Finanzen

Immobilienkauf: Riskant in einer Zeit der Niedrigzinsen

Die Zins-Wende in den USA ist maßvoll und durchdacht. In Europa dagegen ist ein Ende nicht absehbar. Der Glaube, durch staatliche Eingriffe die Lage unter Kontrolle zu bekommen, könnte sich vor allem für Immobilienkäufer als sehr gefährlich erweisen. Die meisten wissen nicht, welche Folge eine Zinswende für sie haben wird.
21.12.2015 00:29
Lesezeit: 4 min

Die Beendigung der Null-Zins-Politik durch die US-amerikanische Notenbank Federal Reserve Board markiert die Überwindung der Finanzkrise in den Vereinigten Staaten. Die robuste Konjunktur hat dem Land die Vollbeschäftigung beschert und die Änderung der Währungspolitik ermöglicht. Europa blickt erstaunt auf die andere Seite des Atlantiks.

Die Erklärung ist einfach. In den USA werden Krisen als Pannen betrachtet, die zu korrigieren sind. Also hat man sich nicht mit Klageliedern über die Sub-prime-Pleite, den Zusammenbruch von Lehman Brothers oder die Verluste bei den Credit-default-swaps aufgehalten, sondern ging an die Arbeit.

Die Niedrigzinspolitik ist eine verdeckte Spar-Steuer

Erstaunen herrscht auch über den Umstand, dass in den USA die Niedrigzinspolitik und die Geldschwemme die Konjunktur belebt haben und dies in Europa nicht gelingt. Man kann nicht oft genug darauf verweisen, dass in Europa Basel III die Kreditvergabe behindert und daher die Erleichterungen durch die Währungspolitik in der Realwirtschaft nicht ankommen können.

In Europa haben die Niedrigzinspolitik und die Geldschwemme zudem einen schalen bis abstoßenden Beigeschmack. Basel III behindert nur die Kreditvergabe an Unternehmen und Private, bei Finanzierungen der Staaten gibt es keine Bremsen, keine Verpflichtungen zur Unterlegung mit Eigenkapital. Die gleiche Situation ist bei den Versicherungen gegeben. Das neue Regelwerk, Solvency II, erschwert die Investitionen in Aktien oder Immobilien, die Veranlagung in Staatsanleihen unterliegt keinen Beschränkungen. Auf diese Weise kommt die Geldschwemme mit minimalen Zinsen den öffentlichen Stellen zugute, die so ihre Defizite leichter finanzieren können.

Die Sparer und Anleger müssen sich mit kleinsten Erträgen zufrieden geben – die Niedrigzinspolitik hat den Effekt einer Spar-Steuer.

Kurzum, man erleichtert den Staaten die Finanzierung der überbordenden Bürokratie und behindert die Wirtschaft.

Beim Drehen an der Zinsschraube ist Vorsicht geboten

Extrem niedrige Zinsen sind an sich schon problematisch. Wenn sie zur Überwindung einer Krise beitragen und nur zeitlich begrenzt zum Einsatz kommen, mögen sie toleriert werden. Extrem niedrige Zinsen ebenso wie extrem hohe Zinsen führen in allen Bereichen des Finanzmarktes zu gefährlichen Verzerrungen. Die Rückkehr zu historisch üblichen Sätzen ist in der Folge außerordentlich schwierig.

Dies sei anhand einer Musterrechnung demonstriert.

Eine Wohnung wirft eine Jahresmiete von 7.000 Euro ab.

Beträgt nun das Zinsniveau auf dem Anleihemarkt 5 Prozent, so werden die 7.000 Euro mit diesen 5 Prozent gleich gesetzt. Wenn also die 7.000 Euro 5 Prozent entsprechen, so kann man den Marktwert der betreffenden Wohnung mit 140.000 Euro ansetzen: 5 Prozent von 140.000 Euro sind 7.000 Euro.

Liegt der vergleichbare Zinssatz der Anleihen allerdings bei 2 Prozent, dann werden die 7.000 Euro Miete als 2 Prozent bewertet und in der Folge ergibt sich ein Marktwert der Wohnung von 350.000 Euro. 2 Prozent von 350.000 Euro sind 7.000 Euro.

Wurde eine Wohnung in der Niedrigzinsphase um 350.000 Euro gekauft, so besteht bei einer Anhebung der Zinsen die Gefahr, dass der Preis auf 140.000 Euro sinkt.

Die gleichen Zusammenhänge sind bei Aktien und anderen zinsbringenden Vermögenswerten zu berücksichtigen.

Die geschilderte Rechnung wirkt nicht immer und überall in vollem Umfang, Aktien und Immobilienpreise folgen oft auch anderen Bestimmungsfaktoren, doch spielen Veränderungen des Zinsniveaus und vor allem größere Veränderungen immer eine Rolle.

In einer entwickelten Wirtschaft mit sensiblen Aktien-, Immobilien- und sonstigen Märkten sollte an der Zinsschraube nur mit Vorsicht gedreht werden.

Jedenfalls ist die vermeintlich schlaue Politik, maroden Staaten die Darstellung scheinbar niedriger Defizite und die Finanzierung der Schuldenberge zu erleichtern, kein überzeugender Grund für Zinskunststücke.

Wenn von jedem Dollar 65 bis 70 Cent bleiben, ist die Überwindung der Krise leichter

Die Erholung in den USA ist nicht allein der Geldschwemme und den niedrigen Zinsen zu verdanken. Man sollte die Wirkung der Währungspolitik nicht überschätzen.

In den USA ist man an eine komfortable Steuer- und Abgabenquote zwischen 30 und 35 Prozent des BIP gewöhnt.

Wenn den Personen und Unternehmen 65 bis 70 Cent von jedem Dollar bleiben, geschickten Steuergestaltern sogar mehr, lässt sich eine Krise leichter überwinden als in der EU, wo der Vergleichswert nur knapp 50 Eurocent beträgt: Die EU weist einen Anteil der öffentlichen Hände an der Wertschöpfung von 48,1 Prozent aus, der Euroraum sogar von 49,1 Prozent.

Damit nicht genug. Nach der Krise wurden auch in den USA die Kapitalvorschriften verschärft und die Aufsichtszügel stärker angezogen, aber man blieb dem Grundsatz treu, dass ein Land nur erfolgreich ist, wenn die Unternehmen sich frei entfalten können.

Von der De-Regulierung zur Überregulierung

In der EU ist die Skepsis gegenüber der freien Marktwirtschaft aber nicht zu beseitigen. Zwar gab es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert viele Bekenntnisse zur freien Marktwirtschaft. Auch wurden die EU-Spitzen nicht müde zu erklären, dass man endlich de-regulieren und den Ballast der in Jahrhunderten gewachsenen Bürokratie abwerfen werde. Angesichts der ersten größeren Krise wurden 2008 alle guten Vorsätze über Bord geworfen.

Das Motto lautete prompt, „der Markt hat versagt, also müssen wir, die Politiker wieder für Ordnung sorgen“. Die Folge ist eine gigantische Flut oft unsinniger Vorschriften, die in alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche eingreifen. Die Durchsetzung und Auslegung dieser Regeln wurde Behörden übertragen, in denen Staatsdiener mit enormen Ermessensspielräumen über das Wohl und Wehe der Wirtschaft bestimmen. Hohe Strafen bei Verletzung der zahllosen Bestimmungen sichern die Autorität der Beamten ab.

Wo ist die Einsicht geblieben, dass der Staat, personifiziert durch die Beamten, nicht in der Lage ist, die Wirtschaft zu lenken? Nach dem Zusammenbruch der Staatswirtschaften in den neunziger Jahren wurde in Europa alles Private verherrlicht und der Staat verteufelt. Nach der Krise 2008 kippte man ins Gegenteil und überschätzt nun den Staat maßlos. Der Staat hat brauchbare Rahmenbedingungen zu schaffen, nicht mehr und nicht weniger, die Privaten müssen sich in diesen Rahmen frei bewegen können.

Die Kombination einer hohen Steuerlast mit unsinnigen Vorschriften lähmt Europa, das sich heute als Beamtendiktatur präsentiert und immer mehr an die Staatswirtschaft der ehemaligen Sowjetunion erinnert. Dass unter diesen Bedingungen die Konkurrenzfähigkeit leidet, sollte niemanden wundern.

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF. 

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