Eine von der gewerkshaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geförderte Untersuchung hat die Skepsis deutscher Wirtschaftswissenschaftler empirisch widerlegt. Claudia Weinkopf und Gerhard Bosch vom Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen haben in ihrer Studie den aktuellen internationalen Forschungsstand zum Thema Mindestlohn aufgearbeitet. Ihr Fazit: Arbeitsplätze gehen nicht verloren. Langfristig könnte sogar Geld gespart werden.
In Deutschland sind diese Erkenntnisse aber noch nicht angekommen (mehr hier). Während in den USA und Großbritannien viele bekannte Ökonomen unter dem Eindruck neuerer Forschungsergebnisse ihre zuvor kritische Einschätzung zum Mindestlohn revidiert hätten, würde hierzulande der neue Forschungsstand vielfach noch ignoriert (mehr hier). „Man kann schon fast von einer Realitätsverweigerung der Ökonomen sprechen”, zitiert der Deutschlandfunk Mit-Autor Gerhard Bosch. Auch für die deutschen Branchenmindestlöhne habe man keine negativen Beschäftigungseffekte feststellen können, so Claudia Weinkopf.
Ein Mindestlohn werde von den Unternehmen akzeptiert, wenn diese auch von der Konkurrenz bezahlt würden, heißt es in dem Arbeitspapier 304. Eine Kontrolle der Einhaltung und abschreckende Strafen seien aber notwendig, damit das System funktioniert.
Gleichzeitig räumten die Autoren ein, dass ein zu hoch angesetzter Mindestlohn natürlich negative Auswirkungen haben könnte. Die Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen würden sich je nach Innovationsdynamik eines Landes unterscheiden. In Deutschland sind die Vorraussetzungen für einen Mindestlohn aber gut: Gemessen am Innovationsindikator der wichtigsten Industrieländer gehört die Bundesrepublik derzeit zu den innovativsten Volkswirtschaften. Dem Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) zufolge belegte Deutschland im Dezember 2013 erneut Platz 6 unter 28 Industrienationen. Wirtschaft und Wissenschaft seien stark, heißt es.
Für die deutschen Klein- und Mittelbetriebe, die ihre Löhne stärker als Großbetriebe anheben müssten, weil sie einen höheren Anteil von Beschäftigten hätten, die bislang weniger als 8,50 verdienten, gelte das ebenfalls, so die Autoren. Auch sie könnten ihrer Meinung nach mit einer Effizienzsteigerung auf die neue Lohnuntergrenze reagieren. Ein wichtiger Aspekt sei zudem die gute Ausbildung: Gut drei Viertel der Beschäftigten, die heute unter dem geplanten Mindestlohn liegen, haben anders als etwa in den USA einen beruflichen oder einen akademischen Abschluss.
Die Forscher sehen zudem einen langfristigen Nutzen für die Unternehmen. Ein höhrerer Verdienst sorge dafür, dass Mitarbeiter seltener den Arbeitgeber wechseln. Kosten für Einstellung und Einarbeitung fallen weg.
Geplant ist ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Beschlossen werden soll das Gesetz am 4. Juli. Die Einführung erfolgt dann zum Januar 2015.