Die beiden Verdächtigen von Boston waren Brüder. Das berichtet der Boston Globe mit Verweis auf AP. Das Alter der beiden Männer wird mit 19 und 26 Jahren angegeben. Sie sollen aus einer russischen Region nahe Tschetschenien stammen. Bei dem sich derzeit auf der Flucht befindlichen Verdächtigen soll es sich um Dzhokhar A. Tsarnaev, den jüngeren der Geschwister handeln.
Polizei riegelt Watertown ab
Bereits in der Nacht wurde Tamerlan Tsarnaev im Zuge einer Verfolgungsjagd von der Polizei erschossen. Dabei handelt es sich um den Verdächtigen, der auf den kurz zuvor veröffentlichten Fotos des FBI mit einer schwarzen Mütze zu sehen ist (mehr hier). An dem Toten, so wurde später bekannt, soll in der Leichenhalle ein Sprengstoffauslöser gefunden worden sein. Im Augenblick ist die Polizei mit einem Großaufgebot an Spezialkräften der K9-Unit sowie SWAT-Teams in Watertown und Umgebung unterwegs, um den zweiten Mann, er trug auf den Fotos eine weiße Mütze, ausfindig zu machen.
Die Anwohner in Watertown, Waltham, Newton, Belmont und Cambridge wurden gebeten, in ihren Häusern zu bleiben und niemandem zu öffnen, abgesehen von der Polizei. Von Governeur Deval Patrick wird die Situation als „sehr ernst“ eingestuft. Der Flüchtige gilt als „extrem gefährlich“. Im Zuge der Fahndung sperrten die Beamten auch das gesamte MBTA-Netz. Außerdem wurde die Stadt abgeriegelt. Kein Fahrzeug darf in hinein oder hinaus, auch keine Taxis dürfen mehr fahren.
Unterdessen bleiben nicht nur die hiesigen Geschäfte, sondern auch die meisten Universitäten der Gegend, darunter Harvard, MIT, Boston University, Boston College, Northeastern, University of Massachusetts Dartmouth und Suffolk diesen Freitag geschlossen.
Haus und Fahrzeug in Watertown umstellt
Gegen 8:45 Uhr (Ortszeit) wurde ein SWAT-Team und ein gepanzerter Wagen gerufen. Die Polizei hat ein Haus und ein Auto in der Nähe der Kreuzung Willow Park und Quimby in Watertown umstellt haben. Die Beamten haben sich und ihre Waffen in Stellung gebracht. Im Visier habem die Ermittler dem Boston Globe zufolge auch eine Wohnung in der Norfolk Street in Cambridge in der Nähe des Inman Square. Mittlerweile sollen auch Sprengstoffexperten hinzugezogen worden sein. Man könne, so berichtet der Boston Globe unter Berufung auf Polizeisprecher David Procopio, nicht ausschließen, dass der Flüchtige explosives Material bei sich trage.
Wie der Boston Globe über seine Facebooseite meldet, hat das FBI nun ein weiteres Foto des auf der Flucht befindlichen Verdächtigen veröffentlicht. Nach den ersten unscharfen Aufnahmen wird nun eine deutliche Frontalabbildung des 19-jährigen Dzhokar Tsarnaev gezeigt.
Ebenfalls auf Facebook veröffentlicht der Boston Globe ein Foto des Polizeibeamten, der auf dem MIT-Campus getötet wurde. Demnach handelt es sich um den 26-jährigen Sean Collier aus Somerville. Bei dem Schwerletzten Beamten soll es sich um den 33-jährigen MBTA Transit Police Officer Richard H. Donahue Jr. handeln. Gut 20 weitere Beamte sollen im Medical Center St. Elisabeth in Brighton behandelt worden sein, nachdem sie bei der Verfolgungsjagd durch Granaten verletzt wurden, die aus dem Auto geschleudert worden sein sollen. Wie schwer ihre Verletzungen sind, ist nicht bekannt.
Verdächtige waren „normale“ US-Migranten
Am späteren Nachmittag deutscher Zeit werden weitere Einzelheiten zu den beiden Verdächtigen bekannt. Der Boston Globe lässt Personen aus dem Umfeld zu Wort kommen. Charakterisiert werden die Brüder als „normale“ US-Migranten. Demnach soll der ältere von beiden ein talentierter Boxer gewesen sein, der sogar Aussicht auf die Aufnahme ins Olympische Team gehabt haben soll. Er studierte am Bunker Hill Community College und wollte Ingenieur werden.
Sein jüngerer Bruder gehörte der Cambridge Rindge & Latin School Klasse 2011, einer öffentlichen Highschool, an. Im gleichen Jahr gewann er ein Cambridge City Scholarship. Aktuell soll er an der University of Massachusetts Dartmouth studiert haben. Von Personen aus ihrem Umfeld werden sie als unauffällig beschrieben. Gerade der 19-Jährige soll stets freundlich, wenn auch nicht besonders eng mit seinen Klassenkameraden gewesen sein. Zwar soll er Muslim, aber nicht religiös gewesen sein. Auch seine Lehrer zeigen sich fassungslos. Im Nachhinein als Warnsignal wird jedoch ein Photoessay des 26-Jährigen mit dem Titel “Will Box for Passport” gewertet. In einer Bildunterschrift soll er erklärt haben, nicht einen amerikanischen Freund gehabt zu haben. Er würde die Amerikaner nicht verstehen.
Die Familie der Brüder, so der Photoessay, habe zwischenzeitlich in Kirgistan und Dagestan gelebt, bevor sie als Flüchtlinge in die USA gekommen seien.
Gegen 10:30 Uhr (Ortszeit) scheint sich die Szenerie rund um ein umstelltes Haus wieder entspannt zu haben. Die Beamten würden derzeit in einem 20 Blocks umfassenden Gebiet nach dem Verdächtigen fahnden. Auch am Logan International Airport gäbe es mittlerweile ein erhebliches Beamtenaufgebot. Im Terminal E würden schwer bewaffnete Polizisten patroullieren. Die Autos würden allerdings nicht kontrolliert. Insgesamt, so heißt es, befänden sich auf Grund des lahmgelegten öffentlichen Nahverkehrs deutlich weniger Passagiere am Flughafen.
Einige von US Today befragte Anwohner empfinden die Szenerie als unwirklich.