Politik

Zuerst Russland, dann die Türkei: Deutsche Wirtschaft verliert wichtige Märkte

Lesezeit: 2 min
13.06.2016 14:33
Die deutsche Außenpolitik wird zum substantiellen Problem für die deutsche Wirtschaft. Nach Russland droht nun das Wegbrechen des türkischen Marktes. Er ist einer der letzten Wachstumsmärkte in Europa. Das bisher florierende Geschäft könnte nun von anderen übernommen werden.
Zuerst Russland, dann die Türkei: Deutsche Wirtschaft verliert wichtige Märkte

Gernot Heller von Reuters hat in einer interessanten Analyse zusammengefasst, wie die geopolitischen Spannungen der deutschen Wirtschaft zu schaffen machen. Nach Russland droht ein weiterer, wichtiger Wachstumsmarkt verloren zu gehen (Altkanzler Schröder hat das Problem erkannt und fordert dringend ein Umsteuern in der deutschen Außenpolitik):

Der Ton zwischen Deutschland und der Türkei wird immer schärfer und droht die florierenden Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Staaten zu belasten. Dabei galt die Türkei mit ihren Wachstumsraten zwischen drei und vier Prozent im Jahr bislang als großer Zukunftsmarkt für deutsche Firmen. "Mit der Türkei könnte uns einer der letzten großen Wachstumsmärkte unter den Schwellenländern verloren gehen", fürchtet nun DIHK-Aussenwirtschaftschef Volker Treier. Spüren könne man den Stimmungseinbruch zwischen beiden Ländern in der Wirtschaft schon jetzt. Treier spricht von aufgeschobenen Investitionen, stornierten Reisen von Mittelständlern in das Land am Bosporus, von wachsenden Unsicherheiten.

Es ist nicht nur der Streit über die Armenien-Resolution des Bundestages oder der Umgang von Präsident Recep Tayyip Erdogan mit Kritikern und die anderen Meinungsverschiedenheiten, die die Dynamik des Güter- und Investitionsaustauschs zwischen beiden Ländern belasten. "Das ist vielschichtiger", erläuterte Treier. Unternehmen reagierten auch auf die Anschläge der vergangenen Wochen in der Türkei, die allgemein wachsende Unsicherheit dort, und einen Trend zu mehr Protektionismus. "Generell ist das Bild unterschiedlich", erläuterte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie und Handelskammertages (DIHK). Während die großen deutschen Konzerne mit langjährigen Kontakten sich kaum beirren ließen, zeige die Entwicklung bei vielen Mittelständlern Wirkung. Dennoch hofft Treier, dass allzu massive Bremseffekte vermieden werden können. Das "Wurzelwerk" der Beziehungen sei sehr dicht.

FÜR DIE TÜRKEI IST DEUTSCHLAND WICHTIGSTER HANDELSPARTNER

Geraten die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen unter Druck, ist das für die Türkei, mehr noch als für Deutschland, eine gefährliche Sache. Für die Türkei ist Deutschland der weltweit wichtigste Wirtschaftspartner mit einem Volumen im bilateralen Handel von fast 37 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Für Deutschland dagegen steht das Land in der Rangliste der größten Export- und Importländer lediglich auf Rang 17.

Bislang florierte das Geschäft in beide Richtungen. Die türkischen Exporte nach Deutschland wuchsen 2015 um rund acht Prozent auf 14,4 Milliarden Euro, während die Importe aus Deutschland sogar um das doppelte zulegten, um gut 16 Prozent auf 22,4 Milliarden Euro. Zudem ist Deutschland der größte ausländische Investor am Bosporus. Auf mehr als 6500 beläuft sich mittlerweile die Zahl der deutschen Firmen und Unternehmensbeteiligung in der Türkei - quer durch die Branchen.

AUCH DEUTSCHLAND MUSS UM IMPULSE FÜRCHTEN

Anderseits leben in Deutschland rund drei Millionen Menschen türkischer Herkunft. Von 96.000 türkischstämmigen Unternehmern mit rund 500.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund 50 Milliarden Euro sprechen amtliche deutsche Stellen. Damit sind sie in Deutschland, abseits von Handel und Auslandsinvestitionen, ein gewichtiger Wirtschafsfaktor.

Für die deutsche Wirtschaft sind die Erschütterungen in den deutsch-türkischen Beziehungen ein weiteres Alarmsignal. Schon die Ukraine-Krise mit ihren Folgen hat den deutschen Firmen in den vergangenen beiden Jahren ein sprudelndes Handelsgeschäft vermiest: Um mehr als ein Drittel gingen die Exporte nach Russland seitdem zurück. Auch die Geschäfte der Deutschen mit China laufen nicht mehr wie geschmiert, weil die Wachstumskraft der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft nachgelassen hat.

Im Tourismus, der für die Türkei extrem wichtig ist, sprechen bereits die Zahlen eine klare Sprache. Im April sackte die Zahl der Auslandsbesucher um 28 Prozent auf 1,75 Millionen ab. Dabei war Deutschland mit 15 Prozent Anteil zwar immer noch die größte Besucher-Nation, allerdings ging die Zahl deutscher Urlauber um gut ein Drittel zurück.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Anzeige
DWN
Technologie
Technologie Ein großer Fortschritt bei der betrieblichen Effizienz

Wie können Sie ganz einfach neue Maßstäbe für die Produktivität in Ihrem Unternehmen setzen?

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft USA: Gewinne der Unternehmen steigen auf Rekordhoch
30.09.2023

Trotz historisch hoher Zinsen können die USA eine Rezession offenbar vermeiden. Die Gewinne der Unternehmen sind auf ein neues Rekordhoch...

DWN
Politik
Politik Politik und Krankenkassen ruinieren den Medikamentenmarkt
30.09.2023

Seit etwa fünfzehn Jahren gibt es in Europa immer wieder Probleme bei der Versorgung von Patienten mit Medikamenten. Diese Situation wird...

DWN
Politik
Politik Milliardengrab Bundeswehr
29.09.2023

Der neueste Fehlgriff um Funkgeräte, die nicht in die Fahrzeuge passen, für die sie vorgesehen waren, ist nur das jüngste Beispiel für...

DWN
Politik
Politik Elon Musk kritisiert deutsche Migranten-Transporte nach Italien
30.09.2023

Tesla-Gründer Elon Musk hat kritisiert, dass deutsche Schiffe massiv illegale Migranten nach Italien transportieren, und spricht dabei von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Saudi-Arabien hält an Förderkürzungen fest – dies könnte sich auszahlen
29.09.2023

Saudi-Arabien treibt die Ölpreise in die Höhe, wirtschaftlich wie strategisch profitiert aber vor allem Russland. Seine jetzige...

DWN
Finanzen
Finanzen Sicherer Hafen? Ob sich Goldaktien lohnen
29.09.2023

Gold kratzte im Jahr 2023 am Allzeithoch. Doch Goldminenaktien notieren deutlich unter den Höchstständen von 2011. Bietet sich hier eine...

DWN
Politik
Politik Hausbesitzer sollen Heizung mieten, um Klima zu retten
29.09.2023

Die Klima-Sanierung der Heizung ist für viele Haus- und Wohnungseigentümer nicht bezahlbar. Daher kommt die Miete in Mode. Doch auch...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Wie Chinas Dynamik erstickt wird
29.09.2023

Die wirtschaftliche Transformation Chinas zeigt einen Wandel hin zur innovationsgetriebenen Wirtschaft. Die Vorstellung, dass Demokratie...