Das US-Nachrichtenmagazin „Time“ hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Person des Jahres 2015 gekürt. Die Zeitschrift würdigte sie am Mittwoch als „Kanzlerin der Freien Welt“. Sie hob ihren Werdegang als Tochter eines Pastors in der DDR zur „de facto Anführerin eines Kontinents“ hervor und verwies auf Merkels Umgang mit der Flüchtlingskrise und ihr Vorgehen im europäischen Schuldenstreit. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, er sei sich sicher, dass Merkel die Auswahl „als Ansporn in ihrer Arbeit“ empfinde.
Interessant ist die Begründung, die das Magazin angibt: Obwohl Donald Trump sie für verrückt erklärt hat, obwohl sie von deutschen Demonstranten als „Verräterin“ beschimpft wurde, obwohl Medien aus vertraulichen Dokumenten zitierten, die vor dem Import von islamischen Extremismus, arabischem Antisemitismus und nationalen und ethnische Konflikten warnten; obwohl viele sagten, Merkel habe ein anderes Rechts- und Gesellschaftsverständnis – trotz all dieser Einwände sei Merkel bei ihrem „Glauben“ (faith) geblieben: „Wir schaffen das!“ Time: „Führer werden nur auf die Probe gestellt, wenn ihnen die Leute nicht mehr folgen wollen.“
Merkel verlange viel vom deutschen Volk und auch vom amerikanischen, merkt das Magazin an – doch hier wird es dann doch etwas bizarr: Die USA nehmen – wenn überhaupt – 10.000 Flüchtlinge an, und das frühestens im Herbst 2016, nach einem strengen Sicherheitscheck. Das war noch vor dem Massaker von San Bernardino.
Keine Erwähnung findet in dem Text des Magazins Merkels bedingungslose Unterstützung der US-Neocons und deren Politik im Nahen Osten und in der Ukraine.
Das Magazin rückt seit 1927 einmal pro Jahr vornehmlich Einzelpersonen, aber auch Gruppen oder Ideen in den Mittelpunkt, die in den vergangenen zwölf Monaten besonders aufgefallen sind. Personen des Jahres waren schon die früheren Bundeskanzler Konrad Adenauer und Willy Brandt – aber auch Adolf Hitler. Auf den Rängen nach Merkel folgen in diesem Jahr der Anführer der Terror-Miliz IS, Abu Bakr al-Bagdadi, und der Milliardär Donald Trump, der sich um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bewirbt.
I told you @TIME Magazine would never pick me as person of the year despite being the big favorite They picked person who is ruining Germany
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) December 9, 2015
Has Trump gone too far? Regardless, public is obsessed on radical Muslim dangers, Complete refugee pause to fix vetting makes sense. — Rupert Murdoch (@rupertmurdoch) December 8, 2015
Abu Bakr al-Baghdadi is #2 on TIME’s Person of the Year shortlist #TIMEPOY t.co/HUzmOhQhoK pic.twitter.com/1ODtyH5jSY
— TIME.com (@TIME) December 9, 2015
Donald Trump is #3 on TIME’s Person of the Year shortlist #TIMEPOY t.co/V0rOQKhgFm pic.twitter.com/Yao439QGGI
— TIME.com (@TIME) December 9, 2015