Politik

Harte Kritik an Angela Merkel: Wohlstand in Deutschland in Gefahr

Die Wirtschaftsverbände sind mit der Arbeit von Angela Merkel höchst unzufrieden: Sie sehen falsche Weichenstellungen und zu viel Selbstgefälligkeit. Der Wunsch, die Flüchtlinge mögen das Fachkräfte-Problem lösen sei eine Illusion.
26.12.2015 23:30
Lesezeit: 2 min

Die Präsidenten der fünf wichtigsten Wirtschaftsverbände gehen mit Kanzlerin Angela Merkel in einer Reuters-Umfrage überraschend hart ins Gericht und werfen ihr große Versäumnisse in der Wirtschafts- und Sozialpolitik vor. Sie verlangten Reformen und Investitionen. Als aktuell größte Herausforderung betrachten sie die Integration der Hunderttausenden von Flüchtlingen. Diese würden kaum das große Problem des Fachkräftemangels lösen, mahnte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer.

Zu den aktuellen ökonomischen Perspektiven ergab sich ein gemischtes Bild. "Die Konjunkturaussichten trüben sich 2016 ein. In der gesamten Wirtschaft schwindet die Zuversicht", warnte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer. Er rechnet für das nächste Jahr nur noch mit einem Wachstum in Deutschland von 1,3 Prozent. Das ist rund ein halber Prozentpunkt weniger, als die meisten Experten für 2015 erwarten.

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer dagegen sieht für seine Unternehmen bislang keine Verschlechterung. "Die wirtschaftlichen Aussichten bleiben insgesamt gut", urteilte er. Das Handwerk profitiere weiter von der guten Binnenmarktentwicklung und erwarte für 2016 ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent. Allerdings profitiert das Handwerk auch von den Unsicherheiten und den niedrigen Zinsen, weshalb viele private Investitionen in einer Art Crack-up-Boom vorgezogen werden.

Auch Industriepräsident Ulrich Grillo bleibt optimistisch, vor allem wegen der starken Industrie und der günstigen Entwicklung am Arbeitsmarkt. "Das schiebt unsere Konjunktur an und dürfte auch im nächsten Jahr so weitergehen", erklärte er. Allerdings verwies Arbeitgeberpräsident Kramer auf die vielen politischen Krisenherde wie in der Ukraine und dem Nahen Osten, die für wirtschaftliche Unsicherheiten sorgten.

Zur Bundesregierung äußerten sich die Cheflobbyisten durchweg kritisch. Sie verfolgt nach Worten von Handwerkspräsident Wollseifer nicht den richtigen Kurs. Er sprach von einer Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik gegen die Wirtschaft. Auch Arbeitgeberpräsident Kramer beklagte aus seiner Sicht falsche Weichenstellungen, etwa durch Pläne zur Beschränkung von Zeit- und Leiharbeit. Ferner gebe es zu wenig Bürokratieabbau. Der Präsident des Handelsverbandes BGA, Anton Börner, hält das Vorgehen Merkels in der Finanz- und Wirtschaftspolitik zwar für richtig, in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik aber angesichts immer neuer Eingriffe "ganz sicher nicht".

Industriepräsident Grillo forderte, die zweite Hälfte der Legislaturperiode müsse eine Phase der Investitionen werden. Auch in der Steuer- und Energiepolitik müsse die Regierung die heimische Wirtschaft stärken. DIHK-Kollege Schweitzer kritisierte, im Ringen um Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit sei Deutschland zuletzt "eher selbstgefällig" gewesen.

Den großen Zustrom an Flüchtlingen sehen die Verbandspräsidenten als gewaltige Aufgabe. Kurzfristig profitiere die Konjunktur davon, langfristig könnte jedoch ein Druck auf die Sozialsysteme entstehen, sagte Börner. Auch Kollege Kramer warnte vor überzogenen Hoffnungen: "Niemand sollte meinen, dass wir mit Flüchtlingen die Fachkräftelücke in unserem Land bewältigen können", äußerte er. Die Eingliederung der Flüchtlinge biete zwar Chancen für den Arbeitsmarkt, brauche aber lange Zeit. DIHK-Präsident Schweitzer forderte, damit die Firmen ihren Beitrag zur Integration leisten können, müsse die Regierung die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Dazu müsse ein Belastungs-Stopp für die Wirtschaft zählen. Ins gleiche Horn stieß Industriepräsident Grillo. "Die Politik muss uns Unternehmern dabei helfen, Flüchtlinge schneller in Arbeit zu bringen", verlangte er.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Rentensystem in Deutschland: Mehr Senioren kosten mehr Geld – welche Lösungen sind realistisch?
28.08.2025

Immer mehr Menschen gehen in Deutschland in den Ruhestand – doch die Ausgaben steigen drastisch. Neue Zahlen der Deutschen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Schrumpfende Position: Deutschlands Weltmarktanteile gehen zurück
28.08.2025

Deutschlands Weltmarktanteile geraten seit Jahren unter Druck. Trotz starker Exportindustrie verliert die Bundesrepublik kontinuierlich an...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Strategien für mehr Energieautarkie: Wie sich der Mittelstand unabhängig macht
28.08.2025

Strom vom Firmendach, Verträge mit Erzeugern und digitale Kontrolle über den Verbrauch: Für viele Mittelständler wird Energieautarkie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Eurozone-Wirtschaftsstimmung: Unerwartete Eintrübung im August
28.08.2025

Die Eurozone-Wirtschaftsstimmung hat sich im August stärker eingetrübt als erwartet. Neue Daten zeigen, dass das Vertrauen in mehrere...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Exxon verhandelt über Rückkehr nach Russland – trotz Sanktionen
28.08.2025

Trotz offizieller Sanktionen verhandelt Exxon mit Rosneft über eine Rückkehr zum milliardenschweren Ölprojekt Sachalin-I. Dahinter...

DWN
Finanzen
Finanzen Nvidia-Aktie rutscht ab: US-Chipkonzern enttäuscht in China – trotz Milliardenpotenzials
28.08.2025

Rekordumsätze, rasanter Kursanstieg und dennoch Unsicherheit wegen China – Nvidia bleibt eines der spannendsten Unternehmen im aktuellen...

DWN
Finanzen
Finanzen Stada-IPO: Arzneihersteller bereitet Milliarden-Börsengang im Herbst vor
28.08.2025

Der Arzneihersteller Stada plant mit einem milliardenschweren Stada-IPO im Herbst einen großen Schritt zurück aufs Börsenparkett. Doch...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell: Wie lange treiben politische Spannungen und Fed-Sorgen das Edelmetall noch nach oben?
28.08.2025

Der Goldpreis bewegt sich nahe an historischen Höchstständen. Politische Spannungen in den USA, schwächelnde Konjunkturdaten und...