Finanzen

Krise der Schwellen-Länder erreicht den Westen

Lesezeit: 2 min
04.02.2014 00:05
Die Zentralbanken der BRICS-Länder verkaufen ihre US-Staatsanleihen. So wollen sie den Absturz ihrer Währungen stoppen. Dies könnte die Fed dazu zwingen, doch wieder mehr Staatsanleihen zu kaufen.
Krise der Schwellen-Länder erreicht den Westen

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Finanzmärkte werden nervös. In jüngster Zeit häuften sich die Meldungen über abstürzende Währungen in Argentinien, der Türkei, in Russland und Südafrika. Auch die indische Rupie geriet in den Sog des Währungs-Ausverkaufs.

Während noch bis vor kurzem die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) – oder auch „emerging markets“ genannt – ein Hort für internationale Anleger jedweder Couleur war, macht sich eine prekäre Kehrtwende bemerkbar.

Internationale Anleger, die sich einen „Boom“ in den Schwellenländern erhofft hatten, ziehen ihr Kapital wieder ab, da Kapitalanlagen in den USA in Zukunft eine weitaus höhere Rendite versprechen. Allein die Ankündigung der Fed reichte, um die Kapitalströme umzukehren.

Grund ist der reduzierte Ankauf von US-Staatsanleihen und Hypothekenpapiere durch die Fed. Statt bisher für 85 Milliarden US-Dollar pro Monat kauft die Fed nur noch für 75 Milliarden US-Dollar diese Papiere auf. Im Februar ist eine Reduzierung des Ankaufs auf 65 Milliarden US-Dollar durch die Fed anvisiert.

Besonders betroffen von dem Kapitalabzug sind Staaten, die auf Kapital aus dem Ausland angewiesen sind. Sie benötigen dieses Kapital, um Importe zu finanzieren und ihre Volkswirtschaft im Gang zu halten, exportieren im Verhältnis dazu jedoch zu wenig. Es sind also Länder mit hohen Leistungsbilanzdefiziten.

Die türkische Regierung hat vor wenigen Tagen auf diese Kapitalflucht reagiert, in dem sie den Leitzins radikal erhöhte, und zwar mit einer Verdoppelung von 4,5 Prozent auf 10 Prozent (mehr hier).

Dies scheint jedoch wirkungslos zu verpuffen. Und droht die Wirtschaft komplett abzuwürgen.

Vom selben Phänomen betroffen sind Argentinien, Indien, auch Südkorea, kurz: es wird für alle Schwellenländer rund um den Globus problematisch. Die Währungen stürzen ab, ebenso die Aktien- und Anleihepreise.

China hat dabei noch den Vorteil, dass es auf hohen US-Dollar-Reserven sitzt, jedoch mit Problemen auf dem heimischen Kreditmarkt konfrontiert ist.

Die Schwellenländer haben einerseits von billigen Krediten aus dem Ausland profitiert und dabei womöglich die Erfordernisse von Reformen außer Acht gelassen. Doch das Kapital strömte seinerzeit nur deshalb in die „emerging markets“, weil Investoren höhere Zinsen als im Westen einstreichen konnten.

Die neuerdings durch die Kapitalflucht angefachte Krise in den Schwellenländern hat jedoch eine gravierende Kehrseite. Denn nun beginnen die Zentralbanken der Schwellenländer damit, US-amerikanische Staatsanleihen abzustoßen.

Bereits in der vergangenen Woche haben Zentralbanken weltweit ihre Bestände an US-Staatsanleihen so rapide veräußert wie im letzten halben Jahr nicht mehr.

Insgesamt fielen im Ausland gehaltene Wertpapiere wie US-amerikanische Staatsanleihen und hypotheken-gesicherte Wertpapiere von 20,7 Milliarden US-Dollar auf 3,3 Milliarden US-Dollar.

Nachdem also jahrelang durch die „Politik des billigen Geldes“ enorm viel Kapital in die Schwellen-Märkte gelangte und damit exorbitante Spekulationen ermöglichten, überträgt sich deren Krise nun auf den Westen.

Maßgeblich ist dabei nicht nur, dass die Schwellenländer mit dem vorzeitigen Verkauf von Staatsanleihen ihre Währungen schützen müssen, es ist auch zu bedenken, dass Unternehmen, die bei internationalen Banken Dollar-Kredite aufnahmen, nun unter ihren Schulden zusammenbrechen und insolvent werden.

Da die landeseigenen Währungen abstürzen, verteuern sich diese Dollar-Verbindlichkeiten – ein Teufelskreis, der nur mit einer Inflation der heimischen Währung zu bewältigen wäre.

Bereits im Jahr 1997 ergriff eine Währungskrise die damals sogenannten „Tigerstaaten“ in Asien, die danach die ganze Weltwirtschaft erfasste.

Falls nun erneut eine Finanzkrise in den Schwellenländern ins globale Haus steht, bekommt wiederum der IWF das Heft des Handelns in die Hand. Und der IWF hat in der Vergangenheit nicht gerade ein „glückliches Händchen“ bei der Meisterung von globalen Wirtschaftskrisen unter Beweis gestellt. (Womöglich wird auch der ESM umgewidmet – von European Stability Mechanism in „Global Stability Mechanism“).

Die US-amerikanische Geldpolitik erinnert somit an die Quadratur des Kreises. Indem sie versucht, die zur heimischen Krisenbewältigung bediente „quantitative Easing“ (quantitative Lockerung) zum Nutzen der Banken anschließend wieder zurückzufahren – die Bilanz der Fed beträgt 4 Billionen US-Dollar – entfacht sie eine neue Krise.

Diese Krisenbewältigung entwickelte sich zu einer Art überproportionalen Politik, die die nächste Krise noch problematischer macht als es die letzte war. Bisher bestand die QE-Politik im Grunde in nichts anderes als in einer Vertagung der Probleme – genau so wie in der Eurozone.

Die Rechnung hierfür kommt zum Schluss.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla Grünheide - Protesttage: Polizei schützt Autofabrik mit Großaufgebot
10.05.2024

Die Kundgebungen gegen den Autobauer Tesla in Grünheide erreichten am Freitag einen neuen Höhepunkt. Während eines...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch bei über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das für Anleger und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...