Der US-Ökonom Mark Dow sagt in einem Interview mit ETF.com, dass aufgrund der Finanzialisierung der weltweiten Rohstoffmärkte die Ölpreis-Entwicklung in den Händen von Spekulanten und Finanzinvestoren liege, die 80 Prozent des weltweiten Rohstoffhandels kontrollieren. Nur 20 Prozent des Rohstoffmarkts sei in den Händen von kommerziellen Betreibern.
Dow wörtlich:
„Wir sehen eine Kombination von Angebot und Spekulation. Eine Zeit lang waren die Ölpreise extrem hoch. Im Jahr 2008 lag der Barrel-Preis bei fast 150 Dollar. Das führte zum Produktionsanstieg bei zahlreichen Ölfirmen, weil die Preise derart hoch waren. Zu dieser Zeit konnten wir den Begriff Quantitative Lockerung noch nicht einmal buchstabieren. Die oft wiederholte Vorstellung, dass die Fed eine Öl-Blase induziert hat, ist falsch. Spekulationen haben die Öl-Blase induziert. Die Spekulanten haben den Ölpreis auf 150 Dollar pro Barrel getrieben. Da die Nachfrage in den Schwellenländern groß gewesen ist, dachten sich viele Konzerne, dass sie immer mehr produzieren müssen. Die hohen Preise lockten die Öl-Konzerne an. Die Folge ist nun, dass die betroffenen Konzerne ihre Produktion nicht drosseln können, weil sie ihren Kreditverpflichtungen nachkommen müssen.“
Ende August hatte sich der Ölpreis innerhalb von drei Tagen um fast 30 Prozent erhöht. Dow traut dieser Entwicklung nicht und zweifelt an ihrer Nachhaltigkeit. Diese Bewegung sei kurzfristig und ebenfalls das Ergebnis von Spekulationen. „Der Ölpreis wird seinen Tiefpunkt erreichen und die Produktion wird zurückgefahren werden. Doch diese Art von Zyklen ist wirklich lang“, so Dow.
Dow ist gegen das Argument, dass es zwischen dem Ölpreis-Verfall und dem Abschwung in den Schwellenländern einen direkten Zusammenhang gibt.
Er argumentiert:
„Nur weil zwei Dinge zur selben Zeit passieren, bedeutet das nicht, dass es eine Korrelation zwischen beiden Ereignissen gibt. Ich werde Ihnen ein sehr klares Beispiel dafür zu geben. Jeder denkt, dass der brasilianische Boom in den letzten acht Jahren auf dem Verkauf von Eisenerz nach China beruhe. Das ist die Investmentthese, die jedoch falsch ist.
Brasiliens Exporte machen 10 Prozent des BIP aus. Es ist mir egal, wie viele sekundäre Dienstleister von dieser Beziehung profitieren. Es ist kein ursächlicher Treiber. Sicherlich sorgte dies für eine positive Stimmung in Brasilien und es floss sehr viel Kapital an der Börse in São Paulo. Doch die eigentliche Wachstumsstory Brasiliens beruht auf der Vergabe von inländischen Krediten. Die Brasilianer hatten vielleicht zum ersten Mal eine gute makroökonomische Stabilisierung, relativ niedrige Zinssätze und eine relativ stabile Inflation. Das erlaubte ihnen, inländischen Finanzen zu entwickeln. Sie importierten eine Reihe von neuen Kredit-Techniken, die in den USA bereits angewandt werden. Die brasilianischen Bürger waren urplötzlich im Stande, Autos und andere Konsumgüter über Kredite zu finanzieren. Dies erzeugte den Boom. Doch wenn sie die Kreditvergabe derart schnell ankurbeln, kommt es an einem bestimmten Punkt zum Stopp. Ich sehe nicht, dass Brasilien besonders gut mit dieser Situation umgeht.“
Der US-Ökonom kritisiert an dieser Stelle, dass der Boom in Brasilien und anderen Schwellenländern weitgehend über Kredite an Privathaushalte finanziert wurde. Diese können ihren Kreditverpflichtungen nur schwerlich nachkommen.