Finanzen

Bundeshaushalt: Massive Sozial-Ausgaben blockieren Investitionen

Lesezeit: 2 min
06.07.2016 01:02
Die Sozialausgaben sind so hoch wie nie zuvor und werden künftig weiter steigen. Schon jetzt entfallen auf sie über die Hälfte aller Ausgaben des Bundes – obwohl so viele Deutsche arbeiten wie nie zuvor. Beobachter warnen vor schweren Einschnitten bei den Zukunfts-Investitionen in Bildung und Infrastruktur.
Bundeshaushalt: Massive Sozial-Ausgaben blockieren Investitionen

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Bundesregierung lädt ihren Nachfolgerinnen mit den Sozialausgaben eine hohe Bürde auf. 2017 sollen die Sozialausgaben im Bundeshaushalt von 51,0 auf 52,0 Prozent steigen. Rechnet man die Zinsausgaben heraus, sind es sogar 55,3 Prozent - ein neuer Rekord. Zugleich sind aber auch so viele Menschen in Arbeit wie noch nie, wie Reuters berichtet.

Allmählich wird es deshalb selbst Regierungs-Vertretern mulmig. Schließlich stehen Steuergelder, die in die Rentenkasse oder in den Gesundheitsfonds fließen, nicht mehr für anderes bereit wie Zukunftsinvestitionen in Forschung und Entwicklung oder die Sanierung von Schulen, Schienen und Straßen. „Die Entwicklung der Sozialleistungsquote ist problematisch“, warnt der haushaltspolitischen Sprecher der Unions-Fraktion, Eckhardt Rehberg. Allein der Bundes-Zuschuss zur Rentenversicherung, das Arbeitslosengeld II und der Zuschuss zum Gesundheitsfonds machen bereits 40 Prozent der jährlichen Gesamtausgaben des Bundes aus.

Dabei sollte es in guten konjunkturellen Zeiten doch eigentlich anders sein, sagt der Etat-Experte des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Martin Beznoska. Wenn die Wirtschaft brummt, sollten die Sozialausgaben sinken. Schließlich sind dann weniger Menschen arbeitslos und füllen viele Arbeitnehmer die Sozialkassen. Weit gefehlt, denn seit Jahrzehnten klettert die Quote fast immer nach oben: 1990 lag sie noch bei 27,2 Prozent, 1995 bei 38,0 Prozent, 2000 bei 41,2 Prozent, 2005 bei 51,2 Prozent und 2010 dann bei 53,8 Prozent. Danach sank die Quote leicht und steigt nun in den kommenden Jahren wieder an.

Hinter den zahllosen Zuschüssen, Hilfen, Subventionen und Absicherungen, die der Bund finanziert, stecken sicher viele sinnvolle Ziele. Allerdings warnen Etat-Experten wie Rehberg, dass das Geld dafür zunächst einmal erarbeitet werden muss und der Haushalt nicht die Balance verlieren darf: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht durch falsche Weichenstellungen einen Trend verfestigen, der uns sowohl im nächsten Abschwung als auch langfristig auf die Füße fallen kann“, sagt er: „Ich sehe es kritisch, dass wir in wirtschaftlich guten Zeiten einen so deutlichen Anstieg der Sozialleistungsquote zulassen.“ Für weitere Wohltaten gebe es weder Notwendigkeit noch Spielraum.

Dass die Quote wieder steigt, wird je nach politischer Meinung als Verdienst oder als Versagen der jetzigen Koalition gewertet. Unbestritten ist aber, dass Schwarz-Rot bei den Sozialausgaben ranklotzt. So listete Finanzminister Wolfgang Schäuble in einem Brief an die Koalitionsfraktionen auf, was 2017 geplant ist oder weiterfinanziert wird: „Dazu zählen die Erhöhung des Wohngeldes, das Elterngeld-Plus mit Partnerschaftsbonus, die abschlagsfreie Altersrente ab 63, die 'Mütterrente', die Lebensleistungsrente und eine verbesserte Erwerbsminderungsrente.“ Dazu kommt die Erhöhung des Zuschusses an den Gesundheitsfonds um 500 Millionen auf 14,5 Milliarden Euro. Insgesamt steigen die Sozialausgaben damit von 161,5 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 171,0 Milliarden Euro 2017.

Ewig fortsetzen lasse sich der Trend nicht, warnt Beznoska. Grund dafür ist der demografische Wandel, der Mitte der 20er-Jahre voll auf die Staats- und Sozialkassen durchschlagen wird. Darauf spielte auch Schäubles Chefvolkswirt Ludger Schuhknecht an, der im Frühjahr in einer Fach-Debatte eine Parallele zu China zog, das ebenfalls mit einer alternden Bevölkerung kämpft. Dort sei der Ausgangspunkt aber ein anderer: „Denn wir haben hier dieses umfassende soziale Sicherungssystem, das schon jetzt sehr teuer ist, und zwar noch bevor sich die eigentlichen Probleme der alternden Gesellschaft richtig einstellen.“

Die Weichen in die Gegenrichtung stellen wird die jetzige Koalition nicht mehr. Im Herbst 2017 wird gewählt, und keine Partei will Wähler vergraulen. Beznoska zufolge wird es dann allerdings höchste Zeit, den Hebel wieder umzulegen. „Die nächste Legislaturperiode wird der Vorabend des demografischen Wandels sein“ warnt er. Und außerdem: Wenn die Spielräume im Etat wegen der hohen Sozialausgaben immer kleiner würden, werde auch die „schwarze Null“ immer schwerer zu halten sein. Spätestens im nächsten Abschwung werde sich das zeigen.

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...