Politik

China: Wegen massiver Korruption ist der Crash programmiert

Lesezeit: 3 min
16.11.2012 01:36
Das Bild der regierenden Kommunistischen Partei beginnt zu bröckeln. Die neue Führung muss härter und konsequenter gegen die parteiinterne Korruption vorgehen. Auch der neue Parteichef Xi Jinping steht unter Korruptionsverdacht. Beobachter glauben, dass diese Entwicklung zum Zusammenbruch des sozialen Systems führen werde.
China: Wegen massiver Korruption ist der Crash programmiert

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Politik  
China  

Aktuell: China pumpt 60 Milliarden US-Dollar in den Markt

China hat eine neue Führung. Wie erwartet löst der bisherige Vize-Präsident Xi Jinping den bisherigen Parteichef der Kommunistischen Partei, Hu Jintao, ab (mehr zum neuen Parteichef beim Guardian auf Englisch). Kommendes Jahr im März soll Xi Jinping das Präsidentenamt übernehmen und Li Keqiang wird Nachfolger des Ministerpräsidenten Wen Jiabao. Bezüglich des Führungswechsels in China hat die chinesische Bevölkerung keinerlei Mitspracherecht. Doch angesichts dessen wird der Umgang mit dem Problem der massiven Korruption in der chinesischen Regierungspartei immer wichtiger. Auch Xi Jinping steht unter Korruptionsverdacht.

Die Korruption von der hohen Führungsriege bis hin zu den lokalen Politikern gefährdet die Wirtschaft des Landes und stellt zunehmend auch die Glaubwürdigkeit der Partei infrage. „Das Bild der Regierungspartei hat aufgrund der astronomischen Summen hinsichtlich der Korruption, aber auch bezüglich der Dauer und der Involvierten einen herben Schlag erlitten“, sagte Minxin Pei, Experte für chinesische Politik am Claremont McKenna College der FT.

Nach Informationen der Deutschen Wirtschafts Nachrichten halten Beobachter, die seit Jahrzehnten in China tätig sind, einen Crash des Systems wegen der Korruption für praktisch unausweichlich: Bei jedem Geschäft wechselt Bargeld unter dem Tisch die Seiten. Aufträge sind ohne Bestechung faktisch nicht zu bekommen. Alle Beteiligten am Wirtschaftsleben haben sich an die Korruption offenbar bereits in einem solchen Maß gewöhnt, dass ohne sie kaum noch Geschäft abgeschlossen werden können.

Neu an der Lage ist die Tatsache, dass die Chinesen von den Skandalen erfahren, obwohl in den offiziellen Medien nichts zu lesen ist. Über das Internet werden die besonders krassen Fälle in Windeseile bekannt. So zählen auch die Ausschweifungen der obersten Führung zum Allgemeinwissen.

Ein Fall sorgte in diesem Zusammenhang für besonders große Wut bei den Chinesen. Wie die New York Times aufdeckte, hatte die Familie des nun scheidenden Premiers Wen Jiabao seit seinem Amtsantritt ein beachtliches Vermögen von 2,7 Milliarden Euro angehäuft. Wen Jiabao wuchs nach eigenen Angaben in ärmlichen Verhältnissen auf, aber während seiner Arbeit als Premier Chinas gelangte nicht nur er, sondern auch etliche Verwandte Jiabaos zu „außerordentlichem Wohlstand“, so die NYT.

Ein weiteres Problem bereitete der Partei der ehemalige Chef der kommunistischen Partei von Chongqing, Bo Xilai. Bo wurde aufgrund „disziplinärer Verstöße“ aus seinen Ämtern entfernt, hieß es in einem Statement der Partei. Korruption wurde ihm ebenfalls vorgeworfen (mehr hier). Seiner Frau wurde im Zuge der Affäre vorgeworfen, einen britischen Geschäftsmann ermordet zu haben. Das Gericht verhängte ein Todesurteil, gewährte aber zwei Jahre Aufschub.

Das kratzt an der Glaubwürdigkeit der Partei. Wie konnten Wen Jiabao und Bo Xilai über Jahre ihre Spitzenpositionen im eigenen finanziellen Interesse nutzen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die neue Parteiführung steht vor dem Dilemma, einerseits die Korruption in großem Stil zu bekämpfen, andererseits jedoch die Verwicklungen der Partei in etliche Korruptionsfälle genau dadurch öffentlich machen zu müssen. Und das könnte dem neuen Chef der Kommunistischen Partei, Xi Jinping, zum Verhängnis werden. Immerhin berichtete Bloomberg bereits zu Beginn 2012, dass auch Jinpings Familie in den vergangenen Jahren ebenfalls großen Reichtum angehäuft habe. Damals hatte die chinesische Führung die Webseiten von Bloomberg und der New York Times gesperrt, um die Geschichten der chinesischen Bevölkerung nicht zugänglich zu machen.

„Ich denke, die Führer in Peking sind sich sehr bewusst, dass sie im Zeitalter des Internets und des schnellen Informationsflusses, noch einmal überdenken müssen, wie die Korruption zu bekämpfen ist", sagt Liu Xiaobo, Professor für Politikwissenschaft an der Columbia University. „Die Offenlegung von allen möglichen Fällen durch Social Media schafft wachsende Zweifel in der Kommunistischen Partei und ihrer Legitimität, das Land zu regieren."

Es ist nicht so, dass es in China keine entsprechenden Gesetze zur Bekämpfung und zum Umgang mit Korruption gibt. Im Gegenteil, diese wurden in den vergangenen Jahren sogar noch verfeinert. Nichtsdestotrotz steigt die Zahl der gemeldeten Korruptionsfälle und die Menge der Gelder und die Zahl der involvierten Beamten, so Lin Zhe von der Zentralen Parteischule der Kommunistischen Partei.

Chinesische Beamte müsen zwar regelmäßig einen Bericht über ihr Einkommen und ihr Vermögen vorlegen – allerdings nur parteiintern und nicht öffentlich. Es gibt sogar einen Gesetzesvorschlag, der die Veröffentlichung dieser Berichte möglich machen soll. Aber dieser liegt dem Parlament seit sieben Jahren vor und wurde bis dato nicht verabschiedet. Korruptions-Experten, die die Regierungspartei beraten, sagen, diese Berichte würden in den meisten Fällen nicht einmal richtig geprüft werden. Letzlich müssten entsprechende Vorschriften für Beamte und Gesetze wie die zur Offenlegung der Einnahmen von genau den Beamten genehmigt werden, die selbst davon betroffen wären. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass es bis jetzt kaum zu wirklichen Maßnahmen kam, sagt Zhang Qingsong, Partner in einer Anwaltskanzlei in Shangquan.

Weitere Themen

Solarindustrie unter Druck: China verschärft Handelskrieg

Angst vor China-Crash: Pimco zieht sich aus Schwellenländern zurück

IWF in Asien: Als „Schwarzer Schwan“ getarnt, bereit zur Übernahme


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Bundeshaushalt 2025: Die kuriosen Pläne der Ampel mit „Hoffnungsposten“
10.09.2024

Zum Start der Haushaltswoche hat die Ampel-Regierung ihre Ratlosigkeit bewiesen. Noch immer klafft eine große Lücke im Entwurf für den...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gebundenes Vermögen: Hunderte Unternehmen warten vorm Bundestag auf neue Rechtsform
10.09.2024

Sinnbildlich steht die Aktion „Warteschlange“ für die Situation der Unternehmer im Land: Sie warten händeringend auf eine neue...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft China-Handel: Exporte steigen – Importe aus Deutschland brechen aber ein
10.09.2024

Die chinesischen Ausfuhren sind im August kräftig gestiegen. Die Importe wachsen dagegen nur sehr langsam. Das bekommen vor allem deutsche...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutsche Industrie sieht Standort bedroht wie nie zuvor
10.09.2024

Es sind alarmierende Ergebnisse einer Studie, die der Bundesverband der Deutschen Industrie präsentiert. Die industrielle Wertschöpfung...

DWN
Politik
Politik Union sagt Teilnahme an Migrationstreffen zu
10.09.2024

Nach längerem Zögern hat sich die CDU/CSU-Fraktion entschieden, doch an dem heute nachmittag geplanten Gespräch mit Bundesregierung und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trotz Rohstoffreichtum: Wieso Russland nur ein Schwellenland bleibt
10.09.2024

Russland ist eine absolute Rohstoffmacht, aber die Abhängigkeit von Energieexporten ist bedenklich und der Ukraine-Krieg hat diesem...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Insolvenzen steigen stark - vor allem bei Großunternehmen
10.09.2024

Der Kreditversicherer Allianz Trade rechnet in diesem Jahr mit rund 21.500 Firmenpleiten – 21 Prozent mehr als 2023. Sorge bereitet vor...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Inflation sinkt im August auf unter 2 Prozent
10.09.2024

Die Preisschocks der vergangenen Jahre scheinen vorüber zu sein. Im August schwächt sich die Inflation in Deutschland weiter ab und...