Finanzen

Deutsche Bank schließt Filialschließungen nicht aus

Die Deutsche Bank will ihr Filialsystem „optimieren“. Derzeit werden bei einem Pilot-Versuch erstmals Geschäftskunden statt vom persönlichen Berater aus der Filiale von einer Telefonzentrale bedient. Mitarbeiter fürchten eine weitere Ausdünnung des Filialnetzes, die Kunden sind irritiert.
04.11.2012 23:15
Lesezeit: 3 min

Die deutsche Bank plant Änderungen in ihrem Filial-Konzept. Dies haben Recherchen der Deutschen Wirtschafts Nachrichten ergeben. Als Vorbote werten Mitarbeiter der Deutschen Bank ein neues Projekt, mit dem die Geschäftskunden nicht mehr von den Filialen, sondern von einem telefonischen Kundenzentrum betreut werden sollen. Das Projekt läuft seit einiger Zeit in mehreren Filialen – und sorgt nach Aussage von Mitarbeitern für erheblichen Unmut bei den Geschäftskunden.

Denn anders als bisher wird der Kunde nun nicht mehr mit dem ihm bekannten Mitarbeiter in der Filiale verbunden: Auch wenn er dessen direkte Durchwahl wählt, landet der Geschäftskunde in einer Zentrale. Diese Praxis, die bei den Privatkunden schon lange üblich ist, hat im Pilotversuch zu vielen Beschwerden geführt, wissen Bank-Mitarbeiter zu berichten. Das ist auch verständlich: Viele mittelständische Unternehmer schlucken die Gebühren, die ihnen die Deutsche Bank aufs Auge drückt – etwa bei per SMS übermittelten TAN oder Auslandsüberweisungen – weil die Kunden es zu schätzen wissen, dass in der Filiale Menschen sitzen, die ihr Unternehmen kennen und die nicht jedes Mal von neuem erklären müssen, worum es ihnen geht.

Genau dort setzt die Kritik der Kunden beim Pilotversuch an: Es nerve die Geschäftskunden gewaltig, wenn sie an anonyme Telefonistinnen geschickt werden, die in der Regel nicht verstehen, worum es in einem mittelständischen Betrieb geht. Vor allem für nicht-deutschsprachige Unternehmer, von denen es wegen der EU-Niederlassungsfreiheit mittlerweile jede Menge in Deutschland gibt, soll das neue System nur schwer zu überwinden sein.

Die Deutsche Bank sieht das Projekt ganz anders. Das Unternehmen teilt auf Anfrage mit: „Die Pilotierung der Unterstützung durch den Telefonischen Kundenservice ist eine Serviceerweiterung für Kunden. Sie verbessert die Erreichbarkeit der Filialen. Der Service ist 24 Stunden und an sieben Tagen in der Woche erreichbar.”

Nach Aussage einer Sprecherin steht das Projekt im Zusammenhang mit der Modernisierung von 50 Filialen bundesweit. Dazu soll das neue Konzept für die Geschäftskunden noch mehr bieten: „Die meisten Kundenanliegen können direkt bearbeitet und zur Zufriedenheit gelöst werden. Berater erhalten dadurch mehr Freiraum für persönliche Kundengespräche und können spezifische Rückrufwünsche anschließend beantworten. Im Rahmen des Pilotprojekts beobachten wir derzeit die Resonanz unserer Kunden.”

Die Mitarbeiter in den Filialen fürchten allerdings, dass die Zentralisierung der Kundenkontakte nur das Vorspiel zu ihrer eigenen Abschaffung ist. Man rechnet mit der Schließung von Filialen: „Wir wurden zwar nicht informiert, worum es bei dem Pilot-Test genau geht, aber es ist klar, dass man Aufgaben von den Filialen abziehen will“, sagt ein Berater, der sich seit vielen Jahren um Mittelständler – Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater – kümmert. Er sieht die Zentralisierung als Problem: „Gerade diesen Berufsgruppen ist enorm geholfen, wenn sie ihren Bankberater persönlich kennen. Sie haben wenig Zeit und es hilft ihnen, dass sie mit jemandem bei der Bank arbeiten, dem sie persönlich vertrauen.“

Die Deutsche Bank will eine Schließung von weiteren Filialen nicht ausschließen. Zwar sei unmittelbar keine im Zusammenhang mit dem neuen Umgang mit den Geschäftskunden geplant. Man prüfe jedoch „laufend Möglichkeiten zur Erweiterung und Optimierung”.

Die Deutsche Bank dürfte eher auf „Optimierung“ denn auf Erweiterung setzen. Denn das Unternehmen hat wenig Zeit: Durch Regulierung, Basel III und Derivaten-Zeitbomben bedroht, will das Unternehmen so schnell als möglich die Gefahrenzone verlassen. Die DB-Bankfilialen sind für Globetrotter wie den neuen Chef Anshu Jain Anachronismen aus einer anderen Welt. In der Welt des Investment-Bankings, in dem die Deutsche Bank weiter eine systemrelevante Rolle spielen will und in der sie wegen des schnellen Profits Milliarden-Strafen riskiert (mehr hier), läuft vieles längst über High-Frequency-Trading, Algorithmen und computergesteuerte Handelssysteme. International geht die Tendenz zu weniger Personal und weniger Bargeld. Bankberater im Anzug und hinterm Tresen werden in diesem System immer mehr zur aussterbenden Spezies. Auch wenn die Deutsche Bank beteuert: „Die Filiale bleibt bei der Deutschen Bank Dreh- und Angelpunkt der Beratung”, – man kommt nicht umhin, an den berühmtesten Finanzberater Deutschlands zu denken: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube (Goethe, Faust I).

Updates 22.12.2012 und 31.1.2013:

Die Deutsche Bank hat den Feldversuch beendet. Ergebnis: Das Ganze funktioniert nicht, die Kunden wollen nicht an den Automaten. Die Mitarbeiter sind vorerst beruhigt. Ob ihr Arbeitsplatz sicher ist, ist nach der Bekanntgabe eines Milliarden-Verlusts eine ganz andere Frage (hier).

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