Politik

Erdogan bei Putin: Der Westen hat uns im Stich gelassen

Der türkische Staatschef Erdogan hat kurz vor Antritt seines Besuchs bei Kreml-Chef Putin gesagt, dass der Westen im Gegensatz zu Russland die Türkei in der Putschnacht im Stich gelassen habe. Zwischen Ankara und Moskau soll ein neues Kapitel in den Beziehungen eröffnet werden.
08.08.2016 16:20
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan sprach am Montag anlässlich seines Staatsbesuchs in Moskau mit der Nachrichtenagentur Tass. „Das ist ein historischer Besuch und ein Neubeginn. Ich denke, dass während des Treffens mit meinem Freund Wladimir in den bilateralen Beziehungen ein neues Kapitel eröffnet wird. Es gibt viel, was beide Staaten gemeinsam machen können (…). Ohne die Beteiligung Russlands, ist die Lösung des Syrien-Konflikts nicht möglich“, so Erdogan.

In einem Gespräch mit dem ersten stellvertretenden Direktor von Tass, Mikhail Gusman, kritisierte Erdogan den Westen und Europa. „Aus irgendeinem Grund legt der Westen zweierlei Maß an und deutet an, dass die Türkei ihren säkularen Charakter verlieren wird. Doch das ist unwahr. Man sollte die Türkei nicht mit Vorurteilen behandeln“, zitiert die Tass Erdogan.

Am selben Tag hatte Erdogan die Haltung des Westens während des Putschversuchs kritisiert. In einem Interview mit der Zeitung Le Monde sagte er:

„Der Westen steht im Widerspruch zu den Werten, die es zu vertreten angibt. Der Westen muss Solidarität mit einer Türkei zeigen, die die demokratischen Rechte verteidigt. Doch sie haben uns leider alleine gelassen. Der Westen darf keinen Zweifel an der Anzahl der Festgenommenen und Suspendierten haben (…). Wen wir suspendieren oder nicht suspendieren bleibt uns überlassen. Wir kämpfen hier gegen einen Putschversuch und gegen den Terrorismus. Der Westen muss verstehen, welcher Herausforderung wir gegenüberstehen (…). Wir hatten es hier nicht mit einer normalen Terrorattacke zu tun. Es wurden 240 Menschen getötet, 2.200 Menschen wurden verletzt. Die gesamte Welt hat sich nach dem Charlie Hebdo-Angriff solidarisch gezeigt. Unser Premier nahm damals am Protestmarsch in Paris teil. Ich hätte mir gewünscht, dass die westlichen Führer dieselbe Solidarität auch in Bezug auf die Ereignisse in der Türkei zeigen und sich nicht mit Clichee-Verurteilungen des Putsches begnügen (…). Als mich Putin angerufen hat, hat er mich nicht nach den Bürokraten und Soldaten gefragt, die suspendiert wurden. Er hat uns in dieser Angelegenheit nicht kritisiert. Doch alle Europäer fragen mich, warum so und so viele Soldaten und Bürokraten suspendiert oder inhaftiert wurden. Wenn sie sich eine Meinung erlauben wollen, hätten sie hier vor Ort sein müssen. Das Parlament und der Geheimdienst wurden bombardiert. Der Präsidentenpalast wurde von Jets angegriffen und es gab dort sechs Tote. Die EU-Mitglieder müssen ihre Beziehungen mit der Türkei verbessern. Wir warten seit 53 Jahren auf eine Mitgliedschaft. Einzig allein die EU ist verantwortlich und schuldig. Kein Land außer der Türkei wurde derart behandelt. Bei meiner ersten Teilnahme an einem EU-Gipfel gab es lediglich 15 Mitglieder.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...