Politik

EU-Beitritt der Türkei: Die CDU spielt mit gezinkten Karten

Die CDU spielt im Fall des EU-Beitritts der Türkei ein doppeltes Spiel. Im Wahl-Manifest steht eindeutig, dass die CDU den Beitritt ablehnt. Nach den jüngsten Irritationen erweckt die Partei von Angela Merkel nun plötzlich den Eindruck, als wäre sie für den Beitritt.
26.06.2013 01:20
Lesezeit: 2 min

In den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist die Position der CDU äußerst unklar.

In ihrem Wahl-Manifest schreiben CDU und CSU:

„Eine Vollmitgliedschaft der Türkei lehnen wir aber ab, weil sie die Voraussetzungen für einen EU-Beitritt nicht erfüllt. Angesichts der Größe des Landes und seiner Wirtschaftsstruktur wäre zudem die Europäische Union überfordert.“

Das ist eigentlich eine klare Botschaft. Denn die Union sagt hier nicht nur, dass sich die Türkei auf einem guten Weg befindet, sondern dass die Türkei wegen ihrer Größe und wegen der Wirtschaftsstruktur des Landes prinzipiell nicht in die EU passt.

Würde die CDU ihrem eigenen Programm glauben, müsste sie Brüssel mitteilen: Mit uns wird es keinen EU-Beitritt der Türkei geben.

Offenbar dient diese glasklare Position der CDU allerdings nur dazu, den Wählern Sand in die Augen zu streuen.

Denn in Brüssel macht sich nun auch die Bundesregierung für einen EU-Beitritt der Türkei stark.

Die EU-Botschafter in Brüssel haben eine „grundsätzliche Einigung“ darüber getroffen, dass die Gespräche mit der Türkei im Oktober 2013 beginnen sollen. Damit folgen die EU-Botschafter angeblich einem ausdrücklichen Vorschlag Berlins. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu zeigte sich im Rahmen einer Erklärung erfreut über die Entscheidung Brüssels.

Er sagte:

„Gestern hatte ich insgesamt vier konstruktive Unterredungen mit Westerwelle. Heute morgen zwei weitere mit Ashton und Füle. Wichtig an dem Brüsseler Beschluss ist, dass jetzt unwiderruflich für die Eröffnung des neuen Beitrittskapitels gestimmt wurde. Es gibt kein Zurück mehr.“

Erstmals seit drei Jahren sei damit wieder ein neues Verhandlungskapitel eröffnet worden, berichtet Haberturk. Zuvor gab es einen politischen Schlagabtausch zwischen Berlin und Ankara. Denn das neue Verhandlungskapitel sollte schon Ende Juni eröffnet werden. Doch dies stieß auf den Widerstand der deutschen Bundesregierung. Der türkische EU-Minister Egemen Bağış hatte scharfe Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel geübt: „Wenn Frau Merkel ein Thema sucht, welches sie innenpolitisch ausschlachten möchte, dann sollte das nicht die Türkei sein. Ich erinnere sie daran, was mit Sarkozy passiert ist, der ebenfalls diesen Weg beschritten hatte. Diejenigen, die sich mit der Türkei anlegen, erwartet kein gutes Ende.“

Der Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe, Johannes Kahrs, sagte  den Deutschen Wirtschafts Nachrichten, dass eine EU-Mitgliedschaft der Türkei „prinzipiell für die EU wie auch für die Türkei ein Gewinn“ wäre.

Kahrs wörtlich:

„Die Demonstrationen beweisen ja gerade, daß sich in der Türkei eine starke, übergreifende Zivilgesellschaft herausgebildet hat. Die Menschen, die die Proteste tragen, sind näher an den Werten der EU, als viele sich das in Europa – oder der Türkei – vorstellen können. So, wie die Türkei jetzt ist, wäre eine Mitgliedschaft verfrüht, aber es muss ihr weiterhin ein fairer Beitrittsprozess ermöglicht werden.“

Eine Aussetzung der Verhandlungen unterstütze er nicht. Denn nur bei Fortführung der Verhandlungen, habe die EU die Möglichkeit „weiterhin gestaltend mitzuwirken“, so Kahrs.

Damit ergibt sich die paradoxe Situation, dass die CDU gleichzeitig für und gegen einen EU-Beitritt der Türkei ist.

Welche Position nach den Wahlen nun Bestand haben wird, ist schwer zu prognostizieren.

Angela Merkel erweckt mit dieser Strategie den Eindruck, dass sie im Grund alle hinhalten möchte: Die Wähler, die glauben sollen, sie sei gegen die Türkei; und die Türken, denen sie das Gefühl vermitteln will, sie sei für die Türkei.

Wirklich irritiert müsste aber eigentlich die EU sein: Ob man in Brüssel schon gemerkt hat, dass die Deutschen hier mit gezinkten Karten am Verhandlungstisch sitzen?

 

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