Deutschland

Gefährliche Entwicklung: Deutsche verlieren Interesse an der Demokratie

Die Deutschen verlieren die Lust an der Demokratie. Bei den Jungen gehört es schon zum guten Ton, Wahlen zu ignorieren. Die Bertelsmann-Stiftung findet, dass es an den Bürgern liegt. Es könnte natürlich auch an der miserablen Politik liegen, die fast täglich den Eindruck erweckt, als interessiere sie nichts weniger als die Meinung der Bürger.
11.06.2013 00:59
Lesezeit: 2 min

Immer weniger Deutsche gehen zur Wahl. Hauptursache dafür ist das wachsende Desinteresse an den Wahlen vor allem bei der jüngeren Generation.

Die Wahlbeteiligung in Deutschland werde langfristig noch weiter zurückgehen, so eine Studie der Bertelsmann-Stiftung und des Instituts für Demoskopie Allensbach. Zwar würden die Deutschen von Jahr zu Jahr zufriedener mit ihrem politischen System. Doch das Interesse an der Politik gehe vor allem bei den Jüngeren immer weiter zurück, so die Studie.

Bis Mitte der 80er Jahre gingen circa 90 Prozent der Wahlberechtigten zur Bundestagswahl. Danach brach die Wahlbeteiligung ein. Im Jahr 2009 erreichte sie ihren historischen Tiefstand von 70 Prozent. Vor allem ärmere und bildungsferne Bürger gehen immer weniger zur Wahl. Derzeit sagen 68 Prozent aus der oberen Schicht, dass sie bei der Bundestagswahl in jedem Fall wählen werden. In der unteren Schicht sind es dagegen nur 31 Prozent.

Die Wahlbeteiligung der Erstwähler ist ein klarer Indikator dafür, wie aktiv diese Generation auch in späteren Lebensjahren an Wahlen teilnimmt. „Ist die Politisierung einer Generation in jungen Jahren niedrig, ist das kaum noch aufzuholen. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass die Wahlbeteiligung auf lange Sicht weiter sinken wird“, sagte Dräger.

Von den 16 bis 29-Jährigen sagten nur 38 Prozent, dass sie „bestimmt“ zur Wahl gehen. Bei den 30 bis 44-Jährigen sind es 57 Prozent, bei den 45 bis 59-Jährigen sind es 60 Prozent und bei den noch Älteren sind es sogar 64 Prozent. Außerdem sagen 8 Prozent der Jungen, dass sie wahrscheinlich oder bestimmt nicht zur Wahl gehen werden.

Ob jemand wählen geht, hängt auch erheblich davon ab, wo er wohnt, welche Freunde er hat und ob in seiner Familie über Politik gesprochen wurde. „Nichts motiviert so stark, wählen zu gehen, wie ein politisch interessiertes Umfeld“, sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Wer Freunde hat, die wählen gehen, geht selber mit einer Wahrscheinlichkeit von 77 Prozent bestimmt zur Bundestagswahl. Wessen Umfeld jedoch nur zur Minderheit wählen geht, hat nur eine Wahrscheinlichkeit von 19 Prozent.

In den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik wurde das Wahlrecht noch als staatsbürgerliche Pflicht verstanden. Heute jedoch findet das Nicht-Wählen vor allem in den jüngeren Generationen breite gesellschaftliche Akzeptanz. So sagen 76 Prozent der unter 30-Jährigen, dass ihre Freunde Verständnis dafür hätten oder es ihnen egal wäre, falls sie nicht zur Wahl gingen. Von den über 45-Jährigen sagt dies nur etwas mehr als die Hälfte.

Auch wenn immer weniger Deutsche wählen, wachse ihre Zufriedenheit mit dem politischen System, so die Bertelsmann-Studie. Dies gilt vor allem für Ostdeutschland. Während 2003 nur 47 Prozent der Ost-Bürger zufrieden waren, sind dies inzwischen 74 Prozent. Im Westen stieg die Zustimmung von 72 auf 84 Prozent. Lediglich 11 Prozent der Bundesbürger sagen derzeit, mit der Demokratie unzufrieden zu sein. Zehn Jahre zuvor sagten dies noch 29 Prozent.

Die große Mehrheit der Bürger (65 Prozent) erkennt derzeit große Unterschiede zwischen den im Bundestag vertretenen Parteien. Doch immerhin 24 Prozent sagen, die Parteien seien im Grunde alle gleich. Zu Beginn der 90er Jahre sagten dies noch 31 Prozent. Gut ein Viertel (27 Prozent) sagt, es bringe nichts, sich politisch zu engagieren.

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