Deutschland

Schufa will Jugendliche zum Schulden-Machen erziehen

Das Geschäft läuft schlecht für die Banken: Die deutschen Jugendlichen wollen keine Schulden machen. Daher will nun die Banken-Lobby über ihre Speerspitze den Jugendlichen die Wachstums-Hormone von Krediten näherbringen: Die Schufa will nun mehr Unterrichts-Materialien zur Kreditaufnahme bereitstellen.
17.04.2013 14:09
Lesezeit: 3 min

Deutsche Jugendliche sind sehr diszipliniert, wenn es um Schulden geht. Die Rückzahlungs-Quote beträgt 96,6 Prozent, nur ein Prozent weniger als bei den Erwachsenen. Tatsächlich scheuen die Jugendlichen die Aufnahme von Krediten offenbar auf breiter Front.

Wie aus dem neuen Schufa Kredit-Kompass hervorgeht, haben 82 Prozent der 18- und 19-Jährigen noch nie einen Bank-Kredit aufgenommen.

Karsten John von der Gesellschaft für Konsumforschung GfK spricht von einem Wertewandel bei den jungen Menschen. „Es ist auch eine Generation, die in manchen Dingen sehr konservativ, sehr seriös, sehr solide ist, aber auf der anderen Seite das eben auch das ein bisschen sein muss, weil sie natürlich in einer Welt aufwächst, in der viele Sicherheiten, die wir als Jugendliche hatten, nicht mehr da sind“, sagt er dem DLF.

Die durchschnittliche Kredithöhe bei den 18- und 19-Jährigen liegt bei 3.600 Euro. Erwachsene nehmen ungefähr doppelt so hohe Kredite auf. Das Geld werde von den Jugendlichen aber sehr verantwortungsvoll ausgegeben, sagt Carsten John.

Bei den jüngeren Jugendlichen sind es ganz klar die digitalen Medien, Spielkonsolen, Computer, iPhones, iPads, Tablet PCs, all das, was man braucht, um digital mit der Welt vernetzt zu sein“, sagt Carsten John.

Wir erlauben uns den Einwurf, dass man nichts von dem Zeug wirklich zwangsweise über Kredit kaufen muss. Und das meiste davon braucht man auch nicht.

Ab 18 Jahren komme der Wunsch nach einem Auto dazu, der mitunter über Kredite finanziert werde. Zudem gebe es viele Jugendliche und junge Erwachsene, die beispielsweise für eine Ausbildung oder ein Studium Geld aufnehmen.

Wohin das führt, kann man in den USA beobachten: Die Studenten sind heillos überschuldet, es droht eine gigantische Schuldenblase bei den Studenten-Krediten (mehr hier).

Im vergangenen Jahr sind in Deutschland 7,7 Millionen neuer Kredit-Verträge abgeschlossen worden, mehr als in den Jahren zuvor. Junge Leute haben vor allem Kredite mit kürzeren Laufzeiten und versuchen häufig, sich sehr gründlich zu informieren. Dabei haben sie wenig Vertrauen in die Banken, zitiert der DLF Andreas Knaut von der Schufa. Und nur gut 30 Prozent der jungen Leute fühlten sich gut informiert.

Gut informiert sind allerdings die Banken über das Verhalten der Jugendlichen in Geldsachen: So hat die Deutsche Bank ermittelt, dass sich die deutschen Jugendlichen aus der Perspektive der Finanzmärkte völlig falsch verhalten: Sie sparen nämlich seit neuestem wieder mehr.

Daher will die Schufa nun verstärkt Unterrichtsmaterial zur Kreditvergabe bereitstellen. „Man muss einfach sehen, dass unser heutiges Wirtschafts- und Konsumleben das Instrument des Kredits, der Rate braucht“, sagt Andreas Knaut. Denn ohne Kredite könne man teure Güter heute gar nicht mehr bezahlen. Kredite seien wichtig, um das Konsumleben in Gang zu halten, so der Schufa-Mann.

Die Gefahr der Überschuldung sei im vergangenen Jahr rückläufig gewesen, so die Schufa. Das liege auch daran, dass Banken und Unternehmen bei der Kredit-Vergabe vorsichtiger geworden seien. Die Anzahl der jungen Menschen mit einem sogenannten negativen Schufa Eintrag geht seit drei Jahren stetig zurück.

Warum dann ausgerechnet die Schufa den jungen Leuten einreden will, dass es ohne Kredite nicht geht, wird einem klar, wenn man auf die lustige Rubrik „Die 10 häufigsten Irrglauben über die Schufa“ geht. Dort räumt die Schufa gleich selbst mit dem Irrtum auf, dass sie eine öffentlich-rechtliche Anstalt ist:

Die SCHUFA ist und war schon immer seit ihrer Gründung 1927 ein rein privatrechtliches Unternehmen. Heute firmiert sie in Form einer Aktiengesellschaft (AG). Anteilseigner der SCHUFA Holding AG sind Sparkassen, Banken sowie Versandhandels- und Telekommunikationsunternehmen.

Als Lobby-Verein der Banken beherrscht die Schufa natürlich auch die kryptische Sprache der Banken. So wird auf den angeblich häufigen Irrtum „Die Schufa prüft die Bonität von Bürgern“ gesagt:

Nein, wir prüfen nicht. Wir liefern lediglich kreditrelevante Informationen zur Unterstützung der Entscheidungen und auf Wunsch auch Prognosen zu Geschäftsverläufen. Die eigentliche Bewertung und insbesondere die Entscheidung liegt bei dem Unternehmen, mit dem Sie ein Geschäft abschließen wollen.

Viel präziser kann man das Wesen einer Bonitäts-Prüfung nicht beschreiben.

Auch die Manager der Schufa kommen aus der Bankenwelt. Im Aufsichtsrat sitzen Bank-Manager. Der Vorstandsvorsitzende der Schufa, Michael Freytag, vereint gleich alle wichtigen Bereiche der Finanz-Gesellschaft:

Nach der Ausbildung zum Bankkaufmann studierte Dr. Freytag Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg, legte beide juristische Staatsexamina ab und promovierte.

Nach zehn Jahren Corporate & Investmentbanking bei der Deutschen Bank AG wechselte er 2001 hauptberuflich in die Hamburgische Bürgerschaft.

Von 2004 bis 2010 war Freytag Senator der Freien und Hansestadt Hamburg und gehörte dem Bundesrat der Bundesrepublik Deutschland an. Von 2007 bis 2010 war er Mitglied des Finanzplanungsrates und des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat. In seiner Regierungszeit war Freytag Aufsichtsratsvorsitzender von Unternehmen des Immobiliensektors, der Ver- und Entsorgungswirtschaft, des ÖPNV und Hamburgs Konzernholding HGV.

Andreas Knaut, der den Jugendlichen so dringend ans Herz legen will, mehr Schulden zu machen, arbeitete vor seinem Engagement ebenfalls im Herzen der Banken- und Wirtschaftswelt: Er war Chefkommunikator der Verlagsgruppe Handelsblatt.

Das bedeutet: Die Schufa ist eine Lobby-Gruppe, die für die Banken arbeitet. Die Banken haben nur ein Interesse: Sie wollen, dass die Jugendlichen Kredite aufnehmen. Daher drängt die Schufa nun in die Schulen, um den deutschen Jugendlichen klarzumachen, dass sie  iPhones und Playstations brauchen, um in der vernetzten Welt zu bestehen und dass dieses Glück ihnen durch einen Kredit ermöglicht wird.

Kredite sind für die meisten Leute ein teurer Spaß und für viele ein ausgesprochenes Unglück.

Für die Banken sind sie das Lebenselixier und ihre zentrale Cash-Cow.

Wenn die Schufa den Jugendlichen nun beibringen will, dass es für das Wirtschaftsleben nötig sei, Schulden zu machen, dann kann man nur sagen: Hände weg! Es reicht schon, dass die Bundesregierung den Bankenverband zur Erziehung in die Schulen schickt (hier).

Aber die Schufa als Ratgeber für Kredite? Das ist so, wie wenn man den Rausschmeißer in einer Disco anheuert, damit er den Leuten das Tanzen beibringt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Milliardärsmanager fliehen aus US-Aktien: Der stille Countdown zur Rezession hat begonnen
17.04.2025

Eine neue Erhebung der Bank of America zeigt: Die Stimmung unter den großen Vermögensverwaltern kippt dramatisch. Während die Finanzwelt...

DWN
Politik
Politik Merz und EU offen für Tauruslieferung an Ukraine: Kreml warnt vor direkter Kriegsbeteiligung
17.04.2025

In der Opposition war Merz offen für eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Als voraussichtlicher Kanzler ist er das...

DWN
Panorama
Panorama Die Macht der WHO: Internationaler Pandemievertrag kommt
17.04.2025

Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie haben sich die WHO-Mitgliedstaaten auf ein Pandemieabkommen geeinigt. „Ich habe keinen...

DWN
Technologie
Technologie Mechanische Speicher als geopolitische Alternative: Lithium-Batterien geraten unter Druck
17.04.2025

Angesichts wachsender Abhängigkeit von China bei Lithium-Batterien rücken mechanische Energiespeicher in den Fokus. Eine...

DWN
Technologie
Technologie Japanisches Genie revolutioniert Energiewende – Supermagnet jetzt 20 Milliarden Euro wert
17.04.2025

Im globalen Wettrennen um Energiesouveränität und technologische Vorherrschaft hat sich ein unscheinbares Element als strategischer...

DWN
Politik
Politik Taiwan, Sanktionen und Respekt - China stellt klare Bedingungen für Handelsgespräche mit den USA
17.04.2025

China fordert mehr Respekt und klare Signale der USA, bevor Handelsgespräche beginnen – eine Einigung ist entscheidend für die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Steht das Verbrenner-Verbot vorm aus? Europas Rechte bläst zum Gegenschlag gegen EU-Establishment
17.04.2025

Konservative und rechte Kräfte im EU-Parlament wollen das Aus für Verbrennungsmotoren kippen – mit wachsender Unterstützung auch aus...

DWN
Politik
Politik Geheime Chatgruppe: EU-Außenminister betreiben Diplomatie über Signal - auf Einladung Kaja Kallas
17.04.2025

Die Außenminister der Europäischen Union kommunizieren in einer privaten Chatgruppe der verschlüsselten App Signal. Dies bestätigte der...