Rund 20.000 Menschen sollen es gewesen sein, die sich am Samstag dem Sihhije-Platz in Ankara eingefunden haben. Sie alle waren dem Aufruf einer Gewerkschaft gefolgt, noch einmal den Rücktritt von Premier Erdoğan einzufordern. Dessen Umfragewerte sind seit Juni 2011 um fast zehn Prozent abgesackt.
Lautstark skandierten die Demonstranten „Die Revolution wird uns von diesem Schmutz befreien“ oder „Sie sind Diebe“. Einige hielten in Anspielung um den andauernden Korruptionsskandal falsche Dollarscheine mit einem Foto des Premiers in die Höhe. Das berichtet die Japan Times.
Nach Ansicht von Lami Ozgen, Präsident der Gewerkschaft Kamu Emekçileri Sendikaları Konfederasyonu (KESK) und einer der Anführer der Demonstration, würde der Skandal nun das wahre Gesicht der Regierung und der Gülen-Bewegung zum Vorschein bringen:
„Die Krise hat nun gezeigt, wer diejenigen sind, die die Religion und den Glauben missbrauchen. (...) für Reichtum, Luxus und Pracht. Wie sie das Geld anbeten (...). Wir werden nicht bloß Zuschauer in diesem Machtkampf sein. Sie fressen uns auf (...). Sie nagen an unseren Gehältern und der Zukunft unserer Kinder.“
Anders als noch Ende Dezember wurde bisher nichts über Zusammenstöße mit der Polizei bekannt.
Zustimmung der AKP nur noch bei knapp über 40 Prozent
Insgesamt sind die Beliebtheitswerte der türkischen Regierungspartei AKP auf dem absteigenden Ast. Wie das führende türkische Meinungsforschungsinstitut Sonar in einer aktuellen Umfrage aufzeigt, liegt der Beliebheitswerd der AKP derzeit bei nur knapp über 40 Prozent. Während der letzten Wahl 2011 waren es noch fast zehn Prozent mehr. Derzeit sprechen sich Sonar zufolge 42,3 Prozent der türkischen Bevölkerung für die AKP aus. Damit liegt die Partei zwei Prozentpunkte unter dem Wert der letzten Umfrage im vergangenen August und deutlich unter der 50-Prozent-Marke, die sie bei der letzten Wahl im Jahr 2011 erzielen konnte.
Die türkische Bevölkerung scheint zunehmend das Vertrauen in ihre Regierung zu verlieren. Die Gerüchte, um Vertuschungsversuche von Seiten der Regierung haben die Bürger aufhorchen lassen. Erst Ende Dezember gingen sie auf die Straße, um den Rücktritt des Premiers zu fordern und wurden dabei ein weiteres Mal brutal von der Polizei niedergeschlagen.
Opposition gewinnt an Boden
Die Oppositionsparteien werden nicht müde zu betonen, dass das Land derzeit mit einem ernsthaften Test seines demokratischen Systems konfrontiert wird. „Die Gesellschaft vertraut der Regierung nicht mehr. Nun glaubt sie, dass die Regierung in die Korruption involviert ist“, zitiert die türkische Zaman den CHP-Abgeordneten Ensar Öğüt. Auch das spiegelt sich in der aktuellen Umfrage wieder. Die wichtigste türkische Oppositionspartei CHP kam diesmal auf 29,8 Prozent. Sie erreichte damit den höchsten Stand seit Juni 2011. Wie brisant die Lage für den Premier werden könnte, malt Öğüt mit Blick auf den armen Südosten des Landes wie folgt aus: „Während einige in Armut leben, handeln andere illegal, fahren unverdiente Gewinne ein. Natürlich werden die Leute darauf reagieren. Selbst wenn die Regierung versucht, das zu vertuschen, wird man ihr nicht länger glauben.“