Politik

Saudi-Arabien wird zu den Verlierern der Öl-Krise zählen

Die Preise für Erdöl werden nach Ansicht von Dora Borbély, Rohstoffanalystin bei der DekaBank, zum Ende des Jahres wieder deutlich steigen. Die Strategie Saudi-Arabiens, über einen dauerhaft niedrigen Ölpreis Marktanteile zu verteidigen, werde deshalb nicht zum Erfolg führen. Eine Schlüsselrolle dabei spielt die amerikanische Fracking-Industrie.
25.05.2016 00:34
Lesezeit: 2 min

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wir stellen seit einigen Wochen eine gewisse Stabilisierung beim Ölpreis fest – worauf führen Sie diese zurück?

Dora Borbély: Ein deutliches Überangebot am Rohölmarkt hat seit Mitte 2014 zu einem ausgeprägten Verfall der Rohölpreise geführt. Der Rückgang auf unter 50 US-Dollar je Barrel hat bewirkt, dass einige Unternehmen, insbesondere in den USA, nicht mehr kostendeckend fördern können. Das Ölangebot wird demnach ausgehend von den Nicht-OPEC-Ländern, insbesondere den USA, gedrosselt werden. Erste Anzeichen hierfür sind sichtbar: Die US-Ölförderung ist auf unter 9 Millionen Barrels gefallen. Die Ölpreise stabilisieren sich.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ist diese Entwicklung nachhaltig?

Dora Borbély: Die Bodenbildungsphase der Ölpreise kann einige Monate anhalten und auch starke Schwankungen mit sich bringen. Denn erst wenn die hohen Lagerbestände nennenswert abgebaut werden – aufgrund eines knapper werdenden Angebots bei weiter zunehmender Nachfrage – werden die Rohölpreise nachhaltig ansteigen. Das erwarten wir eher für Ende 2016 bzw. für das Jahr 2017.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Glauben Sie, dass die Erdöl-Produzenten eine gemeinsame Strategie finden werden?

Dora Borbély: Nicht einmal die OPEC-Länder  finden eine gemeinsame Strategie. Daher verliert das Kartell an Zusammenhalt, an Macht und an Einfluss und ist kaum noch relevant für den Ölmarkt. Die Anpassung an das neue Gleichgewicht am Ölmarkt wird diesmal über marktwirtschaftlich agierende Unternehmen in den USA vollzogen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Saudi-Arabien hat deutlich an Marktanteilen verloren – wie weit kann dieser Trend gehen?

Dora Borbély: Die Auswirkungen des neuen saudi-arabischen Ölministers auf die Ölpreisentwicklung sind unklar. Der Wechsel kann aber als Zeichen für das Scheitern der saudi-arabischen Ölpolitik nach dem Ölpreisverfall seit Mitte 2014 gewertet werden. Die Strategie der Verteidigung von Marktanteilen kann, wenn überhaupt, nur zeitweise funktionieren. Sollten die Ölpreise wieder nennenswert steigen, werden die US-Förderer wieder in dem Markt zurückkehren und verhindern, dass die Ölpreise wieder auf alte Höhen ansteigen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Eine Baisse bei den Rohstoffen hat in der Regel sehr langfristige Wirkungen wegen der Investitionszyklen. Wie sehen Sie dies?

Dora Borbély: Die bis zur Finanzkrise deutlich gestiegenen Preise haben damals eine Investitionswelle im Rohstoffsektor losgetreten. Inzwischen wurden die Produktionskapazitäten bei vielen Rohstoffen sogar so spürbar ausgeweitet, dass nicht nur die steigende Nachfrage problemlos bedient werden kann, sondern zunehmend Überkapazitäten bei der Rohstoffproduktion entstanden sind. Die Folge war ein einige Jahre lang herrschender Abwärtstrend der Rohstoffpreise. Dieser dürfte sich seinem Ende zuneigen. Das inzwischen niedrige Preisniveau bewirkt, dass die Investitionstätigkeit stark abgebremst wird. In Verbindung mit der anhaltenden Zunahme der globalen Rohstoffnachfrage werden die Rohstoffpreise daher längerfristig wieder steigen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche Folgen müssen wir bei den Schwellenländern erwarten?

Dora Borbély: Die Wachstumsdynamik ist in den meisten Schwellenländern unbefriedigend. Die Rohstoffexporteure leiden unter ihren Überkapazitäten und dem starken Rückgang der Rohstoffpreise seit Mitte 2014. Die Schwäche des Welthandels belastet den Ausblick auch für jene Länder, die stark auf den Export verarbeiteter Güter setzen. Trotz aller Probleme liegen die Wirtschaftswachstumsraten in den meisten Ländern über denen, die in den hochentwickelten Staaten zu beobachten sind.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wo sehen Sie China in diesem Kontext? Im Grunde erleben wir hier doch eher eine Transformation – oder ist es eine Blase?

Dora Borbély: Die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums auf ein Niveau von 6-7 Prozent ist nach unserer Einschätzung strukturell. Die Regierung hat als mittelfristiges Wachstumsziel für die Jahre bis 2020 eine Rate von 6,5 Prozent festgelegt. Obwohl die Infrastruktur-Investitionen noch immer einen wichtigen Beitrag zur Stützung der Konjunktur liefern, kommt der angestrebte Umbau der Wirtschaft voran: Der Dienstleistungssektor steuert mittlerweile über 50 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. Die Regierung will den angestrebten Umbau der Wirtschaft durch eine schrittweise Liberalisierung und Öffnung des Finanzsystems unterstützen. Doch sowohl beim Währungsregime als auch am Aktienmarkt und im Schattenbankensystem wird immer wieder deutlich, wie schwierig es ist, Marktkräften ein höheres Gewicht zu geben, wenn gleichzeitig die Schwankungen gering gehalten werden sollen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kursgewinne oder Verluste: Anleger hoffen auf drei entscheidende Auslöser für Börsenrally
18.07.2025

Zölle, Zinsen, Gewinne: Neue Daten zeigen, welche drei Faktoren jetzt über Kursgewinne oder Verluste entscheiden. Und warum viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wenn Kunden nicht zahlen: So sichern Sie Ihre Liquidität
18.07.2025

Alarmierende Zahlen: Offene Forderungen in Deutschland sprengen die 50-Milliarden-Euro-Marke. Entdecken Sie die Strategien, mit denen Sie...