten die Banknoten datiert werden und nach einer gewissen Frist verfallen.

Seit der Einführung der Niedrigzinsen gibt es zahlreiche Vordenker, die eine drastische Einschränkung von Bargeld für wahrscheinlich halten, dazu gehören etwa Kenneth Rogoff von der Universität Harvard und Willem Buiter, der Chefökonom der Citigroup, der dafür plädiert, nur noch Fünf-Euro-Scheine auszugeben. Die Baader Bank erwartet ebenfalls eine Abschaffung von Bargeld. Die UBS hält ein Verbot für nur schwer durchsetzbar. Die Zentralbanken diskutieren ebenfalls über ein Verbot.

Lesen Sie hier weitere Artikel zu den Bargeld-Beschränkungen.

 

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