George Osborne sagte am Donnerstag bei einem Parlamentshearing in London, dass er mit Freude die Ankunft von Mark Carney als neuem Chef der Bank of England erwarte. Carney, bis Juli noch Gouverneur der kanadischen Zentralbank, sei ein anerkannter Experte und werde die „internationale Sichtweise und Meinung über innovative Ziele der Zentralbanken“ vorantreiben. Dazu gehöre auch, dass das derzeitige Inflationsziel von 2 Prozent aufgegeben werden sollte. Die Zentralbanken sollten sich nicht mehr nur als Hüter der Währungsstabilität verstehen, sondern vor allem dafür sorgen, dass den „nominalen Wachstumszielen Priorität“ verliehen werden solle. Zwar habe die bisher begrenzte Inflations-Marke dem Land gute Dienste geleistet und ein Abgehen von der Marke müsse gute Gründe vorweisen können – doch diese wird Carney nach Osbornes Einschätzung schon finden.
Am Mittwoch hatte die US-Notenbank Fed erstmals die Koppelung ihrer Entscheidungen an die Arbeitslosenzahlen bekanntgegeben (hier). Beobachter sehen in Osbornes Erklärung ein Eingeständnis, dass die bisherige Strategie der Notenbanken nicht funktioniert habe. Eben erst hatte die Ratingagentur Standard&Poor’s den Ausblick für Großbritannien auf negativ gesetzt –wegen schlechter Wachstumsaussichten.
Osbornes Ankündigung einer höheren Inflation zeigt ebenso wie die Maßnahmen von Ben Bernanke, dass die Zentralbanken mit ihrer Strategie des Gelddruckens nicht mehr weiterkommen. Denn bisher war die Geldvermehrung stets damit gerechtfertigt worden, dass das Geld ohnehin niemals in der Realwirtschaft ankomme. Das stimmt auch: Die zusätzlichen Mittel haben diverse Blasen verursacht und den Banken geholfen, ihre Bilanzen vor dem Kollaps zu bewahren. Arbeitsplätze wurden durch die Segnungen keine geschaffen.
Es könnte also sein, dass die Zentralbanken nach all dem theoretischen „financial engineering“ nun zur archaischen Methode der Schulden-Beseitigung durch Inflation übergehen wollen. Für die Europäische Zentralbank (EZB) ist die neue Strategie aus dem angelsächsischen Raum eine spezielle Herausforderung. Ihre Rolle ist bisher ausschließlich die der Sicherung der Geldwertstabilität gewesen. EZB-Chef Mario Draghi ist daher darauf erpicht, die Bankenunion im Euro-Raum voranzutreiben. Er sagte am Donnerstag, dass die Beschlüsse der EU ein erster Schritt seien (man kann sie auch eher als Rohrkrepierer sehen – hier). Nun müssen die Banken aber unter das Dach der EZB-Kontrolle schlüpfen, mit wirksamen Sanktionen auch gegenüber nationalen Banken-Sündern.
Das klingt gut, bedeutet aber im Klartext: Weil die radikalen Sparpläne in den meisten Staaten nicht durchsetzbar sind, muss es zur Beendigung der Schuldenkrise zu einer Zusammenlegung der Schulden kommen. Daher sehen die deutschen Finanzexperten wie der Wirtschaftsweise Bofinger auch einen gemeinsamen Schuldentilgungsfonds als unausweichlich an (hier). Bei Bloomberg setzen sich mehrere deutsche Regierungsberater für eine rasche Einführung dieses Fonds ein und äußerten die Zuversicht, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Wahl im Herbst 2013 einlenken und dieser Lösung zustimmen werde.
Eine Zusammenlegung der Schulden ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass das Hinweg-Inflationieren der Schulden auch europaweit funktioniert. Denn nur so können die deutschen Sparer adäquat an einer Beseitigung der europäischen Schuldenlast durch eine höhere Inflation beteiligt werden.