Die EU-Skepsis Großbritanniens wächst. Neben der Ablehnung der Börsensteuer und der Deckelung der Banken-Boni steht nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fokus. Die britische Innenministerin und potenzielle Nachfolgerin Camerons bei den Tories, Theresa May, zieht einen Rückzug Großbritanniens vom Europäischen Gerichtshof in Betracht. Die Regierung brauche bis 2015 einen Plan, wie zukünftig mit dem in Brüssel ansässigen Gerichtshof umzugehen sei, sagte sie am Wochenende auf einer Veranstaltung der Ideenschmiede „Conservative Home“. Dabei müssten „alle Optionen“, also auch ein Austritt ins Auge gefasst werden, zitiert der EUObserver die Innenministerin.
May begründete ihre Forderung damit, dass der Europäische Gerichtshof überlastet sei und zu stark in die nationalen Entscheidungen eingreife. Bei einem Austritt des Landes würde sich Großbritannien weiter isolieren. Insgesamt 47 Länder unterliegen derzeit dem Europäischen Gerichtshof. Weißrussland und der Vatikan sind die einzigen Staaten in Europa, die nicht in der Institution vertreten sind.
Ein Rückzug hätte zudem auch die Aufkündigung der seit 1953 geltenden Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zur Folge. So besagt nämlich der Paragraf 46 dieser Konvention, dass sich die Unterzeichner zur Befolgung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verpflichten.
Dies wiederum könnte einen Austritt Großbritannien aus der EU noch beschleunigen. Denn im Artikel 6 des EU-Vertrages verpflichtet sich die EU dazu, der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten beizutreten. Die Vorbereitungen sind seit 2010 im vollen Gange. Der EU-Rat muss die Unterzeichnung der Konventionen jedoch einstimmig beschließen. Wenn Großbritannien zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht mehr beim Europäischen Gerichtshof vertreten ist, kann der EU-Rat nicht einstimmig einer Unterzeichnung zustimmen. Dann würde die EU letztlich, wenn Großbritannien in der EU verbleibt, den EU-Vertrag brechen.