Politik

Russland, China und die USA streiten, wer das Internet zensieren darf

Cyber-Attacken, Landeshoheiten, Meinungsfreiheit: In Dubai streiten die USA und EU mit Russland und China um die Unabhängigkeit der globalen Netzinfrastruktur. Vor allem Russland und China wollen eine umfangreichere Internetzensur durchsetzen.
03.12.2012 23:46
Lesezeit: 2 min

Auf dem ersten Treffen der International Telecommunications Union (ITU) seit 1988, das vom 3. bis 14. Dezember stattfindet, geht es um nichts weniger als einen Neuentwurf der Internationalen Telekommunikationsregulierung. Bisher gab es die globalen Rahmenbedingungen für das Telefonieren vor, jetzt soll es auch Fragen für das weltweite Computernetz klären und integrieren. Die Konferenz wird von Verfechtern der Meinungsfreiheit kritisch beäugt, da kaum Informationen dazu an die Öffentlichkeit gelangen. Einige Regierungen darunter Russland fordern nämlich mehr Rechte von der 193-Länder Organisation, die unter Schirmherrschaft der UN steht. So offenbaren bereits im Vorfeld durchgesickerte Unterlagen, dass Russland ein Mitspracherecht über den hereinkommenden Internet-Traffic in ihre landeseigenen Kommunikationsnetze verlangt.

Mitgliedsstaaten sollten über den nationalen Bereich des Internets das Hoheitsrecht haben, so der russische Vorschlag der Nachrichtenagentur Reuters zufolge, der die Dokumente vorliegen. Als Grund für den Ruf nach mehr Überwachung nennt das Land Cyberattacken auf ihre Kommunikations- und Kommandostrukturen. Nicht gefallen dürfte ihnen ebenso die Tatsache, das die USA nach wie vor große Teile des Internets durch die ICANN dominiert. Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ist für die wichtige Vergabe von Adressen wie .com zuständig. Durch ihren Sitz in den USA unterliegt sie der US-Rechtsprechung.

Mit entsprechendem Unverständnis auf das Argument Russlands reagierten vor allem die EU und die USA. Russlands Vorschläge würden die Evolution des Internets einschränken, erklärte Neelie Kroes, Europäischer Kommissar für Internet Strategie gegenüber Reuters. Darüber hinaus seien sie nicht mehr als eine schöne Umschreibung, um die Meinungsfreiheit zu beschneiden.

Moskaus Pläne, warnt Terry Kramer, US-Botschafter für die ITU, würden Regierungen auf der ganzen Welt das Recht geben, Datenverkehr zu steuern und Inhalte zu überprüfen. Das Internet zur nationalen Angelegenheit zu machen, hätte das Potential Handel, Meinungen und die Innovationskraft des Internets deutlich einzuschränken, so Kramer weiter. Hinter dieser warndenden Haltung steht neben der EU ein Bündnis aus ITU-Mitgliedsländern darunter Kanada, Australien, Neuseeland und Mexiko.

Dennoch sieht sich Russland im Recht und verweist seinerseits auf die Unterstützung von einigen afrikanischen und asiatischen Staaten und dem Nahen Osten. Diese sind ihrerseits mit einem eigenen Forderungs-Katalog an den Persischen Golf gereist. Sie verlangen unter anderem eine Steuer für Unternehmen wie Google, Skype, Facebook und Yahoo, wenn sie Inhalte an ausländische Netzwerke liefern. Mit dem Geld ließe sich der Ausbau der Netze finanzieren, so eine Überlegung aus Kamerun. Dieser 'sender party pays' genannte Vorschlag ist bei einigen europäischen Telekommunikationsunternehmen wie der Deutschen Telekom bereits auf Unterstützung gestoßen; das wirtschaftliche Potential in Entwicklungsländern ist viel versprechend. Vertreter betroffener Unternehmen wie Microsoft dagegen nannten die Idee „haarsträubend“. Sie werden versuchen, ihren Einfluss auf ihre Regierungsdelegation entsprechend zu nutzen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Experte fürchtet politischen Schock in Europa: „Es ist tatsächlich beängstigend“
28.06.2025

Europa taumelt: Rechte Parteien sind auf dem Vormarsch, Frankreich droht der Machtwechsel. Experte Rahman warnt: Das „Trump-Moment“...

DWN
Technologie
Technologie Neue Technologien am Körper: Gehirnimplantate, künstliche Intelligenz, elektronische Tattoos
28.06.2025

Hightech greift immer direkter in den menschlichen Körper ein. Ob Gehirnimplantate, elektronische Tattoos oder künstliche Intelligenz...

DWN
Politik
Politik Machtverlust oder Wendepunkt? Irans Zukunft nach dem Konflikt
28.06.2025

Nach dem militärischen Schlagabtausch mit Israel steht der Iran politisch und gesellschaftlich unter Druck. Zwischen Machtkonsolidierung,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen So gelingt der Einstieg: KI im Personalwesen mit System etablieren
28.06.2025

Künstliche Intelligenz erobert Schritt für Schritt das Personalwesen. Deutschland liegt im europäischen Vergleich weit vorne – doch...

DWN
Politik
Politik Familienkonzern Trump: Wie der Präsidenten-Clan Milliarden scheffelt
28.06.2025

Die Trump-Familie vermischt Politik und Profit wie nie: Während Donald Trump das Weiße Haus beherrscht, expandieren seine Söhne mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Börsenausblick 2025: Drohen jetzt heftige Kursbeben?
28.06.2025

Die Sommermonate bringen traditionell Unruhe an den Finanzmärkten. Mit Trump im Weißen Haus steigen die Risiken zusätzlich. Erfahren Sie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliarden für heiße Luft: Ex-OpenAI-Chefin kassiert ohne Produkt
28.06.2025

Ein Start-up ohne Produkt, eine Gründerin mit OpenAI-Vergangenheit – und Investoren, die Milliarden hinterherwerfen. Der KI-Hype kennt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Social Travel: Hostelworld will Facebook des Reisens werden – mit Milliardenpotenzial
28.06.2025

Hostelworld will nicht länger nur Betten vermitteln, sondern das führende soziale Netzwerk für Alleinreisende werden. Warum der...