Knapp zwei Wochen nach dem Anschlag von Nizza ist Frankreich erneut Ziel eines islamistischen Anschlags geworden. Zwei Männer stürmten am Dienstag während der Morgenmesse in eine katholische Kirche im Nordwesten, ermordeten einen Priester und verletzten einen Gottesdienstbesucher schwer, wie der Pariser Staatsanwalt François Molins sagte. Die beiden Angreifer, die sich zur Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bekannten, wurden erschossen.
Die beiden mit Messern bewaffneten Männer drangen am Morgen in die Kirche von Saint-Etienne-du-Rouvray bei Rouen ein, in der sich der Priester, drei Nonnen und zwei Gemeindemitglieder befanden. Die Männer schnitten dem 1930 geborenen Priester die Kehle durch und verletzten einen 86-jährigen Gottesdienstbesucher schwer am Hals.
Eine der Nonnen konnte laut Molins entkommen und die Polizei alarmieren. Diese versuchte, durch eine kleine Tür mit den Attentätern zu verhandeln, die ihre Geiseln als menschliche Schutzschilde missbrauchten. Schließlich verließen die Nonnen und ein Gottesdienstbesucher die Kirche gefolgt von den Attentätern, von denen einer eine Schusswaffe trug.
Wie der Staatsanwalt weiter berichtete, riefen die Angreifer "Allahu Akbar" (Gott ist groß), bevor sie von den Polizisten vor der Kirche erschossen wurden. Beide Männer hatten Sprengstoffattrappen in Aluminiumfolie umgebunden.
Präsident François Hollande machte sich mit Innenminister Bernard Cazeneuve ein Bild von der Lage vor Ort. Die beiden "Terroristen" hätten sich zum Islamischen Staat (IS) bekannt, sagte Hollande. Auch die IS-Miliz nahm die Attacke für sich in Anspruch: "Zwei Soldaten des Islamischen Staates haben eine Kirche in der Normandie attackiert", erklärte die IS-nahe Agentur Amaq.
Es war der erste Anschlag auf eine katholische Kirche in Europa, zu dem sich der IS bekannte. Die Pariser Anti-Terror-Staatsanwaltschaft zog umgehend die Ermittlungen an sich. Ein 16-jähriger Verdächtiger wurde festgenommen, zwei Wohnungen wurden durchsucht.
Die Ermittler identifizierten einen der beiden Angreifer am Abend als den 19 Jahre alten Adel Kermiche. Er hatte laut Molins im vergangenen Jahr zwei Mal vergeblich versucht, nach Syrien zu reisen. Das erste Mal wurde er im März 2015 in Deutschland, beim zweiten Versuch Mitte Mai 2015 in der Türkei festgenommen. Nachdem er von der Türkei nach Frankreich überstellt worden war, wurde Kermiche in Untersuchungshaft genommen, kam aber unter strengen Auflagen mit einer elektronischen Fußfessel wieder frei.
Laut Molins stand er zum Tatzeitpunkt bei seinen Eltern unter Hausarrest und durfte deren Wohnung nur wenige Stunden am Vormittag verlassen. Der zweite Angreifer wurde bislang nicht offiziell identifiziert.
Hollande rief die Franzosen in einer abendlichen Fernsehansprache zum Zusammenhalt auf. Mit Geschlossenheit würden die Franzosen "den Krieg gegen den Hass und den Fanatismus gewinnen". Premierminister Manuel Valls sprach von einem "barbarischen Angriff", der "ganz Frankreich und alle Katholiken" schockiert habe.
Der Vatikan verurteilte den "barbarischen Mord" und sprach von "grauenvoller Gewalt". Hollande telefonierte später mit Papst Franziskus. Die französische Bischofskonferenz rief die Katholiken in Frankreich für Freitag zu einem "Tag des Fastens und des Gebets" auf. Auch die Vertreter der jüdischen und muslimischen Religionen verurteilten die Tat.
Frankreichs konservativer ehemaliger Staatschef Nicolas Sarkozy forderte eine "tiefgreifende Änderung" im Kampf gegen den Terrorismus. Die Vorsitzende der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, machte "all jene, die uns seit 30 Jahren regieren", für die Tat verantwortlich.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, erklärte, die Täter hätten "Hass zwischen den Religionen" schüren wollen, doch würden sich die Christen "der Atmosphäre von Hass und Gewalt nicht anschließen". Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) beklagte, der "fanatische, mörderische Hass macht jetzt noch nicht einmal Halt vor Gotteshäusern und Gläubigen". Die US-Regierung verurteilte die "schreckliche terroristische Attacke".