Politik

Krisensitzung in Brüssel: Lagarde bricht Asien-Reise ab

Der IWF will in Brüssel den Druck auf die EU erhöhen, Griechenland seine Schulden zu erlassen. Zwischen den Zeilen kann man auch bei Bundesbank-Chef Weidmann eine Zustimmung erkennen. Nur noch ESM-Chef Klaus Regling hält dagegen – weil ihm sonst der ESM um die Ohren zu fliegen droht.
19.11.2012 13:58
Lesezeit: 2 min

Aktuell: Harte Gangart: Van Rompuy eliminiert Großbritannien aus EU-Budget

IWF-Chefin Christine Lagarde hat überraschend ihre Asien-Reise abgebrochen, um an einem Treffen in Brüssel mit Vertretern der EU für eine „realitätsnahe“ Lösung für die griechische Schuldenkrise zu werben. Ihr Ziel sei es Informationen von Reuters zufolge, eine permanente Lösung zu finden und eine verlängerte Unsicherheit auf den internationalen Finanzmärkten zu verhindern.

Im Gegensatz zu der EU fordert Lagarde einen weiteren Schuldenschnitt. Nur so könnte Griechenland langfristig wieder Zugriff auf den Finanzmärkten erhalten. Das Land ist derzeit abhängig von der Auszahlung der nächsten Hilfstranche in Höhe von 31,5 Milliarden Euro. Diese Geldspritze reicht jedoch nicht lange. Neuen Berechnungen zufolge benötigt Griechenland jedoch insgesamt mehr als 60 Milliarden Euro, um für Zeitraum bis 2014 überleben zu können (mehr hier). Einer Studie von Goldman Sachs zufolge müsse ein weiterer Schuldenschnitt in Höhe von 80 Milliarden entscheidende Fortschritte zur Tragfähigkeit der Schuldenlast in Griechenland mit sich bringen (hier).

Angesichts der steigenden Schuldenlast in Griechenland ist es fraglich, ob Griechenland sein Sparziel von 120 Prozent der BIP bis 2020 erreichen kann. Auch die Verlängerung dieser Frist, wie von EU-Gruppenchef Jean-Claude Juncker vorgeschlagen, ist wahrscheinlich nicht ausreichend. Ein weiterer Schuldenschnitt scheint in greifbare Nähe zu rücken. Auch Bundesbank-Chef Jens Weidmann argumentiert inzwischen in diese Richtung. Einem Bericht von Kathimerini zufolge sagte Weidmann, die griechische Schuldenlast sei unhaltbar. Die Griechen müssen sich einen weiteren Schuldenschnitt verdienen, indem sie ihr Budget wieder in Form bringen.

Die ablehnende Haltung der EU gegen einen weiteren Schuldenschnitt für die Hellenen ist darin begründet, dass das neue Steuerungsinstrument der EU, des ESM, damit an Bedeutung verlieren würde. ESM-Chef Klaus Regling warnte indes vor den Folgen eines Schuldenschnittes: „Ein Schuldenschnitt kann nur eine Ausnahmesituation sein, schließlich ist es ein Eingriff in Eigentumsrechte." Dieser hätte weitreichende, wirtschaftliche Konsequenzen und könnte als Abkürzung durch die Schuldenkrise ein negatives Vorbild für andere Schuldenstaaten wie Spanien darstellen. Der Bankensektor könnte in eine neue Krise gestürzt werden. Zudem würden Reformanreize durch einen weiteren Schuldenschnitt unterlaufen.

Die sogenannte Troika scheint in ihren Ansätzen zur Bewältigung der Krise gespalten: Während IWF und EZB mit einem Schuldenschnitt oder dem Ankauf von Staatsanleihen auf eine schnelle Lösung drängen, setzt die EU mit dem ESM auf einen langsameren Rettungskurs mit Spardiktat, der die Bevölkerung in Griechenland in die Armut stürzt (hier) und die Demokratie des Landes gefährdet (hier).

Weiere Themen:

Umfrage: Jeder zweite Microsoft-Kunde will zu Apple wechseln

Lateinamerika-Gipfel: Spanien bittet ehemalige Kolonien um Finanzhilfe

Immer gefährlicher: Schattenbanken wachsen unkontrolliert

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Iranische Atomanlagen: Wie stark die US-Angriffe wirklich trafen
26.06.2025

Nach dem massiven Luftangriff der USA auf Irans Atomanlagen überschlagen sich die Einschätzungen. Präsident Trump spricht von völliger...

DWN
Politik
Politik Bundestag beschließt Anreize für Firmeninvestitionen
26.06.2025

Investitionen gelten als Schlüssel zur wirtschaftlichen Erholung. Mit neuen Abschreibungsregeln und geplanten Steuersenkungen will die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Angriffe auf Iran: Droht ein neues Gasloch wie bei Russland?
26.06.2025

US-Luftangriffe auf den Iran setzen neue Dynamik im globalen Energiemarkt frei. Droht Europa nach dem russischen Gas-Schock der nächste...

DWN
Politik
Politik Stromsteuer: Der Vertrauensbruch
26.06.2025

Die Ampel hatte versprochen, alle Bürger bei der Stromsteuer zu entlasten. Jetzt will Kanzler Merz nur die Industrie begünstigen – und...

DWN
Technologie
Technologie Digitalgesetz DMA: Start-ups warnen vor EU-Zugeständnissen an USA
26.06.2025

Hohe Zölle, harsche Kritik aus Washington, wachsende Nervosität bei jungen Tech-Firmen: Im transatlantischen Zollkonflikt droht Brüssel,...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse: Bundestag plant Verlängerung bis Ende 2029
26.06.2025

Die Mietpreisbremse soll weitere vier Jahre gelten – doch sie ist umstritten wie eh und je. Während der Eigentümerverband sie für...

DWN
Politik
Politik Autoverbot: Berlin bald autofrei? Erfolg für Volksbegehren
26.06.2025

Die Initiative „Volksentscheid Berlin autofrei“ kann ihr Gesetzesvorhaben für ein weitgehendes Autoverbot in der Hauptstadt weiter...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Strompreise: Deutschland hat die fünfthöchsten der Welt
26.06.2025

Strom in Deutschland ist immer noch sehr teuer. Mit durchschnittlich 38 Cent pro Kilowattstunde rangieren die deutschen Strompreise...