Politik

Opfer München: Deutsche, Kosovo-Albaner, Türken, ein Grieche

Lesezeit: 3 min
23.07.2016 15:15
Die Opfer des Amokläufers von München sind zum großen Teil Ausländer. Die Polizei hält es für möglich, dass der 18-jährige Täter über Facebook zu einer Party eingeladen haben könnte. Ein Bezug zum IS oder Flüchtlingen wird von den Behörden ausgeschlossen. Angela Merkel drückte den Angehörigen ihr Mitgefühl aus.
Opfer München: Deutsche, Kosovo-Albaner, Türken, ein Grieche

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der Todesschütze von München war nach polizeilichen Erkenntnissen ein 18-jähriger Einzeltäter ohne terroristischen Hintergrund: Der Deutsch-Iraner, der am Freitagabend zunächst neun Menschen und sich dann selbst erschossen hatte, habe sich intensiv mit dem Thema Amoklauf beschäftigt, sagte Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä am Samstag. Bei den Opfern des Angriffs handelte es sich zu einem großen Teil um Menschen ausländischer Herkunft.

Der 18-jährige Schüler David Ali S. war offenbar wegen psychischer Probleme in Behandlung. Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund oder einen Bezug zur Dschihadisten-Organisation Islamischer Staat (IS) gebe es nicht, sagte Andrä. Die Staatsanwaltschaft geht nicht von einer „politischen Motivation“ aus. Es handele es sich um einen „klassischen Amoktäter“, sagte Thomas Steinkraus-Koch von der Staatsanwaltschaft München I.

Nach Angaben des Präsidenten des bayerischen Landeskriminalamts, Robert Heimberger, gibt es Hinweise darauf, dass der Täter einen Facebook-Account geknackt haben könnte, um gezielt Jugendliche zu der McDonalds-Filiale nahe des Olympia-Einkaufszentrums im Norden Münchens zu locken. „Er würde da spendieren, was sie wollen, aber nicht so teuer. Das war wohl die Einladung“, sagte der LKA-Chef. Beweise für diese These liegen nicht vor.

Drei der Opfer waren Kosovo-Albaner, drei Türken und eines Grieche. Es handelt sich größtenteils um junge Menschen. Acht der Getöteten waren nach Angaben der Polizei zwischen 14 und 20 Jahre alt. Das neunte Opfer war 45 Jahre alt. Unter den Getöteten sind demnach drei Frauen. Für die These, dass der Täter gezielt auf ausländisch aussehende Opfer schoss, können die Ermittler keinen Erkenntnisse vorlegen.

Andrä verwies darauf, dass am Freitag der fünfte Jahrestag der Tat des norwegischen rechtsextremen Attentäters Anders Behring Breivik gewesen sei und sich der Täter von München intensiv mit dem Thema Amoklauf auseinandergesetzt habe. Insofern liege eine „Verbindung auf der Hand“.

Der Deutsch-Iraner nutzte für seine Tat eine 9mm Glock-Pistole. Diese habe der 18-Jährige offenbar illegal besessen, da die Seriennummer der Waffe ausgefeilt war, sagte Heimberger. Eine Erlaubnis für die Pistole besaß der Täter nicht. Wo die Waffe herkommt, ist den bisherigen Erkenntnissen zufolge noch offen.

Wie oft der Täter geschossen habe, sei ebenfalls noch unklar, sagte Heimberger. Untersucht werden muss demnach anhand von Videoaufnahmen auch, ob der Amokläufer ein geübter Schütze war. Ausgerüstet war der 18-Jährige den Erkenntnissen zufolge mit hunderten Schuss Munition.

Die Eltern des Täters waren Andrä zufolge bis Samstagmittag nicht vernehmungsfähig. Der Täter lebte gemeinsam mit seinem Bruder und den Eltern in einer Wohnung in München. Die Wohnung ist von der Polizei durchsucht worden. Dabei wurden auch Materialien aus dem Zimmer des Täters sichergestellt.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kündigte einen Trauerakt für den 31. Juli im bayerischen Landtag an. Aus Respekt vor den neun Todesopfern und ihren Angehörigen sagte die Landesregierung den Festakt zur Eröffnung der Bayreuther Festspiele am Montag ab.

Seehofer sprach von einem „schweren Schicksalsschlag für alle in ganz Bayern“. Die weltweiten Reaktion zeigten, „wir sind in unserer Trauer in diesen schweren Stunden nicht allein“. Am Samstagnachmittag hielt der Ministerpräsident gemeinsam mit mehreren Ministern eine Gedenkminute am Tatort ab.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte in einem ersten Statement die Einsatzkräfte für ihre «hoch professionelle» Arbeit gelobt. «Sie waren und sind im besten Sinne Helfer und Beschützer der Bürgerinnen und Bürger», sagte sie am Samstagnachmittag in Berlin.

Die Zusammenarbeit der Behörden Bayerns und des Bundes habe «eng und nahtlos» funktioniert. Nun gehe es darum, die Morde vollständig aufzuklären.

Nach der Bluttat eines 18-Jährigen in einem Münchner Einkaufszentrum am Vorabend trauere Deutschland «mit schwerem Herzen um die, die nie mehr zu ihren Familien zurückkehren werden». Merkel sagte an die Adresse der Angehörigen: «Wir denken an Sie, wir teilen Ihren Schmerz, wir leiden mit Ihnen.»

Die Tat sei umso schwerer zu verkraften, als sie in eine Zeit der Schreckensnachrichten falle - vor gut einer Woche der Terrorangriff von Nizza, wenig später «der unfassbar grausame Axtangriff in einem Zug bei Würzburg».

Merkel erinnerte aber auch an viele Gesten der Hilfe in München. «Sie haben damit gezeigt, wie wir in einer freien und mitmenschlichen Gesellschaft zusammenleben.» In dieser Freiheit und Mitmenschlichkeit «liegt unsere Stärke», betonte die Kanzlerin. Es sei angesichts vieler Beileidsbekundungen aus anderen Ländern «gut zu wissen, dass es auch unter Völkern diese Solidarität gibt».

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn: Neues Streitthema köchelt seit dem Tag der Arbeit
04.05.2024

Im Oktober 2022 wurde das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro die Stunde erhöht. Seit Jahresanfang liegt es bei 12,41 Euro, die von...

DWN
Technologie
Technologie Deutsches Start-up startet erfolgreich Rakete
04.05.2024

Ein deutsches Start-up hat eine Rakete von zwölf Metern Länge entwickelt, die kürzlich in Australien getestet wurde. Seit Jahrzehnten...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Robert Habeck sollte endlich die Kehrtwende vollziehen - im Heizungskeller Deutschlands
03.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Finanzen
Finanzen Wirtschaftsstandort in der Kritik: Deutsche Ökonomen fordern Reformen
03.05.2024

Deutschlands Wirtschaftskraft schwächelt: Volkswirte geben alarmierend schlechte Noten. Erfahren Sie, welche Reformen jetzt dringend...

DWN
Politik
Politik Rheinmetall-Chef: Deutschland muss Militärausgaben um 30 Milliarden Euro erhöhen
03.05.2024

Armin Papperger, der CEO von Rheinmetall, drängt darauf, dass Deutschland seine Militärausgaben um mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Indische Arbeitskräfte im Fokus: Deutschland öffnet die Türen für Fachkräfte
03.05.2024

Die Bundesregierung strebt an, einen bedeutenden Anteil der indischen Bevölkerung nach Deutschland zu holen, um hier zu arbeiten. Viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Wie lege ich mein Geld an – wichtige Tipps für Anfänger
03.05.2024

Die Tipps zur Geldanlage können wirklich spannend sein, besonders wenn es darum geht, die eigenen finanziellen Ziele zu erreichen und eine...

DWN
Politik
Politik Die Bundesregierung macht Russland für den Cyberangriff auf SPD verantwortlich
03.05.2024

Im Januar des Vorjahres wurden die E-Mail-Konten der SPD von Hackern attackiert. Die Bundesregierung gibt nun "eindeutig" Russland die...