Schriftliche Stellungnahme der Deutschen Bundesbank anlässlich der öffentlichen Anhörung des Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen zu einem Antrag der Fraktion der FDP „Mündige Bürger nicht immer mehr bevormunden und unter Generalverdacht stellen – Keine rigide Höchstgrenze für Zahlungen mit Bargeld einführen“ (Drucksache 16/9597) sowie zu einem Antrag der Fraktion der PIRA- TEN „Bargeld – Freiheit – Privatsphäre – PUNKT! Keine Obergrenze für Barzahlungen!
– Wehret der schleichenden Abschaffung des Bargelds und einem weiteren Schritt hin zum Überwachungsstaat“ (Drucksache 16/11217, Neudruck):
Die Bundesbank hat einen gesetzlich verankerten Sorgeauftrag für den Zahlungsverkehr und die Zahlungssysteme. In der Wahrnehmung dieser Verantwortung beobachtet sie die aktuellen Überlegungen zu einer Obergrenze für Bargeldtransaktionen und bewertet die vorgebrachten Argumente neutral und nach gesamtwirtschaftlichen Kriterien.
Die Bedeutung des Bargeldes kann durch den Bargeldumlauf gemessen werden, der den Wert des sich im Besitz von Verbrauchern, Unternehmen und Geschäftsbanken befindlichen Bargeldes widerspiegelt. Zum Ende des Jahres 2015 hatten die nationalen Zentralbanken im Euro-Währungsgebiet rund 1.109 Milliarden Euro an Bargeld (etwa 1.083 Milliarden Euro in Form von Euro- Banknoten sowie etwa 26 Milliarden Euro in Form von Euro-Münzen) emittiert.
Der Bargeldumlauf lässt sich einerseits in Transaktionskasse und die Hortung, andererseits in Inlands- und Auslandsnachfrage aufteilen. Die Transaktionskasse umfasst Banknoten, die von Unternehmen und Verbrauchern für die Durchführung von Transaktionen gehalten werden, während Banknoten der Hortung zuzurechnen sind, wenn sie der Wertaufbewahrung dienen. Die Auslandsnachfrage umfasst die Transaktionskasse sowie Hortung außerhalb des Emissionslandes. Bezogen auf den von der Bundesbank emittierten Teil des Euro-Banknotenumlaufs von insgesamt rund 553 Milliarden Euro (Stand 31.12.2015) wird geschätzt, dass knapp 10 Prozent für Transaktionszwecke gehalten und 20 Prozent im Inland gehortet werden. Von den verbleibenden 70 Prozent befinden sich schätzungsweise 20 Prozent-Punkte in anderen Ländern der Europäischen Währungsunion und rund 50 Prozent-Punkte in Ländern außerhalb des Euro-Raums.
Bargeld ist das einzige gesetzliche Zahlungsmittel in Deutschland sowie in der Europäischen Währungsunion. Folglich sind Barzahlungen ein wichtiger Bestandteil des Wirtschaftslebens. Rund 80 Prozent aller Bezahlvorgänge an der Ladentheke erfolgen in Deutschland mit Bargeld.
Darüber hinaus ist Bargeld der deutlichste Ausdruck für die europäische Integration und stellt einen Vertrauensanker der Bürger in ihre Währung dar. Dies wurde zum Beispiel in der Finanzkrise deutlich, als die Nachfrage nach Bargeld wegen seiner Eignung als Wertaufbewahrungsmittel stark stieg.
Das Bundesfinanzministerium hat eine Obergrenze für Barzahlungen in Höhe von 5.000 Euro ins Spiel gebracht. Barzahlungsbeschränkungen sollen helfen, Terrorismusfinanzierung, Steuerhinterziehung und Geldwäsche zu erschweren. Das BMF stützt sich bei seiner Empfehlung auf die „Dunkelfeldstudie über den Umfang der Geldwäsche in Deutschland und über die Geldwäscherisiken in einzelnen Wirtschaftssektoren“ von Prof. Dr. Bussmann (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg).
Obgleich es bereits in mehreren Euroländern Barzahlungsgrenzen gibt (Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Slowakei, Spanien), hat nach unserer Kenntnis bisher eine systematische Evaluierung dieser Beschränkungen nicht stattgefunden. Auch sind der Bundesbank keine wissenschaftlichen Untersuchungen bekannt, die die Wirksamkeit von Barzahlungsgrenzen zweifelsfrei belegen oder zumindest einen signifikanten Zusammenhang nachweisen. Somit ist weiterhin unklar, inwieweit Barzahlungsbeschränkungen tatsächlich helfen, unwillkommene Aktivitäten zu reduzieren.
Allgemein gilt, dass auch rechtstreue Verbraucher bei wertvollen Waren ein Interesse an der Verwendung von Bargeld als Zahlungsmittel haben können. Mit Bargeld kann direkt Zug um Zug bezahlt werden, das heißt eine Ware oder eine Dienstleistung kann sofort und unmittelbar erworben werden. Rechtstreue Verbraucher haben außerdem auch bei wertvollen Waren ein legitimes Interesse an informationeller Selbstbestimmung. Euro-Banknoten sind zudem das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel und für Anleger die einzige Möglichkeit, sicheres Zentralbankgeld zu halten, das grundsätzlich keinen Ausfallrisiken unterliegt.
Die Einführung einer Barzahlungsobergrenze würde dazu führen, dass Banknoten diese Qualität des unbeschränkten gesetzlichen Zahlungsmittels verlören und die Bürger ab einem bestimmten Betrag auf Giralgeld ausweichen müssten. Dieses ist aber kein Zentralbankgeld und daher mit Ausfallrisiken verbunden, wie es sich in der Finanzkrise gezeigt hat. Auch vor diesem Hintergrund ist eine Einführung von Barzahlungsgrenzen sehr sorgfältig zu diskutieren.
Die EZB und die nationalen Zentralbanken des Euro-Raums beschäftigen sich aktuell mit der weiteren Ausgabe von 500-Euro-Banknoten. Die damit verbundenen Konsequenzen werden zurzeit fachlich untersucht. Der EZB-Rat hat in dieser Angelegenheit noch keine Entscheidung getroffen. Insgesamt gibt es sowohl Argumente für wie auch gegen die Bereitstellung von Banknoten in hoher Stückelung. Beispielsweise sind Banknoten mit hohem Nennwert besonders gut zur Wertaufbewahrung geeignet und werden deshalb von In- und Ausländern stark nachgefragt. Außerdem verringern hohe Stückelungen die Produktionskosten für Banknoten und erleichtern die Logistik hinsichtlich der Verteilung und Lagerung. In letzter Zeit berichten Strafverfolgungsbehörden andererseits, 500-Euro-Banknoten würden verstärkt für kriminelle und terroristische Zwecke verwendet. Die Bundesbank unterstützt alle Maßnahmen, die kriminelle oder terroristische Aktivitäten erschweren. Es bestehen aber Zweifel, ob eine Abschaffung der 500-Euro-Banknoten tatsächlich einen Beitrag zu einer Bekämpfung derartiger Aktivitäten leisten kann. Ein Kausalzusammenhang zwischen der Verfügbarkeit von Banknoten mit hohem Nennwert und den genannten unwillkommenen Aktivitäten ist uns nicht bekannt.
Für die Glaubwürdigkeit des Euro als gesetzliches Zahlungsmittel wäre es schädlich, wenn die aktuellen Diskussionen zum Bargeld, zu der auch die mögliche Abschaffung der 500- Euro-Banknote zählt, den Eindruck in der Bevölkerung erwecken würde, ihr würde nach und nach das Bargeld entzogen.
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