Politik

Freihandel: Türkei kämpft gegen die Allianz der EU mit den USA

Wegen der Folgen des Freihandels-Abkommens TTIP will die Türkei die Zollunion mit der EU neu verhandeln. Der türkische Wirtschaftsminister sagte, keine souveräne Nation sollte eine derartige Übereinkunft unterzeichnen.
26.03.2014 00:18
Lesezeit: 2 min

Wenige Tage vor den türkischen Kommunalwahlen am 30. März befinden sich nicht nur der Korruptionsskandal und die aktuelle Twitter-Sperre auf der politischen Agenda, sondern auch die Handelsbeziehungen zur EU. Erst vor kurzem waren nach dreijährigem Stillstand die Beitrittsgespräche wieder angelaufen. Jetzt will die Türkei auch die Übereinkunft über die bestehende Zollunion neu verhandeln. Und das nicht ohne Grund: Das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) ist für die Türkei eine echte Bedrohung.

„Bis Juni werden wir für Verhandlungen über das Zollunion-Abkommen wieder eröffnen, dem kein souveräner, unabhängiger Staat zustimmen würde“, zitiert das Nachrichtenportal NewEurope den türkischen Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci vor Geschäftsleuten in der südtürkischen Provinz Burdur.

Die Reaktion Ankaras kommt nicht von ungefähr. Mit Argusaugen werden in der Türkei die Entwicklungen des Transatlantischen Freihandelsabkommens beobachtet. Im vergangenen Jahr bemühte sich die türkische Regierung intensiv, in das Abkommen zwischen der USA und der EU eingebunden zu werden. Auf seinem Staatsbesuch wurde der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan im Mai 2013 gleich von 60 türkischen CEOs begleitet.

Die Türkei plagen wirtschaftliche Isolations-Ängste. Sie fürchtet einen Rückgang beim Wirtschaftswachstum und in Folge dessen letztlich das Aus des Wirtschafts-Standortes Türkei: „Wenn dieses Freihandelsabkommen geschlossen wird, dann wird sich unser Handelsdefizit erhöhen”, zitierte die Hürriyet den damaligen Wirtschaftsminister Zafer Çağlayan Mitte April  2013. Zuvor hatte sich auch der Vorsitzende des türkisch-amerikanischen Unternehmerverbandes (TABA/AmCham), Ekrem Alptekin, dafür ausgesprochen, dass die Türkei beim bevorstehenden Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU mitwirken müsse.

Nun setzt Nihat Zeybekci offenbar alles daran, die Konditionen der bestehenden Zollunion mit der EU zu verbessern. Immerhin: Der wichtigste Handelspartner der Türkei ist derzeit die EU. „Ich habe mich mit Wirtschafts-und Handelsministern und Delegationen der 28 EU-Mitgliedsländer getroffen. Ich habe auf diese Männer Druck hinsichtlich der Zollunion ausgeübt. (...) Wir sind bereits dreimal zusammen gekommen und treffen uns nun ein viertes Mal”, so Zeybekci.

Kritiker des 1996 in Kraft getretenen Abkommens sind der Ansicht, dass die Zollunion die Wettbewerbsfähigkeit der türkischen Exporte einschränke, da die EU Freihandelsabkommen mit Drittparteien eingehen könnte. Diese könnten dann auch für Ankara bindend sein, ohne dass die türkische Regierung ein Mitspracherecht hat. Zu Beginn sei die Zollunion ein wichtiger Schritt zur wirtschaftlichen Integration der Türkei in den Weltmarkt gewesen. Doch das habe sich im Laufe der Zeit geändert. „Ausschließlich die Europäer profitieren von diesem Abkommen. Wir werden durchgehend ungerecht behandelt”, so Çağlayan.

Die Verhandlungen über das TTIP starteten erst 2013. Bis zu einem finalen Deal könnten noch Jahre vergehen. Dennoch empfindet die Türkei das Abkommen schon jetzt als einen Affront. Ganz anders sieht das der Chefverhandler für das Freihandelsabkommen der EU mit den USA. Garcia Bercero ist der Ansicht, dass die Türkei von der Mitgliedschaft in der EU-Zollunion profitiere. „Ausschlaggebend für die Freihandelsabkommen der Türkei mit Drittländern ist ihre Mitgliedschaft in der Zollunion. Nur aufgrund dieser Mitgliedschaft haben jene Staaten Abkommen mit Ankara unterzeichnet. Die Türkei profitiert von der Zollunion“, so Bercero.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Panorama
Panorama Grillmarkt in der Krise? Holzkohle wird teurer
03.07.2025

Grills verkaufen sich längst nicht mehr von selbst. Nach Jahren des Booms mit Rekordumsätzen schwächelt die Nachfrage. Händler und...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliarden für Dänemark – Deutschland geht leer aus
03.07.2025

Dänemark holt 1,7 Milliarden DKK aus Deutschland zurück – ohne die deutsche Seite zu beteiligen. Ein heikler Deal im Skandal um...

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen im Visier: Schweiz plant Enteignung durch Erbschaftssteuer für Superreiche
03.07.2025

Die Schweiz steht vor einem Tabubruch: Kommt die 50-Prozent-Steuer auf große Erbschaften? Die Eidgenossen debattieren über ein riskantes...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Drogeriehandel: Wie dm, Rossmann und Müller den Lebensmittelmarkt verändern
03.07.2025

Drogeriemärkte verkaufen längst nicht mehr nur Shampoo und Zahnpasta. Sie werden für Millionen Deutsche zur Einkaufsquelle für...

DWN
Technologie
Technologie KI-Gesetz: Bundesnetzagentur startet Beratungsservice für Unternehmen
03.07.2025

Die neuen EU-Regeln zur Künstlichen Intelligenz verunsichern viele Firmen. Die Bundesnetzagentur will mit einem Beratungsangebot...

DWN
Panorama
Panorama Sprit ist 40 Cent teurer an der Autobahn
03.07.2025

Tanken an der Autobahn kann teuer werden – und das oft völlig unnötig. Eine aktuelle ADAC-Stichprobe deckt auf, wie groß die...

DWN
Politik
Politik Brüssel kapituliert? Warum die USA bei den Zöllen am längeren Hebel sitzen
03.07.2025

Die EU will bei den anstehenden Zollverhandlungen mit den USA Stärke zeigen – doch hinter den Kulissen bröckelt die Fassade. Experten...

DWN
Finanzen
Finanzen USA dominieren die Börsen
03.07.2025

Die Börsenwelt bleibt fest in US-Hand, angeführt von Tech-Giganten wie Nvidia und Apple. Deutsche Unternehmen spielen nur eine...