Der kriselnde Bau- und Dienstleistungskonzern Bilfinger hat wegen des Einbruchs im Kraftwerksgeschäfts im vergangenen Jahr einen Rekordverlust erlitten. Der Fehlbetrag summiere sich wegen Abschreibungen, eines operativen Verlusts in der Sparte Power und Restrukturierungskosten auf 489 Millionen Euro nach einem Minus von 71 Millionen Euro im Vorjahr, teilte Bilfinger am Donnerstag mit. Damit war der Verlust allerdings nicht so hoch wie angekündigt und wie von Analysten erwartet. Im Herbst hatte Bilfinger noch mit einem Minus von 530 bis 540 Millionen Euro gerechnet. An der Börse kamen die Zahlen gut an: Im frühen Handel lag die Aktie gegen den Trend im Plus.
Auch ohne die zum Verkauf stehende Kraftwerkssparte schnitt der Mannheimer Konzern besser ab als befürchtet. Der Umsatz kletterte um vier Prozent auf knapp 6,5 Milliarden Euro. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen brach im Vergleich zum Vorjahr um 29 Prozent auf 186 Millionen Euro ein. In Aussicht gestellt waren 150 bis 170 Millionen Euro.
Die Nordbadener stecken seit zwei Jahren in einer schweren Krise, die den früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch den Posten des Vorstandschef gekostet hat. Nun steht das Unternehmen womöglich vor der Zerschlagung. Das Geschäft mit Bau und Instandhaltung von Kraftwerken ist wegen der Energiewende, aber auch wegen Fehlern im Projektmanagement eingebrochen. Die Sparte soll bis Mitte des Jahres den Besitzer wechseln. Auch andere Geschäftsfelder im Baugeschäft wurden bereits verkauft. Der Umsatz verringerte sich dadurch um eine Milliarde, die Mitarbeiterzahl sank um 15.000 auf gut 56.000. Im Januar kündigte der neue Vorstandschef Per Utnegaard überraschend an, den Verkauf des restlichen Baugeschäfts und der Immobiliendienstleistungen „ergebnisoffen“ zu prüfen, da es Interessenten dafür gebe.
„Auch wenn wir im vergangenen Jahr bereits einige wichtige Themen voranbringen konnten, liegt ein anspruchsvolles Jahr 2016 vor uns“, sagte der Vorstandsvorsitzender Per Utnegaard. „Neben dem notwendigen Umbau des Konzerns werden wir gezielt in Wachstumsinitiativen investieren, um Bilfinger fit für die Zukunft zu machen.“
Der einst traditionelle Baukonzern würde damit die tragende Säule seines Geschäftsmodells aufgeben, nur Ingenieurdienstleistungen für die Industrie blieben übrig. Die im Herbst verkündete Strategie mit zwei Sparten wäre damit hinfällig. Die Gewerkschaften IG Metall und IG Bauen-Agrar-Umwelt protestierten gegen den Plan. Auf Flugblättern, die sie am Mittwoch vor der Zentrale in Mannheim verteilten, forderten sie vom Vorstand ein neues Konzept und eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung. Ein Sprecher erklärte dazu, die Verkaufsentscheidung werde so schnell wie möglich getroffen. Utnegaard will zur Bilanzpressekonferenz am 16. März dazu Stellung nehmen. „Im Falle eines Arbeitsplatzabbaus werden Betriebsrat und Gewerkschaften eng eingebunden, um gemeinsam zu einem Interessenausgleich und Sozialplan zu kommen“, ergänzte der Sprecher.
Zudem pochen die Gewerkschaften darauf, Verkaufserlöse zu investieren und nicht an die Eigner auszuschütten. Davon würde in erster Linie der Großaktionär und schwedische Finanzinvestor Cevian profitieren, dessen Anlage seit dem Einstieg bei Bilfinger vor fünf Jahren massiv an Wert verloren hat.
Anfang der Woche teilte Bilfinger mit, die Sparte Wassertechnologie für rund 200 Millionen Euro an die chinesische Firma Chengdu Techcent Environment zu verkaufen.Vorbehaltlich der Zustimmung der zuständigen Wettbewerbsbehörden solle die Transaktion noch im ersten Quartal über die Bühne gehen.