Politik

EU setzt Merkel unter Druck: Deutschland kann Glyphosat verbieten

Lesezeit: 2 min
06.06.2016 00:13
Die EU-Kommission hat den Ball in der Diskussion um das Pestizid Glyphosat an die Nationalstaaten zurückgespielt: Länder wie Deutschland könnten nach der neuen Regelung das Pestizid verbieten. Tatsächlich haben sich die Staaten mittlerweile angewöhnt, bei unangenehmen Entscheidungen einfach die EU als Sündenbock vorzuschieben.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die mögliche Verlängerung der Zulassung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat in Europa über den 30. Juni hinaus beschäftigt am Montag erneut einen Fachausschuss der EU in Brüssel (wahrscheinlich ab 10 Uhr). Weil sich die EU-Mitgliedstaaten bislang nicht auf eine mehrheitsfähige Position einigen konnten, schlägt die EU-Kommission jetzt eine vorläufige Verlängerung der Glyphosat-Zulassung um bis zu eineinhalb Jahre vor.

In dieser Zeit soll die Europäische Chemikalienagentur mit einer neuen Studie Klarheit schaffen, ob Glyphosat krebserregend ist oder nicht. Ob am Montag eine Entscheidung fällt, war im Vorfeld noch nicht klar.

Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, die Zulassung für Glyphosat nach ihrem Auslaufen Ende Juni „vorläufig um weitere 12 bis 18 Monate“ zu verlängern. „Bis dahin soll ein Gutachten der europäischen Chemikalienagentur ECHA abschließend klären, ob der Wirkstoff Krebs erregen kann“, so die Kommission. Damit stellt die EU-Kommission selbst die Prüfung der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) in Frage. Diese kam Ende des vergangenen Jahres zu dem Schluss, dass Glyphosat wahrscheinlich nicht krebserregend ist. Ähnliches hatte auch das Deutsche Institut für Risikoforschung mitgeteilt. Aus zahlreichen Ländern kam jedoch Kritik an der Feststellung der Efsa. Zuletzt hatte das EU-Parlament eine Offenlegung der EFSA-Untersuchung zu Glyphosat gefordert.

Gleichzeitig wies die EU-Kommission – auch mit Blick auf die ungeklärte deutsche Position zu Glyphosat – darauf hin, dass eine Genehmigung im eigenen Land weiter dem Mitgliedsstaat selbst unterliege. „Einige Mitgliedstaaten haben sich dagegen gesträubt, eine Position einzunehmen. Ich denke, es ist wichtig, eines klarzustellen: Sobald ein Wirkstoff genehmigt oder auf EU-Ebene erneuert wird, ist es an den Mitgliedstaaten, die Endprodukte (die Herbizide und Pestizide selbst) auf ihren jeweiligen Märkten zu genehmigen“, sagte Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis:

„Die EU-Zulassung eines Wirkstoffs bedeutet nur, dass die Mitgliedstaaten solche  Pflanzenschutzmittel in ihrem Hoheitsgebiet genehmigen können, aber sie sind nicht dazu verpflichtet. Die Mitgliedstaaten, die keine auf Glyphosat basierenden Produkte verwenden wollen, haben die Möglichkeit, ihre Verwendung zu beschränken. Sie brauchen sich nicht hinter der Entscheidung der Kommission zu verstecken. Wenn es jedoch keine EU-Zulassung gibt, haben die Mitgliedstaaten keine andere Wahl mehr: Die Zulassung gilt bis zum 1. Juli. Sollte es keine Erneuerung geben, wären die  Mitgliedstaaten verpflichtet, die Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Glyphosat enthalten, vom Markt zu nehmen.“

In einer zweiten Entscheidung soll dann noch über eine generelle Verschärfung für die Verwendung von Glyphosat abgestimmt werden. Die EU-Kommission plant das Verbot gefährlicher Beistoffe (POE-Tallowamine), die Minimierung des Einsatzes in öffentlichen Parks, Spielplätzen und Gärten sowie die Minimierung vor der Ernte.

„Als Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit möchte ich betonen, dass für mich ein hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt, wie durch die EU-Gesetzgebung vorgesehen, an erster Stelle steht“, sagte Andriukaitis abschließend. Zugleich sei er zutiefst davon überzeugt, dass die Entscheidungen auf der Grundlage der Wissenschaft getroffen werden sollten, nicht nach politischer Zweckmäßigkeit.“


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...