Die Bundeswehr hat den Kampf gegen die Terror-Miliz IS im Januar und Februar mit 134 Tornado-Aufklärungsflügen unterstützt. Für wie viele Bombardements in Syrien und im Irak die gewonnenen Daten genutzt wurden und wie viele Kämpfer und Zivilisten dabei ums Leben kamen, lässt sie aber im Dunkeln. „Der Bundesregierung liegen hierüber keine eigenen Erkenntnisse vor“, teilte das Verteidigungsministerium in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion.
Der Tornado-Einsatz hatte am 8. Januar begonnen. Inzwischen sind sechs der Aufklärungsjets im türkischen Incirlik stationiert. Die Einsätze dauerten zusammen 402 Stunden. 40 Prozent der Aufklärungsziele lagen in Syrien, 60 Prozent im Irak. Die Daten werden 19 Staaten der Anti-IS-Koalition zur Verfügung gestellt. Darunter sind nicht nur Nato-Partner sondern auch arabische Länder wie Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Daten werden auch von der Türkei genutzt, die in Syrien nicht nur den IS, sondern auch die Kurden-Miliz YPG bekämpft. Die YPG ist der bewaffnete syrische Ableger der Terror-Organisation PKK.
Auf die Frage, ob eine Verwendung der Tornado-Daten für solche Angriffe ausgeschlossen werden kann, antwortete das Verteidigungsministerium: „Die Aufklärungsergebnisse werden mit dem Freigabevermerk ,For Counter-Daesh Operation only‘ (Nur für die Anti-IS-Operaion) versehen. (...) Grundsätzlich wird im vertrauensvollen Miteinander mit den Partnernationen davon ausgegangen, dass diese sich an diese zweckgebundene Verwendung der Aufklärungsergebnisse halten.“
Dass die Bundeswehr „keine eigenen Erkenntnisse“ über die Bombardements hat, bedeutet nicht, dass sie nichts weiß. Im Hauptquartier der Anti-IS-Koalition in Katar sind fünf deutsche Offiziere stationiert, die auch Einblick in die Operationsführung erhalten, „um den Einsatz der eigenen deutschen Kräfte im Rahmen des Mandats des Deutschen Bundestags auszuführen“, wie das Verteidigungsministerium auf eine weitere Anfrage der Grünen antwortete.
Die Bomben-Angriffe in Syrien und im Irak wurden in den vergangenen Wochen von Kampfjets der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Jordaniens und anderer Länder geflogen. Die Bundesregierung hatte darauf verzichtet selbst Jagdbomber zu schicken. Neben Tornados ist sie mit Tankflugzeugen an dem Einsatz beteiligt.
Nach den Recherchen von Airwars.org, einem Projekt von Journalisten, sollen seit August vergangenen Jahres zwischen 2316 und 3046 Zivilisten bei 357 Bombardements der Koalition getötet worden sein. Die Koalition habe den Tod von Zivilisten nur für sieben dieser Bombardements selbst eingeräumt, heißt es auf der Internetseite.
Die Opposition protestierte gegen die Informationspolitik des Verteidigungsministeriums. „Wenn die Bundesregierung ihre fünf Bundeswehroffiziere nur abstellt, um Daten zu liefern, ohne wissen zu wollen, was mit ihnen im Krieg geschieht, handelt sie in höchster Weise unverantwortlich“, sagt Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Katja Keul. „Wegschauen entbindet die Bundesregierung nicht von ihrer Mitverantwortung, sollten die durch deutsche Tornados gewonnenen Daten missbräuchlich eingesetzt werden.“
Die Linke hält vor allem die Informationsweitergabe an die Türkei für problematisch. „Es ist total naiv und verantwortungslos, jetzt immer noch der Erdogan-Regierung zu vertrauen, angesichts des schmutzigen Krieges, den sie gegen die Kurden auch in Syrien führt“, sagt Außenexperte Jan van Aken. „Ich befürchte, dass die Bundeswehr hier Beihilfe leistet für den Krieg der türkischen Regierung gegen die Kurden.“ Dafür gebe es aber kein Mandat des Bundestags.