Finanzen

IWF resigniert vor Kapitalflucht und stimmt Kapital-Kontrollen zu

Aus Sorge um die anhaltende Kapitalflucht aus den europäischen Südstaaten gibt der IWF seinen Widerstand gegen die Kontrolle des Kapitalverkehrs auf. Die Staaten Südamerikas haben ebenfalls mächtig Druck gemacht. Damit könnte eine Periode der Liberalisierung zu Ende gehen.
04.12.2012 22:59
Lesezeit: 1 min

Aktuell: Griechen-Chaos kostet Deutschland früher oder später 93 Milliarden Euro

Der IWF gibt überraschend seinen Widerstand gegen Kapitalverkehrskontrollen auf. Diese sollen dazu dienen, Kapitalflüsse einzudämmen, die schwachen Wirtschaften gefährlich werden könnten. Warnungen bestehen allerdings weiterhin, dass solche Kontrollen transparent und zielgerichtet ablaufen müssten, heißt es in einem neuen Bericht des IWF (Originalbericht hier).

Der IWF war in den neunziger Jahren ein starker Verfechter von Marktliberalisierungen und freiem Fluss von Kapital. In dem neuen Bericht heißt es jedoch, dass „Liberalisierungen gut geplant sein müssten, damit sichergestellt werden kann, dass die Nutzen die Kosten überwiegen“. Desweiteren werde nicht angenommen, dass „komplette Liberalisierung jederzeit ein adäquates Mittel für alle Länder“ sei. Das Beispiel der EU zeige die Gefahr von freiem Kapitalverkehr bei gleichzeitigem Fehlen von Regeln für das Finanzsystem.

Es wird vermutet, dass der IWF aufgrund von Experimenten in Brasilien, Thailand und Südkorea zu dieser neuen Einschätzung gekommen sein könnte, berichtet die FT. In diesen Ländern wurden bereits Steuern auf Finanzgeschäfte, Verordnungen und Restriktionen eingeführt. Jedoch sei der IWF immer noch sehr zurückhaltend gegenüber Kapitalverkehrs-Kontrollen und sieht dessen Anwendung als letztes Mittel an, sagte ein brasilianischer Sprecher des IWF.

Eine umfassende Kapitalverkehrs-Kontrolle müsste jedoch die USA mit einschließen. Der brasilianische Finanzminister Guido Mantega warnte vor einem „Währungskrieg“. Er ist ein scharfer Kritiker der amerikanischen Geldpolitik, dessen Notenbank Kredite zu sehr günstigen Zinsen ausgibt. Diese Politik würde Investoren dazu verleiten, sich billig amerikanische Dollars zu besorgen und damit auf hohe Renditen in Schwellenmärkten zu spekulieren. Die USA spekulieren ihrerseits auf eine Initialzündung ihrer Wirtschaft durch erhöhte Liquidität bei Unternehmen und Haushalten (mehr hier).

In Italien, Spanien und Portugal kommt es indes anscheinend zu einer Entspannung auf den Kapitalmärkten. Einer Studie der Commerzbank zufolge sind in Italien seit Juni 2012 Zuflüsse in Höhe von acht Prozent des BIP eingegangen. Als Grund dafür kann die Ankündigung der EZB angesehen werden, notfalls Staatsanleihen von zahlungsschwachen Staaten anzukaufen. Für Investoren sinkt damit die Wahrscheinlichkeit eines Auseinanderbrechens der europäischen Währungsunion.

Eine Kontrolle der Finanzströme müsse nach Ansicht des IWF eher bei den Kapitalzuflüssen liegen. Viel wichtiger als diese zu kontrollieren sei jedoch die Etablierung einer funktionsfähigen Bankenaufsicht und einer Fiskalunion, sagte ein Sprecher des IWF.

Weitere Themen:

Wettbewerb: McKinsey rät Unternehmen zu Kriegs-Spielen

Automarkt Italien: Neuzulassungen brechen um 20 Prozent ein

Bart und der Prophet: Türkei bestraft Simpsons wegen Gotteslästerung

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Heizungsgesetz soll weg – doch hohe Öl und Gaspreise werden die Bürger belasten
26.04.2025

Die frisch geformte Koalition unter der Führung von Friedrich Merz plant, das Heizungsgesetz abzuschaffen. Doch auch ein Anstieg der Öl-...

DWN
Politik
Politik Trumps Handelskrieg zwingt EU und China zu einer Annäherung – doch der Preis ist hoch
26.04.2025

Der eskalierende Handelskonflikt zwischen den USA und China zwingt die EU zu einem Strategiewechsel. Doch der geopolitische Preis ist hoch...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB in der Zwickmühle: Zinssenkung befeuert Immobilienmarkt – Gefahr einer neuen Kreditblase?
26.04.2025

Der Druck auf die Europäische Zentralbank wächst, während die Zinsen sinken und der EURIBOR neue Tiefstände markiert. Was bedeutet das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Funkmast auf Futterwiese: Das verdienen Landwirte mit Mobilfunkmasten
26.04.2025

Wer als Landwirt ungenutzte Flächen oder Scheunendächer für Mobilfunkanbieter öffnet, kann mit Funkmasten stabile Zusatzeinnahmen...

DWN
Panorama
Panorama Generation Z lehnt Führungspositionen ab – Unternehmen müssen umdenken
25.04.2025

Die Generation Z zeigt sich zunehmend unbeeindruckt von traditionellen Karrierewegen und Führungspositionen im mittleren Management. Eine...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Reichster Ostdeutscher: Wie ein Unternehmer einen kleinen DDR-Betrieb zum globalen Player macht
25.04.2025

Rekord-Umsatz trotz Krisen: Der Umsatz von ORAFOL betrug im Jahr 2024 betrug 883 Millionen Euro – ein Rekordjahr trotz Wirtschaftskrise....

DWN
Politik
Politik Rentenbeiträge und Krankenkasse: Sozialabgaben werden weiter steigen
25.04.2025

Gerade bei der Rente hat die kommende Merz-Regierung ambitionierte Pläne. Doch gemeinsam mit den Krankenkassenbeiträgen droht...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gold im Höhenrausch: Wenn Trump das Gold sieht, wird es gefährlich
25.04.2025

Der Goldpreis steht kurz davor, einen historischen Rekord nicht nur zu brechen, sondern ihn regelrecht zu pulverisieren. Die Feinunze Gold...