Politik

Tumulte in Kiew: Abgeordneter reißt Premier Jazenjuk vom Podium

In der Ukraine verdichten sich die Anzeichen für den Sturz von Premier Arseni „Jaz“ Jazenjuk: US-Vizepräsident Joe Biden hatte die ukrainische Regierung scharf wegen Korruption und Vetternwirtschaft attackiert. Originell: Diese Regierung war auf Betreiben von Washington an die Macht gekommen.
11.12.2015 11:52
Lesezeit: 2 min
Tumulte in Kiew: Abgeordneter reißt Premier Jazenjuk vom Podium
Das neue Buch von Michael Maier. (Foto: FBV)

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Im Parlament in Kiew ist es zu Tumulten gekommen, die fast den ukrainischen Premier Arseni Jazenjuk zu Fall gebracht hätten: Ein Abgeordneter riss den von den USA eingesetzten, aber inzwischen in Ungnade gefallenen Premier vom Sprecher-Podium. Danach prügelten sich die verschiedenen Abgeordneten und konnten nur mit Mühe wieder beruhigt werden (siehe erstes Video)

Die Regierung in der Ukraine wird durch die europäischen Steuerzahler finanziert. Erst vor wenigen Tagen hatte der IWF bekanntgegeben, seine Regeln zu ändern, um dem Pleite-Staat weiter Kredite gewähren zu können.

In seiner Rede sagte Jazenjuk nach den Tumulten, er werde nicht aus freien Stücken zurücktreten. Er sei gewählt worden, um das Land mit unbequemem Maßnahmen zu führen. Seine frühere politische Gefährtin Julia Timoschenko betreibt mit anderen Parteien seinen Sturz. Joinfo.ua zitiert den Rada-Abgeordneten Mustafa Nayem: „Ihre Regierung wird weder vom Parlament noch von der Öffentlichkeit unterstützt. Doch wir können Sie nicht feuern. Ist es möglich, dass Sie freiwillig zurücktreten und wir einen neuen Premier bekommen? Und die zweite Frage: Kolomoiski hat gesagt, dass sie sich mit ihm und dem Präsidenten darauf geeinigt hätten, die Verfahren gegen einige Personen zu stoppen. Stimmt das?“ Mustafa Najem stammt aus Afghanistan und gehört der Euromaidan-Bewegung an.

Jazenjuk wird Korruption vorgeworfen, vor allem von dem mit den US-Neocons eng kooperierenden Gouverneur von Odessa, Michail Saakaschwili.

Saakaschwili ist der Favorit der Amerikaner auf die Jazenjuk-Nachfolge: Der Sender Radio Free Europe und die italienische Nachrichtenagentur ANSA berichten, dass eine Petition innerhalb weniger Tage mehr als 30.000 Unterschriften gesammelt hatte, mit denen die Ernennung des früheren georgischen Ministerpräsidenten Michail Saakaschwili zum neuen Premier der Ukraine gefordert wird. Einem neuen Gesetz zufolge muss sich Präsident Petro Poroschenko nun offiziell mit dieser Petition befassen. Die Times of London schreibt, dass auch Saakaschwili selbst den Sturz des amtierenden Premiers Arseni „Jaz“ Jazenjuk betreibt: Saakaschwili hatte vor einigen Tagen Jazenjuk als korrupt bezeichnet und gesagt, der Premier verschleppe die „Reformen“ in der Ukraine und arbeite in die Hände von Oligarchen. Jazenjuk wies die Anschuldigungen als infam zurück.

Am Donnerstag war US-Vizepräsident Joe Biden in der Rada aufgetreten und hatte der ukrainischen Regierung die Leviten in Sachen Korruption gelesen: Es gehe nicht an, dass die Ukraine keine Maßnahmen gegen die Korruption ergreife. Die Regierung dürfe keine "sweetheart-deals" unter Freunden veranstalten, sondern müsse sich nach den Gesetzen der freien Marktwirtschaft verhalten (siehe zweites Video am Anfang des Artikels).

Joe Biden ist in der Ukraine besonders engagiert: Sein Sohn Hunter Biden arbeitet für die ukrainische Firma Burisma. Die Firma hatte zu Beginn der Ukraine-Krise ihre Lobbytätigkeit in Washington verstärkt, wie Time berichtete: Praktischerweise wurden gleich zwei enge Mitarbeiter von US-Außenminister John Kerry zuständig für die politische Arbeit als bezahlte Lobbyisten für Burisma.

Biden wiederum sagte erst kürzlich, dass die Amerikaner die EU gezwungen habe, sich den Sanktionen gegen Russland anzuschließen. Die Sanktionen treffen die Wirtschaft in der EU hart. Die USA wollen die Ukraine von Russland loseisen und zugleich den Rohstoff-Markt sowie die Gasleitungen von Russland nach Europa unter ihre Kontrolle bringen.

Die Tage des von den US-Sonderbeauftragten Victoria Nuland eingesetzten Jazenjuk als Premier dürften also gezählt sein: Er hat sich aus Sicht der US-Regierung nicht bewährt. In wenigen Tagen läuft die Jahresfrist aus, innerhalb derer Jazenjuk noch Immunität genießt.

***

In seinem neuen Buch erklärt DWN-Herausgeber Michael Maier, wie Machtwechsel international orchestriert werden. Er zeigt die Rolle der US-Geheimdienste und der die US-Regierung beherrschenden Rüstungsindustrie auf. Diese Lobbyisten greifen mit Finanz-Kriegen, militärischen Mitteln und der nötigen medialen PR in die inneren Angelegenheiten von Staaten ein und schaffen neue politische Realitäten. Aufgrund mangelnder politischer Führung können Deutschland und die EU diesem Treiben in der Regel nichts entgegensetzen, sondern müssen sich in die neuen Gegebenheiten fügen.

Michael Maier: „Das Ende der Behaglichkeit. Wie die modernen Kriege Deutschland und Europa verändern“. FinanzBuch Verlag München, 228 Seiten, 19,99€.

Bestellen Sie das Buch hier direkt beim Verlag.

Oder kaufen Sie es im guten deutschen Buchhandel das Buch ist überall erhältlich. Wir unterstützen den Buchhandel ausdrücklich, er muss gefördert werden!

Oder bestellen Sie das Buch bei Amazon. Mit einem Kauf unterstützen Sie die Unabhängigkeit der Deutschen Wirtschafts Nachrichten. 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Warren Buffett für Einsteiger: Was jeder von der Investoren-Legende lernen kann
03.06.2025

Warren Buffett zählt zu den einflussreichsten Investoren der Welt. Seine Entscheidungen, Strategien und sein Lebensstil haben weltweit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft OECD-Ausblick: Deutsche Wirtschaft auf dem Tiefpunkt – Trendwende 2025 möglich?
03.06.2025

Die deutsche Wirtschaft kommt wegen teurer Energie und dem Zollstreit mit US-Präsident Donald Trump auch in diesem Jahr nicht richtig vom...

DWN
Technologie
Technologie Google wirft die klassische Suche über Bord – das Ende der blauen Links
03.06.2025

Google krempelt seine Suche radikal um – KI ersetzt Linklisten, Gespräche ersetzen Klicks. Ist das der Anfang vom Ende des freien...

DWN
Politik
Politik Politische Zerreißprobe in Polen: Tusk stellt Vertrauensfrage nach Wahlschlappe
03.06.2025

Nach der Niederlage seines politischen Verbündeten Rafal Trzaskowski bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in Polen steht...

DWN
Politik
Politik Ultimatum statt Diplomatie: Moskaus Bedingungen für einen Friedensvertrag
03.06.2025

Russland hat nach tagelangen Forderungen nun sein Memorandum für eine Beendigung des Krieges in der Ukraine veröffentlicht. Im Grunde...

DWN
Technologie
Technologie Toyota hebt ab – Autobauer setzt auf Flugtaxi-Revolution in den USA
03.06.2025

Mitten in der Krise der deutschen Flugtaxi-Pioniere investiert Toyota hunderte Millionen in ein US-Start-up – und setzt auf eine Zukunft...

DWN
Politik
Politik Iran kurz vor der Atombombe – und der Westen schaut zu
03.06.2025

Trotz internationaler Warnungen treibt der Iran sein Atomprogramm unbeirrt voran – mit Uranmengen, die für den Bau mehrerer Bomben...

DWN
Politik
Politik Rechtsruck in Polen – schlechte Aussichten für Berlin?
02.06.2025

Polen hat einen neuen Präsidenten – und der Wahlausgang sorgt europaweit für Nervosität. Welche Folgen hat der Rechtsruck für Tusk,...