Finanzen

Federal Reserve löst Kapitalflucht in der Türkei aus

Durch eine Politik des billigen Geldes befeuerte die türkische Zentralbank einen Immobilienboom. Dies ließ den Wohlstand der türkischen Bevölkerung deutlich wachsen. Doch die Ankündigung der US-Notenbank, ihre ultra-lockere Geldpolitik zu beenden, hat nun eine massive Kapitalflucht ausgelöst.
01.02.2014 00:06
Lesezeit: 3 min

Die Türkei war lange Zeit ein Musterland der Emerging Economies. Hohes Wirtschaftswachstum in der zurückliegenden Dekade ließ den Wohlstand der türkischen Bevölkerung deutlich wachsen. Insbesondere Erdogan mit seiner AKP nutzte diese Chance, um auch die schwächer entwickelten Regionen durch staatliche Transfers am Wirtschaftsboom teilhaben zu lassen. Dadurch hat er sich bisher einen massiven Rückhalt in diesen Regionen der Türkei erhalten können.

Allerdings geriet die Leistungsbilanz immer mehr in eine Schieflage, das heißt die Türkei war auf einen nachhaltigen Kapitalimport angewiesen, um ihr Handelsbilanzdefizit auszugleichen. Im Jahr 2011 erreichte das Leistungsbilanzdefizit der Türkei mit 9,7 Prozent der des Bruttoinlandsprodukts einen Rekordwert. Damit erreichte die Türkei bereits ein vergleichbares Leistungsbilanzdefizit wie Griechenland vor Beginn der Krise.

Mithin war es nur eine Frage der Zeit, wann diese Fragilität der türkischen Wirtschaft den ausländischen Kapitalgebern bewusst wird. Spätestens als das Wirtschaftswachstum der Türkei im Laufe des Jahres 2010 sich deutlich verlangsamte, war klar, dass die Türkei auf eine Zahlungsbilanzkrise zusteuerte.

Erdogans politischer Kurs einer konservativ-islamischen Politik trug des Weiteren zu einer Destabilisierung der Türkei bei. Die sozialen Unruhen in den Wirtschaftszentren der Türkei insbesondere auch Istanbul musste trotz deren brutaler Niederschlagung durch Polizei und Militär das Vertrauen in die Solidität der türkischen Wirtschaft weiter unterminieren (mehr hier).

Hinzu kam eine ausufernde Korruption in die auch die Spitzen der türkischen Regierung verwickelt sind. Die von Erdogan autokratisch angeordneten Säuberungen im Justiz- und Polizeiapparat haben sein Ansehen in der breiten Bevölkerung weiter geschwächt.

Mithin sinkt die Legitimation der jetzigen Regierung sowohl im In- wie auch im Ausland rapide. Insbesondere auch die EU hat die Beitrittsverhandlungen der Türkei bis auf weiteres gestoppt. Die offen zu Tage getretenen Demokratiedefizite machen einen Beitritt der Türkei zur EU, die letztendlich auch eine Wertegemeinschaft einschließt unmöglich.

Durch eine Politik des billigen Geldes der türkischen Zentralbank wurde ein Immobilienboom in der Türkei befeuert, der einerseits vorübergehend hohes Wirtschaftswachstum induzierte, aber eben auch zu gravierenden Fehlinvestitionen beitrug.

Das Tröpfchen was das Fass letztendlich zum Überlaufen im Mai 2013 gebracht hat, war die Ankündigung der US-Notenbank ihre Politik der ultra-lockeren Geldpolitik beenden zu wollen. Insbesondere die Emerging Market Länder mit hohen Leistungsbilanzdefiziten mussten jetzt  um die weitere Finanzierung fürchten. Dazu zählt aber eben auch neben Brasilien, Südafrika und Indien auch die Türkei. Das Geld das reichlich aus den USA und Europa in diese Länder floss – Schätzung gehen von rund 1 Bill. US-Dollar aus, begann seinen Rückzug in die sicheren Häfen in Europa, die USA oder auch Japan anzutreten.

Damit geriet aber auch der Außenwert der türkischen Lira zunehmend unter Druck. Seither hat die türkische Lira beispielsweise gegenüber dem Euro von rund 2,4 Lira pro Euro auf aktuell 3,2 Lira pro Euro abgewertet, der Wechselkurs fiel um rund 33 Prozent. Sofern daher Schulden gegenüber dem Ausland nicht in der einheimischen Währung kontrahiert wurden, dürfte dies zu massiven Finanzierungsproblemen der Kreditnehmer führen.

Versuche der türkischen Zentralbank den Wechselkurs der Lira durch Devisenmarktinterventionen zu stabilisieren blieben weitgehend erfolglos. Die jetzt von ihr gezogene Notbremse einer drastischen Erhöhung der Leitzinsen auf einen Schlag von 4,5 Prozent auf 10 Prozent dürfte die Türkei endgültig in eine schwere Rezession stürzen.

Wer jetzt in der Türkei auf billige Kreditzinsen angewiesen ist, steht de facto kurz vor der Insolvenz. Ein solcher Zinsschock ist in keinem Land ohne schwere Verwerfungen für die gesamte Wirtschaft kaum verkraftbar. Da helfen auch Verschwörungstheorien von Erdogan wenig.

Am Ende könnte die Diagnose lauten: Wechselkurs der Lira stabilisiert, aber der Patient Türkei ist vorübergehend mausetot. Die damit vorgezeichnete Destabilisierung der Türkei im östlichen Mittelmeerraum wäre dann der letzte Tropfen der das Fass dort zum Überlaufen bringen kann. Neben Syrien, dem Libanon, Ägypten, Zypern und Griechenland befindet sich die ganze Region in Aufruhr. Ein globaler Krisenherd dessen Folgen derzeit kaum absehbar sind.

Auch die EU insbesondere auch Deutschland als einer der wichtigsten Handelspartner der Türkei dürfte davon nicht verschont bleiben. Nur die Touristen, die in der Türkei Urlaub machen wollen, können sich über die günstigeren Angebote im kommenden Sommer freuen, falls nicht auch ihnen ein Inflationsschub einen Strich durch die Rechnung macht.

Zahlreiche Deutschtürken dürften daher bereits über eine Rückkehr nach Deutschland nachdenken. Zuvor war der Immigrationsstrom in die andere Richtung verlaufen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Amerika: Hat Joe Biden jemals wirklich die USA regiert?
11.03.2025

Wurde die US-Regierung per Autopen (Unterschriftenautomat) gesteuert? Ein Bericht enthüllt, dass fast alle Biden-Dokumente maschinell...

DWN
Politik
Politik BSW klagt in Karlsruhe auf Neuauszählung der Wahl
11.03.2025

Knapp gescheitert, doch nicht bereit aufzugeben: Das Bündnis Sahra Wagenknecht zieht vor das Bundesverfassungsgericht. Die Partei zweifelt...

DWN
Politik
Politik Bargeldreform: Verschwinden bald die Ein- und Zwei-Cent-Münzen?
11.03.2025

Kaum jemand zahlt noch mit Ein- und Zwei-Cent-Münzen – stattdessen verstopfen sie Geldbeutel oder verschwinden in Sparschweinen. Die...

DWN
Technologie
Technologie Der Verbrenner-Golf bleibt mindestens bis 2035: Volkswagen Vertriebschef Martin Sander im Interview
11.03.2025

Volkswagen steht vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits soll die ID-Familie den Markt für Elektroautos erobern, andererseits...

DWN
Politik
Politik Grönland wählt heute Parlament
11.03.2025

Die Menschen auf Grönland wählen ein neues Parlament – doch der Wahlkampf wird von außen beeinflusst. Trump mischt sich ein, die...

DWN
Finanzen
Finanzen Künstliche Intelligenz: KI-Trading revolutioniert den Anlegermarkt – Welche Vorteile, Risiken und Möglichkeiten es gibt
11.03.2025

KI-Trading ermöglicht es Anlegern, durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz schneller und präzisere Marktanalysen zu erstellen und...

DWN
Politik
Politik Drohnenangriff auf Moskau fordert drei Todesopfer - Friedensgespräche beginnen
11.03.2025

Ein massiver Drohnenangriff auf Moskau erschüttert Russland: Zwei Tote, beschädigte Gebäude und gesperrte Flughäfen. Während der Kreml...

DWN
Immobilien
Immobilien Neues Büro finden: Was ist zu beachten und wie vermeidet man kostspielige Fehler bei der Suche?
11.03.2025

Die Firma wächst schneller als erwartet und mit ihr das Personal? Oder die Firmenräumlichkeiten werden nicht mehr benötigt? Je nachdem...