Politik

EU will nur noch symbolisch Flüchtlinge aufnehmen

Lesezeit: 2 min
21.04.2016 16:48
Die EU will monatlich nur noch 1.100 Flüchtlinge aus der Türkei aufnehmen. Uneinigkeit herrscht über den Verteilungsschlüssel. Einem Fahrplan zufolge soll Deutschland 100 Flüchtlinge pro Monat aufnehmen. Polen, die Slowakei und Ungarn sind kategorisch gegen eine Aufnahme.
EU will nur noch symbolisch Flüchtlinge aufnehmen

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

In der EU gibt es erstmals konkrete Pläne für die geregelte Aufnahme von Syrien-Flüchtlingen aus der Türkei. Ein am Donnerstag bekannt gewordenes Papier sieht einen Verteilungsschlüssel für zunächst vier Monate vor. Deutschland würde demnach monatlich 100 Syrien-Flüchtlinge aufnehmen, die derzeit in der Türkei leben. Insgesamt könnten aus dem Land in den ersten Monaten jeweils rund 1100 Menschen nach Europa umgesiedelt werden. Es sei gut, dass die Zahlen nicht so hoch seien, kommentierte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bei einem Treffen mit Amtskollegen in Luxemburg.

Nach den offiziellen Zahlenvorschlägen würden die meisten Flüchtlinge pro Monat in Norwegen (218), Frankreich (148) und Italien (118) aufgenommen. Deutschland sei allerdings bereit, freiwillig auch rund 200 Menschen aus dem Syrien-Konflikt monatlich aufzunehmen. Die Zusagen würden sicherlich übererfüllt, hieß es aus Regierungskreisen.

Ob die Planungen der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft offiziell bestätigt werden, blieb zunächst unklar. Ein ausdrücklicher Ministerbeschluss ist dafür nicht notwendig, da sie auf verbindlichen Aufnahme-Zusagen beruhen, die die EU-Staaten und drei andere europäische Länder bereits im vergangenen Sommer gemacht hatten.

Hintergrund der Verteilungspläne ist der seit dem 20. März geltende Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei. Es sieht die Rückführung nahezu aller Migranten vor, die illegal aus der Türkei auf griechische Inseln übersetzen. Für jeden Syrer, der von den griechischen Inseln in die Türkei zurückgebracht wird, soll im Gegenzug ein Syrer legal und auf direktem Wege in die EU umgesiedelt werden.

Noch offen ist, wie es nach den ersten vier Monaten weitergehen könnte. Der EU-Türkei-Plan sieht vor, dass zunächst bis zu 72 000 Syrer aus der Türkei in die EU umgesiedelt werden können.

Der luxemburgische Minister Jean Asselborn kritisierte unterdessen die Veröffentlichung der Zahlenpläne. Das an die Öffentlichkeit gelangte Papier erweckt demnach den falschen Eindruck, dass Luxemburg nur zwei Syrer pro Monat aufnehmen werde. „Wir haben 7 Funktionäre vor Ort. Die sind da, um die ersten 50 und dann wieder 50 aufzunehmen“, kommentierte Asselborn.

Aus Verhandlungskreisen hieß es, dass mit dem Zahlenvorschlag natürlich nicht ausgeschlossen werde, dass Länder mehr Syrer aus der Türkei aufnehmen könnten. Er solle lediglich Planungssicherheit schaffen und dafür sorgen, dass sich alle Staaten an Zusagen aus dem Sommer 2015 hielten. Sie sind Basis der Pläne.

Widerstand kam dagegen nach Angaben aus EU-Kreisen aus den Ländern Polen, Tschechien und der Slowakei. Ungarn ist von dem Vorschlag nicht betroffen, weil die Regierung in Budapest im vergangenen Sommer keine konkrete Zusage für die Aufnahme von Flüchtlingen aus Lagern in Drittstaaten gemacht hatte.

Gerald Knaus, Leiter des Think Tanks „European Stability Initiative“ (ESI), berät seit Monaten Angela Merkel. Er hatte bereits im Oktober einen Fahrplan zur Lösung der Flüchtlingsfrage vorgelegt, an der sich die Kanzlerin orientiert. Es sei „im Hintergrund eine viel radikalere Idee bereits weitgehend ausgehandelt“ und diese wird „vermutlich sehr bald bekannt gegeben“ werden, so Knaus. Er meint, dass eine „Koalition der Willigen“ 900 Syrer pro Tag übernehmen werde – „unabhängig davon, wie viele Syrer nach Griechenland übersetzen“. Damit käme man auf etwa 300.000 Menschen im Jahr.

Ob es in den EU-Staaten in naher Zukunft zu einer großangelegten Aufnahme von Flüchtlingen kommen wird, bleibt unklar.

 


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Unternehmensflucht stoppen: AfD-Forderungen scheitern im Bundestag
13.10.2024

Immer mehr deutsche Firmen wandern ins Ausland ab. Hohe Energiekosten, Steuern, Bürokratie und Fachkräftemangel setzen Unternehmen unter...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weinlese: Winzer in Deutschland ernten weniger Trauben im Vergleich zum Vorjahr
13.10.2024

Die Weinlese wird in Deutschland in diesem Jahr voraussichtlich erheblich geringer ausfallen als im Vorjahr. Das Statistische Bundesamt in...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Hidden Champions: 5 Dinge, die Anleger von den unsichtbaren Marktführern lernen können
13.10.2024

Hidden Champions sind meist unbekannte Marktführer in hochspezialisierten Märkten. Gegenüber der Konkurrenz haben sie jedoch...

DWN
Politik
Politik Trumps Zölle sind eine Chance für Harris
13.10.2024

Obwohl die Handelspolitik viel diskutiert wird, bleibt die Debatte oft oberflächlich und nationalistisch gefärbt. Statt sich auf die...

DWN
Politik
Politik Politisches Duell im EU-Parlament: Von der Leyen und Orbán im scharfen Schlagabtausch - wie kam es dazu?
13.10.2024

Die Auseinandersetzung zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán erreichte im...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Online-Handel: Umsätze stagnieren - Verbraucher halten sich zurück
13.10.2024

Auch der Online-Handel dümpelt vor sich hin. Nach den Boom-Jahren während der Corona-Krise ist die schlechte Verbraucherstimmung nun auch...

DWN
Politik
Politik Monatliche Meldepflicht für Bürgergeld-Empfänger: Neue Regelung im Fokus
13.10.2024

Die Ampel-Regierung plant eine monatliche Meldepflicht für arbeitslose Bürgergeld-Empfänger, um ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quishing: Wie gefälschte QR-Codes zur unsichtbaren Bedrohung für Unternehmen werden
13.10.2024

Kriminelle nutzen täuschend echte QR-Codes, um Daten zu stehlen – von manipulierten Bank-Briefen bis zu gefälschten Codes an...