Finanzen

Rede von Jens Weidmann im Original

Lesezeit: 8 min
29.11.2012 18:28
Bundesbank-Chef Jens Weidmann fordert mehr Engagement der Mitgliedsstaaten bei der Sanierung ihrer Staatsfinanzen. Banken und Wirtschaft müssten in Ordnung gebracht werden - vorher ist an eine Bankenunion nicht zu denken. Hier die Rede Weidmanns im vollen Wortlaut.
Rede von Jens Weidmann im Original

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Rede Berlin | 29.11.2012

Dr. Jens Weidmann Präsident der Deutschen Bundesbank

Finanzsystemstabilität und nachhaltiges Wachstum

Wirtschaftsrat der CDU e.V. Zukunft Europa: Neue Wege, neues Vertrauen, neues Wachstum

1 Staatsschuldenkrise ist im Kern eine Vertrauenskrise

2 Verhältnis von Haftung und Kontrolle von zentraler Bedeutung für Ordnungsrahmen der EWU

3 Anwendungsfall Bankenunion

4 Schluss

1 Staatsschuldenkrise ist im Kern eine Vertrauenskrise

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit knapp drei Jahren hält die Staatsschuldenkrise Europa in Atem. Und nicht nur Europa: Sie gilt auch als ein bedeutendes Risiko für die Erholung der Weltwirtschaft.

Diese Fokussierung auf die Staatsschulden der Länder des Euro-Raums ist insofern zunächst erstaunlich, als andere Länder genauso hohe oder gar noch höhere Schuldenstände aufweisen. So hat z.B. der Schuldenstand der USA mittlerweile 100% des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts überschritten, Japan bewegt sich weit jenseits der 200%. Der Euro-Raum dagegen hat im Durchschnitt eine Schuldenquote von rund 90%.

In diesem Zusammenhang ist aber daran zu erinnern, dass die Kreditwürdigkeit eines Landes die Möglichkeit widerspiegelt, den Kapitalmarkt zur Schuldenaufnahme anzuzapfen. Letztlich sind es hierbei nicht Ratingagenturen oder ominöse Spekulanten, welche durch ihr Handeln die Bonität eines Landes abschließend bewerten, sondern abertausende von Investoren, die Vertrauen in den betroffenen Staat haben und diesem Staat Geld leihen – oder eben nicht, falls das Vertrauen fehlt.

Die Bonitätsbewertung ist beileibe keine reine Zahlenübung, die beim Blick auf den staatlichen Schuldenstand oder das laufende Defizit der öffentlichen Haushalte endet. Im Gegenteil: Die Kreditwürdigkeit eines Landes ist vielmehr zu allererst eine Einschätzung zu der Frage, ob ein Land den politischen Willen, den rechtlichen und politischen Rahmen – der mit seinen inhärenten Verschuldungsanreizen im Euro-Raum eben ein anderer ist, weil die Folgen unsolider Politik leichter auf andere abgewälzt werden können –, die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie die verwaltungstechnischen Fähigkeiten hat, ausreichend hohe Einnahmen zu generieren, um Zinszahlungen zeitgerecht zu leisten und um fällige Schulden zurückzuzahlen oder diese durch neu aufzunehmende Schulden zu ersetzen.

Glaubwürdigkeit und Vertrauen spielen daher auf dem Markt für Staatsanleihen eine ganz entscheidende Rolle. Je geringer das Vertrauen der Anleger in die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und den politischen Willen eines Landes ist, Schulden zuverlässig zu bedienen, desto höher ist der von dem Land für die Schuldenaufnahme zu zahlende Zins.

Diese einleitenden Ausführungen sollen vor allem deutlich machen, dass es sich bei der Staatsschuldenkrise in Europa auch und insbesondere um eine Glaubwürdigkeits- und Vertrauenskrise handelt.

Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind jedoch nicht nur für die staatliche Kreditaufnahme von zentraler Bedeutung. Sie sind daneben quasi unsichtbare, jedoch elementare Bausteine einer jeden funktionierenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Der Grad an Glaubwürdigkeit und Vertrauen speist sich hierbei aus einer Vielzahl von Quellen. Eine wichtige dieser Quellen ist der rechtliche und wirtschaftliche Ordnungsrahmen, innerhalb dessen sich die politischen und wirtschaftlichen Prozesse abspielen.

Zu den Prinzipien, die einen funktionsfähigen, freiheitlichen Rahmen ausmachen, gehört unter anderem die Haftung für eigenes Handeln, oder präziser ausgedrückt: das Einstehenmüssen für die Konsequenzen getroffener Entscheidungen und die Freiheit, ebensolche Entscheidungen treffen zu können. In Kurzform geht es um das Verhältnis von Freiheit und Verantwortung oder von Haftung und Kontrolle.

Walter Eucken, Mitbegründer des Ordoliberalismus der Freiburger Schule, sah Haftung als ein konstituierendes Prinzip der Wettbewerbsordnung an. Er unterstrich jedoch gleichzeitig die gesellschaftspolitische Bedeutung der Haftung. In seinem posthum 1952 veröffentlichten Buch „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ heißt es: „Haftung ist nicht nur eine Voraussetzung für die Wirtschaftsordnung des Wettbewerbes, sondern überhaupt für eine Gesellschaftsordnung, in der Freiheit und Selbstverantwortung herrschen.“

Was Haftung und Kontrolle mit der Staatsschuldenkrise im Euroraum und der Stabilität des Finanzsystems zu tun haben, möchte ich im Folgenden noch näher beleuchten.

2 Verhältnis von Haftung und Kontrolle von zentraler Bedeutung für Ordnungsrahmen der EWU

Dass der bisherige Ordnungsrahmen der Europäischen Währungsunion (EWU) eindeutige Schwachstellen hat, ist angesichts der gegenwärtigen Krise offensichtlich. Eine Reform ist daher unumgänglich.

Schaut man sich die im Raum stehenden Vorschläge zur Reform der EWU genauer an, so lassen sich diese insbesondere nach dem Grad der angestrebten Integrationstiefe unterscheiden. Dies betrifft insbesondere die Frage, auf welcher Ebene über finanz- und wirtschaftspolitische Fragen entschieden wird. Sollen es vor diesem Hintergrund also weiterhin die Mitgliedstaaten sein, die letztlich die Entscheidungen treffen – und dafür auch geradestehen müssen? Oder ist es die europäische Ebene, der diese Rolle zukünftig zufallen soll?

In den zurückliegenden gut zweieinhalb Jahren wurde die gemeinschaftliche Haftung aller Mitgliedstaaten für Fehlentwicklungen in einzelnen Mitgliedsländern deutlich ausgeweitet – unmittelbar durch die Rettungsschirme, mittelbar über die Notenbankbilanzen im Zuge geldpolitischer Sondermaßnahmen. Gleichzeitig wurden aber die gemeinschaftlichen Kontrollmöglichkeiten nicht entsprechend verstärkt. Immer noch trifft die nationale Politik letztlich die Entscheidung, obwohl im Zweifelsfall alle anderen für die Folgen mithaften.

Dies zeigt das Beispiel Griechenlands in aller Deutlichkeit. Mit den Beschlüssen von Montagnacht wurde ein Schuldenschnitt zum jetzigen Zeitpunkt vermieden. Stattdessen soll die Schuldenlast Griechenlands über ein Bündel anderer Maßnahmen erleichtert werden: über noch niedrigere Zinsen, über das Strecken von Zahlungsverpflichtungen und über einen Schuldenrückkauf.

Letztlich verzichten die öffentlichen Gläubiger aber auch mit diesen Maßnahmen auf einen Teil ihrer Forderungen, oder sie übernehmen sogar zusätzlich Risiken. Denn damit Griechenland einen Teil seiner Schulden zurückkaufen kann, benötigt es erst einmal die entsprechenden Mittel und damit weitere Kredite.

Das Eurosystem hat nicht auf seine Forderungen verzichtet. Das wäre ein klarer Verstoß gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung gewesen. Stattdessen verpflichten sich die Regierungen zu Transfers, die der Höhe nach den Erträgen entsprechen, die die Notenbanken aus Staatsanleihen im SMP-Bestand erzielen. Diese Zahlungen werden aus allgemeinen Haushaltmitteln bestritten, unabhängig davon, wie hoch der Notenbankgewinn, in den über die Gewinn- und Verlustrechnung die tatsächlichen Erträge aus dem SMP-Portfolio einfließen, in den kommenden Jahren ausfällt. Über den an den Bund abzuführenden Jahresgewinn entscheidet der Bundesbankvorstand jeweils im Februar nach den üblichen Regularien. Das heißt insbesondere, dass zunächst die Wagnisrückstellungen ausreichend dotiert werden müssen.

Dreh- und Angelpunkt des neuen Maßnahmenbündels ist, dass Griechenland die Auflagen der finanziellen Hilfe in den kommenden Jahren nun tatsächlich einhält.

Wenn Griechenland die verabredeten Reformen nicht umsetzt und es nicht gelingt, den Staatshaushalt dauerhaft solide aufzustellen, würde auch die Wirkung der neuen Maßnahmen verpuffen.

Dies soll nicht die bisherigen Erfolge in Abrede stellen: So dürften das Leistungsbilanzdefizit und das Haushaltsdefizit, die 2009 noch gut 14% bzw. fast 16% des BIP betragen hatten, im laufenden Jahr auf 8% bzw. 7% des BIP zurückgehen. Und die Lohnkosten, die in den Jahren vor der Krise um jährlich etwa 4% zugelegt und damit die Wettbewerbsfähigkeit erodiert hatten, sind inzwischen kräftig gesunken. Dazu trägt maßgeblich bei, dass der allgemeine gesetzliche Mindestlohn im Frühjahr 2012 als Vorbedingung für das zweite Hilfspaket um gut ein Fünftel reduziert wurde. Für die Gesamtausgaben des griechischen Staates gilt ähnliches: Während die Ausgaben zwischen 2001 und 2009 im Durchschnitt um 7,7% jährlich wuchsen, betragen sie 2012 voraussichtlich nur noch ca. 80% des Wertes von 2009.

Aber auf vielen Reformfeldern war die Umsetzung bislang mangelhaft, und der vor Griechenland liegende Weg erfordert langen Atem. Die Lehre aus der bisherigen Entwicklung darf nicht heißen: Nicht-Einhaltung von Auflagen führt zu neuen Hilfen. Angesichts des größeren Reformwillens und der Umsetzungserfolge in anderen Ländern würde es nicht überraschen, falls diese Länder nun ähnliche Erleichterungen einfordern. Die Beschlüsse zu Griechenland dürfen aber keine Präzedenzwirkung haben. Sonst wird aus einem besonders gelagerten Transferfall eine Transferunion.

All dies zeigt: Das Verhältnis von Haftung und Kontrolle zwischen nationalstaatlicher und europäischer Ebene ist derzeit nicht austariert. Diese Unwucht beschädigt das Fundament der Währungsunion, die ja als Stabilitätsunion konzipiert wurde.

Prinzipiell sind zwei Wege denkbar, Haftung und Kontrolle wieder auszubalancieren und so die Stabilität der Währungsunion dauerhaft zu sichern. Eine solche Stabilitätsunion ist schließlich unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Geldpolitik sich erfolgreich ihrer Hauptaufgabe widmen kann: die Geldwertstabilität zu sichern.

Entweder man wagt den Sprung zu einer echten Fiskalunion und überträgt haushaltspolitische Souveränität auf die europäische Ebene – zumindest in den Fällen, in denen ein Mitgliedstaat nachhaltig gegen die gemeinsamen Regeln oder Auflagen aus Hilfsprogrammen verstößt. Eine umfassende Gemeinschaftshaftung ist stabilitätspolitisch nur in diesem Rahmen zu verantworten und wenn gleichzeitig sichergestellt werden kann, dass dieser Rahmen auch als Stabilitätsunion gelebt wird.

Oder man versucht, der Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten – die bislang immerhin ein konstitutives Prinzip der Währungsunion ist – in der Praxis wieder mehr Geltung zu verschaffen. Dann kann die finanzpolitische Entscheidungskompetenz weitgehend bei den Mitgliedsländern verbleiben. Gleichwohl bräuchte man bei diesem Ansatz härtere Regeln, die die Mitgliedstaaten frühzeitig zum Gegensteuern zwingen, wenn sich eine unsolide Finanzpolitik oder gesamtwirtschaftliche Fehlentwicklungen abzeichnen.

Und in einem auf Eigenverantwortung bauenden Rahmen muss auch eine staatliche Insolvenz möglich sein. Dieses Verständnis liegt auch den Vereinbarungen zum ESM zugrunde. Voraussetzung für die Gewährung von Finanzhilfen ist die Tragfähigkeit der Staatsschulden, die gegebenenfalls durch eine vorangehende Privatsektorbeteiligung wiederhergestellt werden müsste. Und um diese zu vereinfachen, werden künftig Staatsanleihen mit entsprechenden Vertragsklauseln (CACs) ausgestaltet sein.

Maastricht Plus oder eine Fiskalunion – konsequent umgesetzt würden beide Wege zu einem vernünftigen Gleichgewicht von Haftung und Kontrolle führen. Die Diskussionen der vergangenen Monate haben freilich gezeigt, dass eine klare Richtungsentscheidung der Politik für den einen oder den anderen Weg nicht absehbar ist.

Zwar wurden die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes gehärtet und der Fiskalpakt vereinbart, bei ehrlicher Betrachtung ist eine Rückkehr zu eigenverantwortlicher Finanzpolitik mit gegenseitigem Haftungsausschluss jedoch nicht zu erwarten.

Aber auch der andere Weg in Richtung Fiskalunion wird nicht konsequent beschritten. Zwar gibt es eine breite Koalition der Befürworter von mehr Gemeinschaftshaftung, Eingriffe in die nationale Souveränität werden aber weitgehend abgelehnt.

Noch weitergehende Schritte der Integrationsvertiefung, wie die Fortentwicklung zu einer politischen Union, scheinen innerhalb der europäischen Bevölkerung derzeit erst recht nicht mehrheitsfähig zu sein. Bleibt es dabei, so steht zu befürchten, dass die Währungsunion auf einem Fundament steht, dass nicht stabiler ist als vorher.

Auf einem Gebiet kommt der Umbau der Währungsunion derzeit allerdings voran: auf dem Gebiet der Finanzmarktarchitektur, konkret: dem Projekt einer Bankenunion.

3 Anwendungsfall Bankenunion

Bekanntlich wird zurzeit intensiv daran gearbeitet, die Währungsunion um eine Bankenunion zu ergänzen, das heißt zumindest um eine gemeinsame Aufsicht und ein Abwicklungs- und Restrukturierungsregime.

Der Grund hierfür ist, dass sich das Finanzsystem als eine offene Flanke der Währungsunion herausgestellt hat. Zwar ist ein leistungsfähiges, innovatives Finanzsystem unverzichtbar, damit eine hochentwickelte, offene Volkswirtschaft nachhaltig wachsen kann – bei aller berechtigten Kritik an vergangenen Exzessen dürfen wir auch das nicht vergessen.

Aber Fakt ist ebenso, dass in der Währungsunion das Finanzsystem ein entscheidender Kanal für länderübergreifende Ansteckungseffekte war: Es kam zu Rückkopplungen zwischen der Bonität von Staaten, Banken, privaten Haushalten und Unternehmen und damit zu einem Teufelskreis, der künftig durchbrochen werden muss. Eine Bankenunion, die diese Risiken künftig besser im Zaum hält, kann in der Tat ein Stützpfeiler für eine stabile Währungsunion sein. Sie würde somit sowohl einen Beitrag zur Finanzsystemstabilität auf einzelstaatlicher Ebene als auch einen entscheidenden Beitrag zur Stabilität der Währungsunion insgesamt leisten.

Damit dieses Ziel erreicht werden kann, sollte eine gemeinsame Aufsicht vor allem einen einheitlichen, hohen Aufsichtsstandard durchsetzen, Entwicklungen und Risiken in den nationalen Bankensystemen transparenter machen und übermäßigen Risiken konsequent entgegentreten. Zudem gilt es, der Tendenz Einhalt zu gebieten, die Probleme im Bankensystem des eigenen Landes zu beschönigen. Ob sich diese Erwartungen tatsächlich erfüllen lassen, hängt aber entscheidend von der Ausgestaltung und Umsetzung der Bankenunion und ihrer Verankerung im Gesamtrahmen ab.

Äußerst problematisch wäre es, falls darüber hinaus schlicht versucht würde, die in der Vergangenheit entstandenen Risiken durch die Hintertür zu vergemeinschaften und so die Nicht-Haftungsklausel des Maastricht-Vertrages weiter zu unterlaufen. Haftung und Kontrolle würden hierdurch noch stärker auseinanderfallen und die Bankenunion würde durch einen solchen versteckten Transfer mit einer schweren Hypothek starten.

Zur Lösung der gegenwärtigen Krise ist die Bankenunion deshalb auch das falsche Mittel: Altrisiken in den Bankbilanzen sollten weiter von denjenigen Mitgliedstaaten getragen werden, in deren Verantwortung diese Risiken auch entstanden sind.

Um das Finanzsystem in Zukunft speziell vor den Auswirkungen von Schieflagen im Staatshaushalt besser zu schützen, muss die Bankenunion durch weitere Maßnahmen flankiert werden, insbesondere im Bereich der Bankenregulierung.

Konkret halte ich es auf mittlere Frist für geboten, Forderungen an den Staat nicht länger gegenüber anderen bilanziellen Aktiva zu privilegieren. Erstens sollte es eine Obergrenze für das Engagement einzelner Banken gegenüber staatlichen Schuldnern geben. Zweitens sollten Banken Staatsanleihen oder Kredite an den Staat entsprechend deren Risiko mit Eigenkapital unterlegen. Beide Maßnahmen ergänzen die gemeinsame Aufsicht und helfen, die wechselseitige Abhängigkeit zwischen staatlicher Solvenz und Solvenz des Bankensystems zu durchbrechen und nicht nur von der nationalen auf die europäische Ebene zu verlagern.

Ich bin überzeugt, dass eine richtig ausgestaltete Bankenunion eine stabilitätsorientierte Währungsunion stärkt. Bei der Planung und Einführung der Bankenunion muss aber Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen. Damit die Bankenunion ein tragender Pfeiler im zukünftigen Rahmen der Währungsunion ist, muss sie solide gebaut sein. Und das lässt sich nicht in wenigen Wochen bewerkstelligen.

Dies gilt umso mehr, als viele wichtige Fragen noch nicht geklärt sind. Um nur einige zu nennen: Wie kann die Bankenunion auf eine solide EU-rechtliche Basis gestellt werden? Immerhin gibt es gewichtige Bedenken, ob die bisherigen Regeln in den EU-Verträgen ausreichen. Welche Banken sollen von der gemeinsamen Aufsicht erfasst werden? Nur die systemrelevanten oder alle? Wie bindet die Bankenunion Länder ein, die zwar nicht in der Währungsunion, aber auch Teil der EU und damit des gemeinsamen Binnenmarktes sind? Wie kann sichergestellt werden, dass die hoheitlichen Funktionen der Bankenaufsicht angemessen legitimiert sind und parlamentarischer Kontrolle unterliegen?

Wenn die Aufsicht bei der EZB angesiedelt wird, stellt sich insbesondere die Frage, wie Interessenkonflikte zwischen Geldpolitik und Bankenaufsichtspolitik vermieden werden können. Die Bankenunion soll schließlich die gemeinsame Geldpolitik entlasten und vor einer zunehmenden Vereinnahmung für andere, vor allem finanzpolitische Zwecke schützen.

4 Schluss

Lassen Sie mich wie folgt schließen. Die Staatsschuldenkrise ist die bislang größte Herausforderung für die Währungsunion. Um sie zu überwinden, sind nicht die Notenbanken gefordert. Sie haben bereits mehr als genug getan, um weitere Zuspitzungen der Krise zu verhindern und eine wirtschaftliche Stabilisierung zu erleichtern.

Gefordert sind die Mitgliedstaaten, um die eigentlichen Ursachen der Krise anzugehen und die Währungsunion als Stabilitätsunion zu erhalten. Es ist an ihnen, ihre Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen, wettbewerbsfähige wirtschaftliche Strukturen zu schaffen, ihre Banksysteme solide aufzustellen und der Währungsunion ein breites, stabiles und zukunftssicheres Fundament zu geben.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

* * *

Deutsche Bundesbank


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