Politik

Geheime Kriege: Private Firmen töten gezielt im Auftrag von Staaten

Lesezeit: 6 min
17.11.2012 00:10
Während der Krieg im Nahen Osten vor den Augen der Weltöffentlichkeit geführt wird, haben viele Staaten - allem voran die USA - das Kriegs-Business längst privatisiert: Über Spezialfirmen lassen sie gezielte Tötungen durchführen. Dies wird von Terroristen als besondere Provokation angesehen und erhöht nach Ansicht des Sicherheits-Experten Armin Krishnan das Risiko eines Atomkrieges. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten bringen im Folgenden einen Auszug aus Krishnans neuem, atemberaubenden Buch „Gezielte Tötung. Die Zukunft des Krieges“.
Geheime Kriege: Private Firmen töten gezielt im Auftrag von Staaten

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Private Sicherheitsfirmen und Rüstungskonzerne spielen bereits heute eine kritische Rolle im Tötungsprogramm der USA. Nach den Anschlägen vom 11. September hat die Regierung Bush gezielte Tötungen von Terroristen weltweit autorisiert und sogar erwogen, gezielte Tötungen ganz an Privatfirmen auszulagern. Die CIA entwickelte daher 2004 den Plan, das Programm der gezielten Tötungen an die Firma Blackwater zu übergeben, der im Juli 2009 von dem derzeitigen CIA-Direktor Leon Panetta öffentlich bekanntgegeben wurde. Allerdings betonte Panetta, dass diese Pläne nicht umgesetzt wurden.

Ebenfalls bekannt ist, dass Blackwater von der CIA beauftragt wurde, CIA-Personal für gezielte Tötungen auszubilden und Operationen dieser Art zu planen, da es der CIA an geeignetem Personal mangelte.

Der Journalist und Blackwater-Experte Jeremy Scahill hat darauf hingewiesen, dass Xe/Blackwater sehr stark in Pakistan vertreten war und dort für die CIA und das amerikanische Vereinte Spezialkräftekommando (U.S. Joint Special Operations Command oder JSOC) verdeckte Operationen durchführte, ganz besonders in Verbindung mit dem CIA/JSOC-Drohnenprogramm in Pakistan. So soll Xe nicht nur die Predator-Drohnen auf dem geheimen Luftwaffenstützpunkt Shamsi in Baluchistan mit Raketen bestückt, sondern auch die Drohneneinsätze geplant und koordiniert haben. Darüber hinaus arbeitete Xe nach Scahill auch für eine pakistanische Sicherheitsfirma und soll in dieser Eigenschaft an Antiterroreinsätzen teilgenommen haben. Neben Xe ist auch noch eine Vielzahl anderer Sicherheits- und Rüstungsfirmen an den Drohnenangriffen beteiligt, so etwa der weltgrößte Rüstungskonzern Lockheed Martin, der nach den Worten des Enthüllungsjournalisten Tim Shorrock »Leute lokalisiert und Predator-Angriffe durchführt.«

Regierungen sind anscheinend vor allem deshalb bereit, gezielte Tötungen an Privatfirmen auszulagern, da dies die Verbindung zur verantwortlichen Regierung verschleiert und die Operationen leichter abgeleugnet werden können. Falls ein privater Sicherheitsdienstleister im Zusammenhang mit einer gezielten Tötung verhaftet wird, kann die auftraggebende Regierung jegliches Wissen und jede Verantwortung abstreiten. Darum sollten nach Plänen der Bush-Regierung ausländische Xe-Agenten für gezielte Tötungseinsätze eingesetzt werden, um diese im Fall eines peinlichen Fehlschlags glaubwürdig abstreiten zu können.

Viele Wissenschaftler sind sich einig, dass Privatfirmen nicht mit gezielten Tötungen beauftragt werden oder auch nur eine wesentliche Rolle bei solchen Operationen spielen sollten. Die demokratische Kontrolle und Aufsicht von privatisierten Attentaten können kaum gewährleistet werden, und die Gefahr eines Missbrauchs erhöht sich in diesem Fall ganz erheblich.

Der frühere CIA-Agentenführer und Buchautor Ishmael Jones hat darauf hingewiesen, dass es für »CIA-Vertragspersonal keine Aufsicht und keine Rechenschaftspflicht gibt.« Scahill hat in einem Fernsehinterview sogar die Vermutung geäußert, dass führende Mitglieder der Obama-Regierung wegen der großen Geheimhaltung auf Seiten von JSOC und Xe nicht in wesentliche Aspekte des Drohnenprogramms eingeweiht sein könnten. Dies könnte bedeuten, dass Privatfirmen wie Xe weltweit Attentate auf Personen verüben können, die nicht von den höchsten Regierungsstellen autorisiert sind und die keinerlei oder nur geringerer Kontrollen und Aufsicht unterliegen. Es besteht eine sehr konkrete Gefahr, dass demokratische Regierungen das Instrument der gezielten Tötung missbrauchen könnten, wenn es wegen des Engagements von Privatfirmen keine klare Zurechenbarkeit und somit keine wirksame demokratische Kontrolle darüber gibt.

Unkontrollierbare Eskalation

Gezielte Tötungen werden vor allem in sogenannten ›Konflikten geringerer Intensität‹ mit nichtstaatlichen Gegnern wie Terroristen, Guerillas und Verbrechenssyndikaten vorgenommen. Bei genauerer Betrachtung und im Hinblick auf die Anzahl von Todesopfern erscheint der Begriff ›Konflikt geringerer Intensität‹ als eine verharmlosende Charakterisierung dieser bewaffneten Konflikte. Gezielte Tötungen können leicht zu einer unkontrollierbaren Eskalation von Konflikten führen durch sich ausweitende geheime Kriege, die Eskalation zum offenen Staatenkrieg und die Gefahr eines endlosen ›Krieges gegen den Terror‹.

Geheime Kriege

Es gibt im eigentlichen Sinn keine Kriege mehr im Staatensystem, nur noch Interventionen, die offiziell als Polizeiaktionen gelten. Militärische Interventionen in anderen Staaten sind aber überaus teuer und oft moralisch schwer zu rechtfertigen. Seit Jahrzehnten ist daher die Tendenz erkennbar, Kriege im Geheimen und auf abstreitbare Weise durchzuführen. Die CIA hat während des Kalten Krieges Dutzende von geheimen (und nicht so geheimen) Kriegen ausgetragen, indem sie Guerillakräfte in Stellvertreterkriegen aufgestellt, bewaffnet und oft auch operativ geführt hat, etwa in Südostasien, Angola, Afghanistan und Nicaragua.

Seit Ende des Kalten Krieges sind es vor allem Spezialkräfte des Vereinten Spezialkräftekommandos (JSOC) der USA, die weltweit Militärinterventionen durchführen, die nicht zurückverfolgt werden können und verbündete Streitkräfte in der Aufstandsbekämpfung unterrichten, also in puncto Kommandoüberfällen, Verhörmethoden bzw. Folter und Attentatstechniken.

In dieser Hinsicht berüchtigt wurde die School of the Americas in Fort Benning, Georgia, in der Elitesoldaten der lateinamerikanischen Spezialkräfte ausgebildet wurden. Diese wurden später oft zu Mitgliedern von Todesschwadronen in ihren jeweiligen Heimatländern. Mitglieder von verdeckt operierenden U.S.-Spezialkräften haben besonders im Kontext des Drogenkriegs in Lateinamerika zahlreiche gezielte Tötungen durchgeführt oder waren maßgeblich an solchen Operationen in den jeweiligen Staaten beteiligt.

Der Einsatz von Spezialkräften bei verdeckten Operationen und beim Führen geheimer Kriege unterliegt nicht denselben verfassungsrechtlichen Beschränkungen und vergleichbaren demokratischen Kontrollen wie verdeckte Operationen der CIA, was sie besonders attraktiv machte für das Führen eines weltweiten, weitgehend geheimen Krieges gegen den Terror. Präsident Obama hat die Schattenkrieger noch sehr viel mehr für gezielte Tötungen eingesetzt als sein Vorgänger, um al Quaida und Taliban-Mitglieder im Irak, in Afghanistan, Pakistan und im Jemen zu töten.

Mit dem seit 2006 eskalierenden Drogenkrieg in Mexiko drängt das Vereinte Spezialkräftekommando (JSOC) darauf, ›bewährte‹ Methoden wie nächtliche Überfälle und Drohnenoperationen gegen die mexikanischen Drogenkartelle zum Einsatz zu bringen. In der Tat fliegen (derzeit noch unbewaffnete) Predator-Drohnen bereits seit 2009 über Mexiko, und es befindet sich eine unbekannte Anzahl von U.S.-Spezialkräften in Mexiko, um mexikanische Eliteeinheiten in gezielten Tötungen auszubilden.

Es ist offenbar nicht das erste Mal, dass die USA versucht, den Drogenkrieg in Mexiko auf diese Weise zu entscheiden. Die CIA und U.S.-Spezialkräfte bildeten Mitglieder der mexikanischen Spezialkräfte in Antidrogenoperationen und Aufstandsbekämpfung aus. Einige der von Amerikanern ausgebildeten mexikanischen Elitesoldaten formierten sich 1999 zu einer Söldnergruppe im Dienst der Kartelle mit Namen Los Zetas. Die Zetas sind inzwischen selbst zu einem der größten und gefürchtetsten Drogenkartelle in Mexiko geworden. Sie sind für einige der brutalsten Terrorakte im mexikanischen Drogenkrieg verantwortlich, zum Beispiel für den Anschlag auf ein Kasino in Monterey im August 2011, bei dem 52 Menschen getötet wurden. Inzwischen sind die Zetas aber selbst bedroht durch eine Gruppe, die sich Mata Zetas oder Zetas-Killer nennt, die systematisch die Zetas-Mitglieder ermordet. Die mexikanische Regierung bestreitet jegliche Verbindung zu Mata Zetas, aber es scheint zumindest, dass diese militärisch oder polizeilich ausgebildet wurden.

Das JSOC führt derzeit verdeckte Operationen in über 75 Staaten der Welt durch und plant, bis Ende 2011 in 120 Staaten der Welt aktiv zu sein. Dies bedeutet eine ganz erhebliche Ausweitung der amerikanischen geheimen Kriegsführung seit Ende des Kalten Krieges und zeigt, dass zukünftige Kriege vor allem verdeckt und gegen nichtstaatliche Akteure geführt werden. Gezielte Tötungen sind abgesehen von Entführungen, Folter und Terrorakten unter falscher Flagge ein wesentliches Element geheimer Kriegsführung.

Eskalation zum Staatenkrieg

Was als eine begrenzte militärische Operation gegen nichtstaatliche Akteure beginnt, kann unter Umständen sehr leicht zu einem Staatenkrieg eskalieren. Das Risiko einer unkontrollierbaren Eskalation ist der Grund, warum es Staaten normalerweise vermeiden, begrenzte Militäraktionen in anderen Staaten durchzuführen. Drohnen und Marschflugkörper geben Politikern allerdings neue verführerische begrenzte militärische Mittel in die Hand. So können damit bestimmte Staatsfeinde im Ausland beseitigt oder andere begrenzte militärische bzw. politische Ziele verfolgt werden. Diese Mittel können in strategischer Hinsicht aber auch kontraproduktiv sein und im schlimmsten Fall vormalige Verbündete zu Feinden machen. So reagierte Pakistan nach dem Überfall auf das Haus von bin Laden in Abbottabad überaus verärgert und drohte sogar mit Vergeltung bei Wiederholung eines solchen ungenehmigten amerikanischen Militäreinsatzes auf pakistanischem Hoheitsgebiet. Pakistan scheint besonders besorgt zu sein, dass amerikanische Spezialkräfte, unter dem Vorwand von Antiterroreinsätzen, versuchen könnten, pakistanische Atomwaffen zu stehlen oder zu neutralisieren.

Es besteht zudem die Gefahr eines ›versehentlichen Krieges‹, sollten begrenzte Militäraktionen in anderen Staaten als Auftakt zu einem massiven Angriff fehlinterpretiert werden. So stellten die westlichen Aufklärungsflüge nahe dem sowjetischen Luftraum während des Kalten Krieges ein beständiges Risiko dar, da die Sowjets diese als Kriegsakte interpretieren oder die Aufklärungsflugzeuge, die in den 1940er und 1950er Jahren nichts anderes als umgebaute Bomber waren, als Vorhut eines massiven westlichen Überraschungsangriffs hätten missdeuten können. Ähnlich könnte es sich mit dem Einsatz von Drohnen, Marschflugkörpern, konventionellen Interkontinentalraketen und unbemannten Hyperschallflugzeugen für High-tech-Attentate verhalten.

Die USA entwickeln derzeit in diesem Kontext das sogenannte Prompt-Global-Strike-Konzept, das es dem amerikanischen Militär ermöglichen soll, weltweit jedes beliebige Ziel innerhalb von einer Stunde mit konventionellen Waffen anzugreifen. Dahinter steckt die Idee, dass es dem amerikanischen Präsidenten möglich sein sollte, auf zeitkritische Informationen über den genauen Aufenthaltsort eines Terroristen wie bin Laden oder über eine Massenvernichtungswaffe auf dem Weg in die USA für einen Terroranschlag, schnell mit einem gezielten Raketenangriff reagieren zu können. Als problematisch gilt, dass Prompt Global Strike derzeit nur als mit konventionellen Gefechtsköpfen umgebaute Interkontinentalrakete bereitsteht.

Obwohl Staaten wie Russland oder China leistungsfähige Frühwarnsysteme haben, die den Start bzw. Anflug einer Interkontinentalrakete feststellen können, haben sie dennoch keine Möglichkeit, herauszufinden, ob eine amerikanische Interkontinentalrakete nun mit einem atomaren oder einem konventionellen Sprengkopf bestückt ist oder die Rakete das eigene Territorium angreift oder nur überfliegt.

Kritiker fürchten, dass Prompt Global Strike die Gefahr eines versehentlichen (Atom-)Kriegs erheblich erhöht. Selbst wenn in einigen Jahren die Technologie vorhanden ist, eine globale Angriffswaffe als unbemanntes Hyperschallflugzeug zu entwickeln, so bleibt das Grundproblem bestehen: Es gibt in der Anflugphase keine Möglichkeit, Natur und Zweck des Angriffs festzustellen, was sehr leicht einen Vergeltungsschlag eines potenziellen Gegners provoziert. Russland fürchtet zudem, dass konventionelle Interkontinentalraketen oder andere hochentwickelte konventionelle Waffen benutzt werden könnten, um russische Raketensilos anzugreifen und die russische nukleare Abschreckung zu untergraben.

Mit anderen Worten, die Fähigkeit, global Terroristen angreifen zu können, wie sie derzeit von den Amerikanern weiter ausgebaut wird, wird von einigen Staaten als überaus bedrohlich und provokativ angesehen. So würde sich darum am Ende die Gefahr einer unkontrollierbaren Eskalation zum Staatenkrieg bzw. zum Atomkrieg als Folge von fehlgedeuteten begrenzten militärischen Operationen gegen nichtstaatliche Akteure erhöhen.

Armin Krishnan, geboren 1975 in München, ist Professor für Security Studies an der University of Texas und Autor mehrerer Bücher über die Techniken der modernen Kriegsführung. Sein hervorragend recherchiertes Buch „Geziele Tötung. Die Zukunft des Krieges“ ist im Verlag Matthes & Seitz Berlin erschienen. Bei der Lektüre läuft dem Leser auf jeder Seite ein neuer Schauer über den Rücken. Mit eiskalter Nüchternheit beschreibt der Autor, wie der Krieg mitterweile allgegenwärtig ist - und welche immensen Gefahren darin bestehen, dass niemand etwas vom globalen Morden bemerkt.

Das sehr empfehlenswerte Buch kann hier direkt beim Verlag bestellt werden.

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