Politik

Wirtschafts-Krise: Russland schickt Gastarbeiter nach Hause

Lesezeit: 3 min
20.06.2016 01:08
Die Krise der russischen Wirtschaft hat dazu geführt, dass Russland viele Gastarbeiter aus Zentralasien mangels Arbeit nach Hause schicken musste. Nun besteht die Gefahr, dass viele von ihnen einen Job bei Söldner-Gruppen suchen könnten. Russland droht die Destabilisierung.
Wirtschafts-Krise: Russland schickt Gastarbeiter nach Hause

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Aufgrund der Wirtschaftskrise geht die Zahl der Arbeitsplätze in Russland zurück. Insbesondere die Hauptstadt Moskau, wo viele Gastarbeiter aus Zentralasien tätig sind, ist betroffen von der dieser Entwicklung. Viele der Arbeitsmigranten aus Zentralasien (Kasachstan, Usbekistan, Kirgisien, und Tadschikistan) kehren mittlerweile zurück in ihre Heimatländer, wo sie keinerlei Perspektiven haben. Dem US-Analysten Noah Tucker zufolge leben in Russland sieben Millionen Gastarbeiter aus Zentralasien.

„Die wirtschaftlichen Bedingungen in Russland sind hart. Doch sie sind weitaus schlechter in den Ländern, wo die Migranten herkommen. Es gibt auch eine große Kluft zwischen den Gehältern in Russland und den Heimatländern der Arbeitsmigranten. Das führt zwangsläufig dazu, dass sich die Menschen nach Jobs in Russland umschauen“, zitiert Russia Beyond the Headlines Wladimir Mukomel, den Migrations-Experten an der Hochschule für Wirtschaft in Moskau.

Die Migration aus den Ländern Zentralasien ist mittlerweile um ein Drittel zurückgegangen. Die Jobs der Gastarbeiter aus Zentralasien bekommen die Migranten aus der Ukraine, zitiert die russische Online-Zeitung CA-News den russischen Analysten Sergej Balmasov. Ausschlaggebend soll der Rubel-Verfall sein, der mit dem Ölpreis-Verfall einherging. „Normalerweise haben Arbeitsmigranten 20.000 bis 30.000 Rubel [etwa £315] im Monat zu erwarten (…). Doch wenn du ein Teil deines Geldes in die Heimat schicken willst, musst du mindestens 40.000 bis 50.000 Rubel pro Monat verdienen“, zitiert der Guardian den Arbeitsmigranten Suyun Usmanov, der aus Usbekistan kommt. Die Notenbank in Moskau meldet, dass die Geldsendungen der Arbeitsmigranten in ihre Heimatländer im vergangenen Jahr drei Millionen Dollar betrugen. Ein Jahr zuvor lag diese Summe noch bei 5,6 Milliarden Dollar.

Erschwerend kommt hinzu, dass Russland im vergangenen Jahr Änderungen beim Arbeitsgesetz vorgenommen hat. Wer eine Arbeitserlaubnis will, muss umfassende Gesundheitstests durchführen lassen. Weitere Voraussetzungen sind die Vorlage einer privaten Krankenversicherung, eine Steuernummer und das Bestehen eines russischen Sprachtests, der auch Wissen über die russische Geschichte und die heimischen Gesetze beinhaltet. All diese Voraussetzungen müssen innerhalb eines Monats vorgelegt werden. Andernfalls erhalten die Arbeitsmigranten eine Strafe von 10.000 Rubel, so der Guardian.

Aufgrund dieser Bedingungen zieht es viele der Arbeitsmigranten vor allem in die Türkei und nach Dubai. Mittlerweile leben in der Türkei 50.000 Arbeitsmigranten aus Usbekistan. Allerdings werden sie bei jeder Einreise von den türkischen Behörden nach möglichen Verbindungen zur Terror-Miliz ISIS überprüft. Eine andere alternative Destination für die Arbeitsmigranten aus Rusland ist Südkorea. In Südkorea leben mittlerweile 16.500 Arbeitsmigranten aus Usbekistan. Sie verdienen zwischen 1.500 und 2.500 Dollar pro Monat.

Nach Informationen des russischen Statistikamts (Rosstat) ist die Anzahl der Migration aus den GUS-Staaten nach Russland zwischen 2014 und 2015 um 14.500 Personen zurückgegangen. Während im Jahr 2014 insgesamt 194.900 Personen aus den GUS-Staaten Russland verließen, erhöhte sich diese Anzahl im Jahr 2015 auf 227.800 Personen.

Die meisten dieser Menschen kehren in ihre Heimatländer zurück, die sich in Zentralasien befinden. Dort werden viele von ihnen arbeitslos sein. Das macht sie dafür anfällig, von internationalen Söldnertruppen gegen ein gutes Gehalt angeworben zu werden. Söldner aus Zentralasien spielen bereits im Syrien-Konflikt eine wichtige Rolle.

„Die Staaten der ehemaligen UDSSR bilden nach Westeuropa und der Nahe Osten das drittgrößte Kämpferkontingent von ausländischen Kämpfern in Syrien (…). Es ist offensichtlich, dass Zentralasiaten eine wichtige Rolle beim Konflikt spielen“, berichtet Tucker. Der finanzielle Aspekt soll hierbei eine wichtige Rolle für die Kämpfer spielen. Nach Angaben des Kremls kämpfen in Syrien zwischen 5.000 und 7.000 Zentralasiaten.

Unklar bleibt, ob internationale Söldnertruppen Zentralasiaten auch gegen Russland einsetzen werden. Der US-Beratungsfirma Geopolitical Futures zufolge steht Zentralasien kurz vor einer Destabilisierung. Es sei unmöglich, dass Zentralasien „inmitten eines Ozeans des Chaos“ als eine „Insel der Stabilität“ bestehen bleibt.

In der vergangenen Woche haben Unbekannte in der Grenzregion zwischen Kasachstan und Russland einen Anschlag verübt. Dabei kamen vier Zivilisten und drei kasachische Soldaten ums Leben. Der Präsident Kasachstans Nursultan Nazarbajew machte radikale Islamisten für den Anschlag verantwortlich. Wenig später wurden fünf Personen, die für den Anschlag verantwortlich gemacht wurden, von den Sicherheitskräften getötet. Die Suche nach mutmaßlichen Mittätern geht weiter. Nazarbajew sagte, dass die Attentäter den Befehl für den Anschlag „aus dem Ausland“ erhalten hätten, berichtet AFP.

The Atlantic berichtete bereits im Jahr 2013, dass der Truppenabzug der Amerikaner aus Afghanistan Zentralasien und Russland destabilisieren werde. Der Terrorismus aus Afghanistan werde in jene regionalen Nachbarländer überschwappen. Deshalb müsse der Westen mehr tun, um die Sicherheit Zentralasiens, also der Länder Kasachstan, Usbekistan, Kirgisien, und Tadschikistan, zu garantieren.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Machtkampf in Ostasien: „Shangri-La“ im Zeichen der Konfrontation
08.06.2023

Der Machtkampf der USA mit China prägt die Sicherheitskonferenz Shangri-La Dialogue in Singapur. Für Ostasien steht viel auf dem Spiel....

DWN
Politik
Politik Rundfunkgebühr: Ministerpräsidenten erteilen neuen Geldforderungen klare Absage
08.06.2023

Die Forderung des SWR-Intendanten und derzeitigen Vorsitzenden der ARD, Kai Gniffke, nach einer Erhöhung der Rundfunkgebühren, stößt...

DWN
Finanzen
Finanzen Schweizer Parlament gibt grünes Licht für Credit-Suisse-Untersuchung
08.06.2023

Das Schweizer Parlament macht den Weg frei für eine Untersuchung zum Zusammenbruch der Credit Suisse. Nun müssen Bankmanager fürchten,...

DWN
Politik
Politik Faeser: „Müssen das Europa der offenen Grenzen retten“
08.06.2023

Vor dem Treffen der EU-Innenminister hat sich Nancy Faeser (SPD) für eine Reform des Asylsystems stark gemacht. Grüne und Linke warnen...

DWN
Politik
Politik Trump wegen Geheimunterlagen-Affäre im Visier der Ermittler
08.06.2023

Seit Monaten untersucht ein Sonderermittler den Fund streng geheimer Geheimdienstunterlagen bei Ex-Präsident Trump. Über den Stand der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unternehmensinsolvenzen: Vor allem junge Firmen sind betroffen
08.06.2023

Laut Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) sind derzeit vor allem junge Unternehmen von der Pleite betroffen. Insgesamt ging rund ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Russlands hohe Öl-Exporte riskieren Streit mit OPEC
07.06.2023

Russland hat eigentlich eine Drosselung seiner Rohöl-Förderung angekündigt. Doch die Exporte auf dem Seeweg sind weiter stark. Nun...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitaler Euro: Rechtsrahmen steht noch in diesem Monat
07.06.2023

Die Einführung eines digitalen Euro nimmt immer mehr an Fahrt auf. Dabei will die Europäische Kommission noch in diesem Monat Vorschläge...