Politik

Studie: TTIP stärkt Einfluss der Lobbyisten zu Lasten der Demokratie

Lesezeit: 2 min
04.02.2016 11:34
Unter dem Deckmantel der regulatorischen Zusammenarbeit gibt es bereits seit vielen Jahren eine stille Kooperation zwischen Unternehmen und politischen Vertretern aus den USA und Brüssel. Schon vor TTIP bestimmten Konzerne so Gesetze mit. Das Freihandelsabkommen wird diese gängige Praxis noch erleichtern.
Studie: TTIP stärkt Einfluss der Lobbyisten zu Lasten der Demokratie

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Gefährdung der Demokratie, Herabsetzen der Standards und mehr Macht für die großen Konzerne – das sind nur ein paar der Bedenken, die TTIP-Gegner oft anführen. Eine aktuelle Studie von Lobbycontrol und der NGO Corporate Europe Observatory (CEO) zeigt nun, dass genau diese Befürchtungen bereits vor dem Ende der TTIP-Verhandlungen eingetreten sind. Die sogenannte regulatorische Zusammenarbeit im Rahmen des Handelsabkommens, die die Gesetze beider Regionen miteinander in Einklang bringen soll, verstärkt diese Eingriffe der Unternehmen in die Gesetzgebung nur noch. Sie soll Handelshemmnisse abbauen.

Anhand von zahlreichen Beispielen wird deutlich, „um Rechtsetzung im öffentlichen Interesse zu verzögern, zu verwässern und ganz zu verhindern“, so die Studie. „Vorbereitungen für das Abkommen liefen bereits über mehrere Jahrzehnte, größtenteils im Verborgenen und mit privilegiertem Zugang für Vertreter von Großunternehmen.“ Hintergrund hier ist der Transatlantic Business Dialogue (TABD). 1995 wurde die Plattform auf Initiative des US-Handelsministeriums (USTR) und der EU-Kommission ins Leben gerufen. Manager transnationaler Unternehmen kommen hier mit US- und EU-Handelsbürokraten zusammen. Der Studie zufolge kann der TABD als „zentraler Akteur für die Vorbereitung der TTIP-Verhandlungen gelten“:

1995 wurden etwa 1.800 amerikanische und europäische Marktführer zu dem Transatlantic Business Dialogue eingeladen. „Um die Zusammenarbeit voranzutreiben, wurde ein USA-EU-Lenkungsausschuss gegründet, bestehend aus Mitgliedern der US-Regierung, Beamten der Kommission und vier Wirtschaftsvertretern: Paul Allaire (Xerox Corporation), Alex Trotman (Ford), Jürgen Strube (BASF) und Peter Sutherland (Goldman Sachs).“ In die offizielle Neue Transatlantische Agenda flossen dann nach dem Dialog Schätzungen zufolge 60 Prozent der von den Unternehmen gemachten Empfehlungen ein.

2011 forderte der TABD dann, „ein ehrgeiziges Transatlantisches Wirtschafts- und Handelsabkommen ernsthaft und zügig zu diskutieren“.

Ein Beispiel für den Erfolg von TABD ist der EU-Plan zur Regulierung von giftigen Elektroschrott. 1998 präsentierte die EU-Kommission einen ersten Entwurf zur Regulierung des Elektroschrotts. Zuvor hatten sich die USA und Brüssel geeinigt, sich in der Entwurfsphase zu konsultieren und auch „interessierte Parteien“ wie etwa den TABD mit einzubeziehen. Neben anderen Interessensverbänden äußerte sich auch der TABD negativ über den Kommissions-Entwurf. Mehrere Jahre wurde darüber diskutiert:

„Als beide Richtlinien schließlich 2002 verabschiedet wurden, hatte die Elektroschrott-Richtlinie (Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte, WEEE) dem Druck der Industrie und der US-Regierung größtenteils widerstanden (siehe Kasten). Der Vorschlag über gefährliche Stoffe jedoch war erheblich abgeschwächt worden. (…).Obwohl der Vorschlag über gefährliche Stoffe auch weiterhin offiziell auf dem Vorsorgeprinzip beruht, ist er im Sinne kontraproduktiv, da Mitgliedsstaaten keine Vorsichtsmaßnahmen treffen und strengere Regelungen auf nationaler Ebene beschließen können.“

Ähnliche verhielt es sich mit dem nun vom Europäischen Gerichtshof gestoppten Safe-Harbor-Abkommen, „die Verzögerungen und Abschwächungen von Regulierungsvorhaben bei Tierversuchen, klimaschädlichen Substanzen und Luftfahrtemissionen“ sowie bei der mangelnden Aufsicht des Versicherungsriesen AIG vor dem Finanzkrise von 2008.

„Besonders beunruhigend ist allerdings die Tatsache, dass diese Szenarien alle aus einer Zeit stammen, in der regulatorische Zusammenarbeit auf freiwilliger Basis erfolgte“, so die Autoren der Studie. „Die entsprechenden Regelungen waren nicht sehr umfangreich und die institutionelle Struktur schwach.“ Unter TTIP werde das ganz anders sein.

Letzten Endes stelle regulatorische Zusammenarbeit unter TTIP eine Gefährdung der Demokratie dar. „Mit größter Sicherheit wird sie zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Beamten und Lobbyisten führen und den Einfluss der Volksvertreter einschränken.“

Bereits im Frühjahr kommt Barack Obama nach Deutschland, um die laufenden Verhandlungen zu TTIP voranzutreiben.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Ratgeber
Ratgeber Sichere Mobilgeräte für Ihr Business: Das Samsung Security Ecosystem

In vielen Unternehmen sind Smartphones und Tablets längst zum unverzichtbaren Arbeitsmittel geworden. Je nach Einsatzgebiet sind die...

DWN
Politik
Politik Sorge um Privatsphäre: Bayern ändert Gesetz zu Funkwasserzählern
28.09.2023

Der Einbau von Funkwasserzählern im eigenen Wohnbereich ist für viele Einwohner ein Problem. Sie sind besorgt über die bezogenen Daten...

DWN
Politik
Politik Economic Statecraft für die ökologische Wende
28.09.2023

Die Europäische Union steht vor zwei entscheidenden Herausforderungen. Jüngste globale Schocks wie die COVID-19-Pandemie und die...

DWN
Immobilien
Immobilien Baugipfel: Die Immobilienwirtschaft fordert mehr, und das bitte im „Turbo-Tempo“
28.09.2023

Die Maßnahmen der Bundesregierung nach dem Baugipfel im Kanzleramt im Kampf gegen die dramatische Lage am Wohnungsmarkt und in der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Chinas subventioniertes Überholmanöver mit den Elektrofahrzeugen
28.09.2023

Innerhalb kürzestes Zeit hat sich Chinas Automobilbranche neu erfunden. Vom einstigen hässlichen und kränkelndem Entlein ist ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Online-Reisebüros: EU-Kommission untersagt Booking den Kauf von Flugvermittler
28.09.2023

Fusionskontrolle: Erste Ablehnung einer Übernahme in diesem Jahr. Geballte Marktmacht hätte einen fairen Wettbewerb der...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz gibt Bayern Mitschuld an hohen Energiepreisen
28.09.2023

Die deutsche Industrie leidet unter zu hohen Strompreisen. Bundeskanzler Scholz gibt dem Land Bayern Mitschuld. Er fordert starke...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Slowakei-Wahlen: Unsicherheit bei Deutschen Unternehmen?
28.09.2023

Die Parlamentswahlen in der Slowakei am 30. September könnten ein Comeback des ehemaligen Ministerpräsidenten Robert Fico bedeuten. Unter...

DWN
Politik
Politik Abgang eines Vordenkers - die CDU zerlegt sich in der AfD-Debatte
27.09.2023

Mit dem Rücktritt des Chefs ihrer Grundwertekommission, dem Historiker Andreas Rödder, ist das Debakel in der CDU nicht mehr zu...