Politik

Protest gegen Sigmar Gabriel: Chef der Monopol-Kommission tritt zurück

Lesezeit: 2 min
17.03.2016 17:00
Der Chef der Monopolkommission ist zurückgetreten: Er protestiert mit diesem Schritt gegen die Genehmigung der Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka. Sigmar Gabriel hatte sich über die Empfehlung der Kommission hinweggesetzt. Die Kommission sagt, die Übernahme werde dazu führen, dass die Konsumenten künftig höhere Preise für eine geringere Auswahl zahlen müssen.
Protest gegen Sigmar Gabriel: Chef der Monopol-Kommission tritt zurück

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Gernot Heller und Nikola Rotscheroth von Reuters berichten über einen Eklat nach der Genehmigung der Fusion von Kaiser's Tengelmann und Edeka:

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat mit seiner Sondergenehmigung für die Übernahme der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann durch den Branchenriesen Edeka massive Kritik auf sich gezogen. Der Chef der Monopol-Kommission, die vehement gegen die Übernahmepläne Front machte, trat aus Protest gegen die Entscheidung am Donnerstag zurück. Der Wettbewerber Rewe kündigte rechtliche Schritte an. Der Deutsche Bauernverband beklagte, die Fusion schade dem Wettbewerb im Lebensmittel-Einzelhandel und verschärfe den Druck auf Landwirte, Verarbeiter und Vermarkter. Verbraucherschützer fürchten Nachteile für die Kunden. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt äußerte sich ebenso skeptisch wie Unions-Fraktionsvize Ralph Brinkhaus.

Nach monatelangem Tauziehen entschied Gabriel, die umstrittene Übernahme unter der Bedingung zu erlauben, dass Edeka den knapp 16.000 Beschäftigten von Kaiser's Tengelmann für mindestens fünf Jahre Kündigungsschutz gewährt. Damit hebelt der Minister das Fusionsverbot aus, das das Bundeskartellamt im April vergangenen Jahres wegen Wettbewerbsbedenken ausgesprochen hatte. Auch die Monopol-Kommission, die das Ministerium berät, lehnte die Übernahme ab. Ihr Chef Daniel Zimmer zog unmittelbar nach Gabriels Entscheidung Konsequenzen und trat zurück. Gabriels Beschluss schade dem Wettbewerb und sei zum „Nachteil der Verbraucher, die künftig mit weniger Auswahl und höheren Preisen rechnen müssen“.

Der Wirtschaftsminister kann eine Entscheidung des Kartellamts überstimmen, wenn er größere Vorteile für das – nicht näher definierte – Gemeinwohl sieht. Das tat Gabriel: „Die Gemeinwohlgründe überwiegen die Wettbewerbsbeschränkungen“, entschied er. Unter das Gemeinwohl fiel für den SPD-Chef dabei nicht nur den Erhalt der knapp 16.000 Arbeitsplätze bei Kaiser's Tengelmann in ganz Deutschland. Erstmals in einem solchen Verfahren weitete er den Begriff auf den Erhalt der Arbeitsbedingungen aus. Denn die Fusion wird hinfällig, wenn Edeka nicht wie zugesichert die Fortdauer von Tarifverträgen und die Mitbestimmungsrechte bei Kaiser's Tengelmann gewährleistet. Die Gewerkschaft Verdi nannte dies „einen außerordentlich wichtigen Schritt“.

Auch die beiden Übernahmepartner Edeka und Tengelmann begrüßten Gabriels Entscheidung. Sie wollen seine Bedingungen „zeitnah“ abarbeiten und den Zusammenschluss damit rasch umsetzen. Dazu müssen sie sich mit den Gewerkschaften NGG und Verdi verständigen.

Kritik hagelte es für Gabriel von vielen anderen Seiten. Der Edeka-Konkurrent Rewe, der selbst Interesse an Supermärkten von Kaiser's Tengelmann geäußert hat, nannte die Entscheidung schlecht für das Gros der Betroffenen. Edeka und mit einigem Abstand Rewe sind die Platzhirsche im Lebensmitteleinzelhandel.

Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt erklärte: „Ich sehe die Übernahme von Kaisers Tengelmann durch Edeka mit großer Skepsis.“ Der Lebensmittel-Einzelhandel sei schon jetzt sehr stark konzentriert, und das nehme nun noch zu. „In der Konsequenz drohen dauerhafte Nachteile für die Verbraucher und die Landwirtschaft.“ Er sehe die Gefahr, dass die marktmächtigen Unternehmen die Preise diktieren, sowohl bei den Zulieferern, als auch an den Regalen für die Kunden.

Auch die Verbraucherzentralen kritisierten, mit der Entscheidung gewinne Edeka noch mehr Marktmacht, und das könnte zu Lasten der Verbraucher und auch der Vielfalt in den Läden gehen. Der Bauernverband fürchtet, dass seine Mitglieder durch die Fusion als Lieferant der Ketten noch stärker unter Druck geraten. Die Grünen-Abgeordnete Kerstin Andreae rechnet zudem mit einer Fortdauer der Zitterpartie um den Zusammenschluss.

 

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Prognose: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifrunde der Chemieindustrie: Gewerkschaft fordert mehr Lohn
26.04.2024

Im Tarifstreit in Ostdeutschlands Chemieindustrie fordert die Gewerkschaft IG BCE eine Lohnerhöhung von 7 Prozent. Arbeitgeber warnen vor...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - das Angebot der Essenskuriere ist kaum noch überschaubar. Wer am Markt letztlich bestehen wird,...