Finanzen

Raiffeisenbank verlangt erstmals Strafzinsen von Privatkunden

Die Raiffeisenbank in Gmund am Tegernsee wird ab September die Strafzinsen der EZB an Privatkunden weiterreichen. Der Vorstoß dürfte bei anderen Geldinstituten auf großes Interesse stoßen. Je mehr Banken diesem Beispiel folgen, desto wahrscheinlicher wird eine flächendeckende Einführung.
10.08.2016 22:56
Lesezeit: 1 min

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Das Tabu bröckelt: Eine kleine bayerische Raiffeisenbank verlangt von September an von Privatkunden mit großen Summen auf dem Girokonto einen Strafzins. Josef Paul, Vorstandsmitglied der Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee, bestätigte am Mittwoch, dass die Bank für Beträge von mehr als 100.000 Euro auf dem Girokonto oder dem Tagesgeld-Konto ein „Verwahr-Entgelt“ von 0,4 Prozent erheben werde. „Wir haben alle Großanleger gezielt angeschrieben und ihnen empfohlen, sich Gedanken zu machen“, sagte Paul der Nachrichtenagentur Reuters. „Wenn man keine Anreize schafft, etwas zu verändern, verändert sich auch nichts“, begründete er den Schritt.

Banken zahlen selbst 0,4 Prozent, wenn sie überschüssige Einlagen über Nacht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Auch die DZ Bank, das Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken, verlangt von den angeschlossenen Instituten dafür Zinsen. Bisher haben Banken diese Strafzinsen nur an institutionelle Anleger und Firmenkunden weitergereicht. Für Privatkunden schließen sie die meisten deutschen Geldhäuser offiziell aus. Nur die Skatbank, eine zum Genossenschaftssektor gehörende Direktbank aus dem thüringischen Altenburg, hatte für Beträge über eine halbe Million Euro Negativzinsen eingeführt. Die ebenfalls genossenschaftliche Alternativ-Bank GLS plant im Kampf gegen das Zinstief von den Kunden einen monatlichen „Solidarbeitrag“ zu erheben. Viele Geldhäuser bieten inzwischen keine kostenlosen Girokonten mehr an oder erhöhen die Gebühren für Kontoführung und Kreditkarten.

Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB), dem die 299 Volks- und Raiffeisenbanken im Freistaat angehören, äußert Verständnis für sein Mitglied vom Tegernsee. „Der extreme geldpolitische Kurs der EZB verursacht bei allen Banken erhebliche Kosten. Vor allem die Negativzinsen für das Anlegen überschüssiger Liquidität bei der Zentralbank belasten die Institute zunehmend“, sagte ein Sprecher. Auf Dauer könnten die Banken das nicht selbst tragen. Sie überlegten sich daher Maßnahmen, um die Folgen abzupuffern. „Dazu kann es in letzter Konsequenz auch gehören, einen Auslagenersatz für Einlagen ins Auge zu fassen.“ Der GVB wisse allerdings von keiner Bank, die ähnliche Pläne wie die Raiffeisenbank Gmund verfolge.

Auch ein Sprecher des Sparkassen-Verbandes DSGV sagte, ihm sei kein Fall bekannt, dass eine der 408 deutschen Sparkassen eine Verwahrgebühr von Privatkunden verlangt.

Laut Raiffeisenbank-Vorstand Paul hat der Strafzins schon Wirkung gezeigt. „Ein Teil der Kunden, die wir informiert haben, hat sich für alternative Anlagen entschieden, andere haben ihr Geld zu anderen Banken verlagert.“ Eine Ausweitung auf weniger wohlhabende Kunden sei nicht geplant. Die Raiffeisenbank Gmund ist mit sechs Filialen rund um den Tegernsee und einer Bilanzsumme von 145 Millionen Euro eine der kleineren deutschen Genossenschaftsbanken.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Einigung bei historischem Schuldenpaket: Schwarz-rote Grund­ge­setz­än­de­rungen werden grün
14.03.2025

100 Milliarden Sonderschulden für die Grünen und Klimaneutralität bis 2045 im Grundgesetz: Nach zähen Verhandlungen haben Union, SPD...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Du bist mir eine Marke! Der Erfolg von 130 Jahren Falke-Socken
14.03.2025

Franz-Peter Falke leitet das Familienunternehmen im Sauerland in vierter Generation. Zwischen Wahren der Tradition und Wappnen für die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Betriebsbedingte Kündigung: Was gilt für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?
14.03.2025

Die andauernde Wirtschaftskrise führt in Deutschland zu immer mehr Firmenpleiten und zunehmenden Stellenabbau bei Unternehmen. Damit...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla: Trump-Zölle könnten dem E-Autobauer schaden
14.03.2025

Tesla-Chef Elon Musk gilt als Trump-Unterstützer – doch sein Unternehmen schlägt Alarm. Die Strafzölle der US-Regierung könnten nicht...

DWN
Politik
Politik BSW: neues Wahlergebnis zählt 4.277 Zweitstimmen mehr - trotzdem kein Einzug in den Bundestag
14.03.2025

Das BSW scheitert final am Einzug in den Bundestag: 0,02 Prozent fehlten! Während sich an der Sitzverteilung nichts mehr ändert, treten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unser neues Magazin ist da: Gesund arbeiten und gesund leben? Die Balance auf der Kippe
14.03.2025

Unsere Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Digitalisierung, Globalisierung und die ständige...

DWN
Unternehmen
Unternehmen BMW-Aktie: Gewinn beim Hersteller BMW sackt ab - die ganz fetten Jahre sind vorbei
14.03.2025

Nach Jahren extremer Erträge geht es für die Autohersteller gerade abwärts. Doch selbst nach den aktuellen Einbrüchen verdienen...

DWN
Politik
Politik Grüne blockieren schwarz-rotes Finanzpaket – Streit um Europas Zukunft
14.03.2025

Die Grünen stellen sich gegen das Finanzpaket von Union und SPD. Fraktionschefin Katharina Dröge fordert, Verteidigungs- und...